Für Mountainbiker: der Gipfeltrail Hochschwarzwald Freizeit | 22.05.2020 | Patrick Kunkel

Mountinbike-Tour

Der knapp 140 Kilometer lange Gipfeltrail Hochschwarzwald ist die perfekte Route für drei Tage Mountainbike-Abenteuer. REGIO-Autor Patrick Kunkel hat Schlafsack und Kocher auf sein Rad gepackt und ist zu einem Wochenend-Kurztrip aufgebrochen.

Plopp. Zisch. „Ahh.“ Sven nimmt einen tiefen Schluck eiskalten Radlers aus der Flasche, grinst zufrieden und wackelt mit den nackten Zehen: „Endlich die Füße lüften. Hat ja lange genug gedauert.“ Über unseren Köpfen rauschen Fichtenwipfel sacht im Wind, und vor unseren Augen entfaltet sich wie auf einer Großbildleinwand das grandiose Panorama der Todtnauberger Höhenzüge, untergehende Sonne und grasende Pferde auf lauschiger Almwiese inklusive. Und diese Stille!

Genau so hatten wir uns den Bikepackingtrip ausgemalt. Unser Plan war: möglichst wenig Plan, dafür leichtes Gepäck. Außerdem tolle Landschaft und maximaler Bikegenuss. Ein bisschen Schwarzwaldwildnis, ein bisschen Abenteuer. Fahren, bis die Beine brennen, und dann ein Lager für die Nacht finden. Vor einer lauschigen Schutzhütte den Tag ausklingen lassen und schlafen unterm Sternenzelt.

Aber selbst ein Schmalspurplan braucht Vorbereitung: Karten hatten wir studiert und die Wettervorhersage. Das Gepäck bis aufs letzte Gramm perfekt abgestimmt, die Bikes frisch gewartet. Und fit waren wir auf den Punkt. Bloß die Dorfjugend von Todtnauberg, die hatten wir nicht auf dem Schirm. Doch eins nach dem anderen …

Neun Stunden früher, Höllentalbahn. Die Bikes klemmen im Abteil zwischen Rennrädern und einem Schwung E-Bikes. In Neustadt wollen wir unseren Dreitagestrip durch den Hochschwarzwald starten. Einfach loskurbeln. Aber nicht der Nase nach, sondern den gelb-blauen Schildern des Hochschwarzwald-Gipfel­trails hinterher. Praktisch: So müssen wir uns wenigstens über die Route keine Gedanken machen.

Fast 140 Kilometer ist die ausgeschilderte Strecke lang, wir haben sie auf drei Tagesetappen aufgeteilt. Den Rest nehmen wir, wie es kommt. Hauptsache den ganzen Tag draußen sein auf den Rädern. Alles, was wir in den nächsten beiden Tagen brauchen, steckt jetzt in den Packrollen an Lenker und Sattelrohr. Schlafsack, Isomatte, ein Kanten Käse, duftende hartgeräucherte Bauernbratwürste, ein Stück Brot, leichte Wechselklamotten für die Nacht. Minimalistischer geht es kaum, aber das Zusatzgewicht spüren wir trotzdem. Es geht nämlich erst einmal richtig steil bergauf. Die Räder wanken.

Doch nach nur zwei Kilometern im Sattel ist es so, als habe jemand einen Schalter umgelegt: vergessen der Alltagsstress. Dafür zieht uns der dichte Wald mit seinen Geräuschen und dem harzigen Duft frisch gefällter Bäume in seinen Bann.

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Der dichte Wald mit seinen Geräuschen und dem harzigen Duft frisch gefällter Bäume zieht uns in seinen Bann.

„Hätt’ ich nicht gedacht, dass der Gipfeltrail so schön ist“, keucht Sven. Den besten Ruf habe der ja nicht, hatte mein Bikepartner zu bedenken gegeben, als wir am Küchentisch unseren Wochenendtrip planten: „Kaum Gipfel, wenige Trails, viele Forstwege.“ Aber für uns genau das Richtige, denn anspruchsvolle Techniktrails würden mit Gepäckrolle am Lenker und Bikepackingtasche am Sattel keinen Spaß machen.

Jetzt aber rollen wir über einen abwechslungsreichen Mix aus Pfaden und Forstwegen, erst in Titisee hält der Trail eine mentale Herausforderung bereit: Reisegruppen verstopfen die Touristenschneise zwischen Kitschbuden, Kirschtorten-Cafés und dem Seeufer. Doch den Spuk lassen wir schnell hinter uns und tauchen wieder in den Wald ein Richtung Hinterzarten.

Die Strecke scheint wie gemacht für uns: breitere Waldwege zum Pedalieren, Streckemachen oder einfach mal Luft holen. Dazu immer wieder Panoramen und hin und wieder ein Stückchen Singletrail ­– zum Glück nicht zu technisch, denn die breite Rolle am Lenker schränkt die Sicht auf den Untergrund und das Lenkverhalten ein.

Schön, aber bergauf!

