Urwald auf dem Balkan: Der Sutjeska-Nationalpark ist ein Geheimtipp unter Naturfreunden Reise-Special | 14.12.2019 | Jakob Steiner

Nationlapark Bosnien

Der Wind rauscht durch die Wipfel mächtiger Schwarzkiefern. Ihr Harz füllt die Luft mit süßlichem Duft. Unter der goldenen Septembersonne erstreckt sich der Sutjeska-Nationalpark in Bosnien-Herzegowina. Undurchdringliche Wälder und schroffe Gebirgsketten geben der Umgebung einen unerschütterlichen Charakter.

In jahrtausendelanger Arbeit wurden Hügel und Täler vom Flusslauf der Sutjeska geformt. Mal gemächlich, mal reißend windet sich der Fluss durch den Urwald und zeichnet dabei sein Abbild in die Landschaft. Mit dem Camper geht es durch den südlichen Balkan. Der Sutjeska-Nationalpark darf auf dieser Reise nicht fehlen. Wer einsame Wanderwege, hohe Berge und unberührte Natur sucht, wird hier fündig. Der Nationalpark ist noch immer ein Geheimtipp in Bosnien und Herzegowina. Dementsprechend gibt es im ganzen Park nur ein Hotel und einen offiziellen Campingplatz.

„Das Tal der Helden“ beherbergt eben diese und ist damit das Zentrum des Nationalparks. Der Name kommt nicht von ungefähr: 1943 gelang es hier der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee unter Josip Tito, die Achsenmächte vernichtend zu schlagen. Und das, obwohl sich die rund 18.000 Partisanen gegen eine Übermacht von 128.000 feindlichen Soldaten verteidigen mussten. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass den jugoslawischen Kämpfern ein eindrucksvolles Denkmal gewidmet wurde. Das Monument erinnert an zwei gigantische Hände, die sich gen Himmel strecken. Ein beeindruckendes Bild, umgeben von mächtigen Bergen und urwüchsigen Wäldern. 

Nationalpark Bosnien mit Denkmal

Ein Denkmal erinnert daran, dass das Gebiet im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte

Das beliebteste Ausflugsziel Sutjeskas ist der Magli. Mit 2386 Metern ist er der höchste Berg Bosniens. Im Auto geht es über holprige Straßen auf knapp 1600 Höhenmeter. Ab jetzt führt ein anspruchsvoller Klettersteig auf den Gipfel. Auf -allen vieren und mit beiden Händen am schroffen Fels kommen abenteuerlustige Wanderer voll auf ihre Kosten. Der Gipfel belohnt mit einer sagenhaften Rundumsicht. Auch -einige der neun Gletscherseen des Parks sind zu sehen. Die Einheimischen nennen sie „Gorske oi“, zu Deutsch: Augen der Berge. Diese tiefblauen Beobachter wachen unter anderem über einen der letzten Urwälder Europas.

Seit 20.000 Jahren schon wächst der Peruica-Urwald. In -Europa kann man derartig alte Wälder sonst nur noch in Montenegro oder Weißrussland finden. Ein Großteil der 2600 Pflanzenarten in Sutjeska sind in diesem Forst beheimatet. Aus dem undurchdringlichen Dickicht schießen -Fichten, Kiefern und Buchen in den Himmel. Die Baumkronen thronen in bis zu sechzig Metern Höhe über dem Waldboden. Manche dieser Riesen sind über 300 Jahre alt.

Wer aufmerksam ist, hört während der Paarungszeit Bärengebrüll oder das schaurige Heulen der Wölfe. Sie sind bei Weitem nicht die einzigen Bewohner des 17.500 Hektar großen Parks. Schlangen kriechen durchs hohe Gras, Moorhühner suchen nach Ess-barem und Steinadler ziehen ihre Kreise um die Felsmassive des Magli. Beim Abstieg hat man die berühmten Berglandschaften Montenegros ständig im Blick. Mit der wärmenden Sonne im Rücken geht es über weitläufige Hochebenen. Ein malerischer Pfad führt durch durchwehte Wiesenlandschaften bis zum Trnovacko-See. Der Ausblick ist Bergromantik pur, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass der See herzförmig ist. Und spätestens hier könnte man sich wohl auch ein wenig in Sutjeska verlieben.

Nationalpark Bosnien Aussicht vom Berg Maglic

Der 2386 Meter hohe Maglić am Ostrand des Parks bietet beein­druckende Ausblicke auf Gletscherseen und Wiesenlandschaften.

Fotos: © Jakob Steiner, iStock.com/Vpopovic