Interview: „Wir brauchen ein Signal“ Freizeit | 12.01.2020 | Arwen Stock

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Skilaufen, Schlittschuhfahren – diese Winterfreuden gibt es in tieferen Lagen kaum noch. Wie sich das Klima verändert, erklärt Dirk Schindler, Professor für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg, im Interview mit Arwen Stock.

Lust auf REGIO: Was ist aus dem einstigen Winterzauber geworden?

Dirk Schindler: Den zu finden, wird künftig schwierig sein. Schneefall und eine geschlossene Schneedecke gibt es dann nur noch in großen Höhenlagen oder in den Gipfellagen der Mittelgebirge. Und auch dort wird der Winterzauber abnehmen.

Lust auf REGIO: Gibt es Zahlen für die REGIO?

D. Schindler: Ja, von der Station des Deutschen Wetterdienstes auf dem Feldberg. Seit etwa 1940 nimmt dort die mittlere Schneedeckenhöhe pro Jahrzehnt um fünf Zentimeter ab. Heute liegt diese bei 40 bis 50 Zentimeter im winterlichen Mittel. Rückschlüsse erlaubt auch die Lufttemperatur: Je höher die ist, umso weniger Schnee gibt es. Im Bereich der Schweizer Alpen ist die Null-Grad-Grenze seit den 1960er-Jahren um 300 bis 400 Höhenmeter angestiegen. Heute liegt sie bei 800 bis 900 Metern.

Lust auf REGIO: Laut dem zweiten Klima-Monitoringbericht von Ende 2019 ist die mittlere Lufttemperatur bereits um 1,5 Grad wärmer.

D. Schindler: Wichtig ist hier, dass sich der Mittelwert auf Deutschland bezieht. Der globale Mittelwert liegt im Moment bei 1,1 Grad Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung. Zurzeit wird die Beschränkung der mittleren globalen Lufttemperatur auf maximal zwei Grad diskutiert. In Österreich und der Schweiz liegt der Lufttemperaturmittelwert seit wenigen Jahren bereits über zwei Grad. Das heißt, wenn der globale Wert zwei Grad erreicht, haben wir in Deutschland vermutlich eine um über drei Grad erwärmte mittlere Lufttemperatur.

Lust auf REGIO: An welchem Punkt ist die Klimakatastrophe nicht mehr abzuwenden?

D. Schindler: Der Klimawandel lässt sich nicht abwenden, die Katastrophe vielleicht noch. Die Erde ist ein sehr träges System. Das heute ausgestoßene CO2 wird sicher noch mehrere Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleiben. Das bedeutet, dass sich die Erwärmung bei einem höheren CO2-Level noch mehrere hundert Jahre fortsetzen wird. Zudem spielen die Ozeane eine Rolle. Sie reagieren ebenfalls sehr träge, erwärmen sich aber viel langsamer als die Atmosphäre und kühlen auch langsamer ab.

Der Klimaforscher  Dirk Schindler

Der Klimaforscher Dirk Schindler.

Lust auf REGIO: Welche Bedeutung kommt dem Jet Stream zu?

D. Schindler: Der Jet Stream ist ein Starkwindband in großer Höhe über der Erdoberfläche. Er ist an der Steuerung des Austauschs von warmen Luftmassen aus dem Süden und kalten aus dem Norden beteiligt. Der Jet Stream verändert sich bereits. Noch kann das nicht als dauerhaft angesehen werden. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass er sich verändern wird.

Lust auf REGIO: Welche Auswirkung hat das auf die REGIO?

D. Schindler: Die Auswirkungen haben wir an dem Hitzesommer 2018 ganz deutlich gesehen. Im Winter fällt mehr Regen und weniger Schnee. Geschlossene natürliche Schneedecken werden seltener. Es gibt eine Tendenz zur Nordverlagerung subtropischer Klimabedingungen.

Lust auf REGIO: Gibt es bald keinen Winter mehr?

D. Schindler: Noch ist es nicht so weit. Simulationen zeigen, dass die Anzahl der Schneetage in Höhenlagen bis 1000 Meter bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent zurückgehen wird. In den Gipfellagen des Schwarzwalds treten bis 2050 möglicherweise bis 45 Prozent weniger Schneetage auf. Aktuelle Simulationen aus der Schweiz zeigen, dass nach 2050 unterhalb von 1200 Metern nur noch sehr selten geschlossene, natürliche Schneedecken vorhanden sein werden.

Lust auf REGIO: Welche Möglichkeiten haben Wintersportler dann noch?

D. Schindler: Ich denke, der Wintersport wird sich in Baden-Württemberg zukünftig vor allem auf die Feldbergregion konzentrieren. In tieferen Lagen wird es regelmäßig kaum noch ausreichend schneien. Dort können mithilfe von Schneekanonen zwar noch eine Zeit lang Wintersportmöglichkeiten aufrechterhalten werden. Aber in wenigen Jahrzehnten wird es so warm sein, dass keine geschlossenen Kunstschneedecken mehr produziert werden können. Sehr kalte, schneereiche Winter werden zur Ausnahme.

Lust auf REGIO: Wird der aktuelle Winter eine?

D. Schindler: Nach den derzeitigen Prognosen vermutlich nicht. Allerdings kann man im Moment nur grob abschätzen, wie sich dieser Winter entwickeln wird. Wahrscheinlich wird er wärmer als der mittlere Winter in der Klimareferenzperiode – wie viel wärmer, das ist nicht vorhersagbar. Die Entwicklung des Wetters lässt sich nur wenige Tage im Voraus plausibel prognostizieren.

Lust auf REGIO: Was kann der Einzelne tun?

D. Schindler: Das Wichtigste ist: Wir müssen alle weniger Treibhausgase, vor allem CO2, verursachen. Es gibt viele Möglichkeiten, im Kleinen anzufangen, wie zum Beispiel das Mobilitäts- und Konsumverhalten und die Ernährungsgewohnheiten hinsichtlich Klimaneutralität zu überprüfen. Im Großen muss der stockende Ausbau der Wind- und Solarenergie wieder stärker forciert werden. Und das Klimapaket sollte viel ambitionierter sein.

Lust auf REGIO: Was wünschen Sie sich?

D. Schindler: Ein starkes Signal, das von Deutschland ausgeht, dass ein tiefgreifender Klimaschutz möglich ist. Wir müssen auf allen Ebenen rasch Maßnahmen zur drastischen Reduktion von CO2-Emissionen ergreifen. Deutschland galt lange als Vorreiterstaat, was den Klimaschutz angeht. Doch in den letzten Jahren hakt es da gewaltig.

Foto: © iStock/Mathias Berger, privat