So kurbeln wir gut gelaunt durch einsame Wälder und treffen kaum einen Menschen. Zwischen Spähnplatz und Rinken rauschen wir einen Traumtrail hinab, der leider viel zu schnell endet. Kurz darauf lauert ein weiterer kniffliger Trail: weicher Waldboden, garniert mit Wurzeln, dazu Granitbrocken, dichtes Unterholz links und rechts. Wunderschön – aber leider bergauf. „Da mit Taschen hochzufahren, ist echt ein Kunststück“, meint Sven, als wir mit brennenden Oberschenkeln am Raimartihof ankommen.

Erst mal einkehren! Sven verschwindet in der Bauerngaststätte und kommt kurz darauf mit einem voll beladenen Tablett zurück: Gulaschsuppe, alkoholfreie Weizen, dazu knuspriges Bauernbrot. Welch ein Genuss! Den Energienachschub brauchen wir, denn die wahre Muskelprobe steht unmittelbar bevor: Die Gulasch­suppe schwappt noch im Magen, als wir das steile Seesträßle zum Feldberg raufkurbeln.

Der Gipfeltrail führt auf einem Forstweg im großen Bogen am Feldberg vorbei, doch den kurzen Abstecher auf den 1493 Meter hohen Gipfel lassen wir uns nicht entgehen. Oben genießen wir den Weitblick und bleiben dann ratlos vor einem Verbotsschild für Radler stehen. Eigentlich führt der Trail direkt bergab zur St. Wilhelmer Hütte: „Lust hätte ich ja schon“, meint Sven, blickt dann auf unsere schweren Taschen und die beiden grimmig dreinblickenden Wanderer, die gerade den Weg heraufstapfen: „Okay, Gründe genug für die offizielle Strecke“, grinst er. Die ist zwar fahrtechnisch nicht so aufregend, aber die Bergpanoramen machen’s mehr als wett.

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Verschnaufpause am Feldsee: Der Gipfeltrail ist abwechslungsreich und wie gemacht für uns.

Die Abfahrt am Stübenwasen ist rasant, doch eine Schafherde bremst uns aus. Der Schäfer, ein grobknochiger Hüne mit Hut und Schäferhund, ist neugierig: „Wo gahts na?“ Wir erklären unseren Plan. „Reschpekt“, meint er dann, „die meischte hier hen ja e Motor dabei.“ Und für die Nacht: Er kenne da eine lauschige Hütte am Schweinebühl, ganz in der Nähe.

Hätten wir mal auf ihn hören sollen … aber wir kurven weiter: Notschrei, Trubelsmattkopf, bis wir fast nicht mehr können. Langsam machen sich die gut 50 Kilometer und die fast 1500 Höhenmeter bemerkbar – hoffentlich finden wir noch was für die Nacht! Doch gerade, als sich erste Zweifel melden, finden wir das Paradies: eine Grillhütte oberhalb von Todtnauberg. Drinnen Platz für die Schlafsäcke, draußen eine Quelle, schöner Blick. Weiden, Berge, Ruhe!

Jetzt essen und Sonnenuntergang genießen! Grillen zirpen, Vögel kreisen am Himmel. Dann kommt die Dorfjugend. In zwei Autos angerauscht aus dem Tal. Bierkisten und Grillkohle werden aus dem Kofferraum geladen, Musik wummert. „Hi“, grüßt einer, irgendwas mit Geburtstagsparty nuschelt ein anderer. Und dass gleich noch ein paar mehr kommen.

Sven schaut mich an. Weiter oben, ist da nicht noch eine Hütte? Ich nicke. Wir packen und wünschen eine gute Party. Die Jugendlichen schenken uns zum Abschied zwei Radler. Eisgekühlt, immerhin. 500 Meter weiter, einen schmalen Pfad bergauf, stoßen wir auf eine Bretterbude: „Hornshittli“ steht über der Tür, weil der Berg direkt oberhalb Horn heißt. Der Fußboden ist uneben, aber es regnet nicht und neben der Hütte stehen zwei geschwungene Panoramaliegen im Wald: Das perfekte Nachtlager!

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Panoramaliege im Wald: das perfekte Lager für eine Nacht unterm Sternenhimmel.

Die Bikes lehnen wir an die Bäume und richten uns ein: Schlafsäcke auf die Bänke, die Füße hoch: Plopp, zisch – wir genießen das kühle Radler und den Blick auf die sanft gerundeten Schwarzwaldgipfel. Goldenes Abendlicht flutet die Almweiden, in der Ferne ragt das Hasenhorn auf. Als wir in die Schlafsäcke kriechen, kommen die Sterne raus. Es knackt und raschelt im Wald ringsum. In unserem Lager auf 1200 Metern Höhe fühlen wir uns der Natur viel näher als in einer Hütte: „War echt ein Volltreffer“, murmelt Sven, bevor wir wegdämmern. Ob wir morgen auch so einen feinen Platz im Freien finden?

Info

Start & Ziel: Bahnhof Neustadt
Dauer: 17,5 Stunden
Länge: 138,4 Kilometer
Auf- und Abstieg: je 3844 Höhenmeter

Fotos: © Patrick Kunkel