Drei Geflüchtete kämpfen um ihre Liebe zu einer Deutschen STADTGEPLAUDER | 15.03.2017 | Till Neumann
Ablehnung, Eifersucht, Geheimnisse. Die Beziehungen junger Flüchtlinge mit einer Deutschen sind oft schwierig. Was alles schiefgehen kann, hat der in Freiburg lebende Muthivhi Khathutshelo Moses in seinem Roman „Love has no Boundaries“ aufgeschrieben. Real erleben das derzeit drei junge Männer aus dem Irak, Syrien und Gambia. Die Neu-Freiburger berichten dem chilli vom Kampf um die Liebe. Ein Kölner Flirtcoach weiß um die Hürden und gibt seit Neuestem Flirtkurse für Flüchtlinge. Dafür bekommt er sogar Morddrohungen.
Für Thomas Walters ist es Liebe auf den ersten Blick. Als der afrikanische Flüchtling auf Grace Müller trifft, ist er hin und weg. Und hat Glück: Die blonde Freiburger Medizinstudentin verliebt sich in ihn. Doch Grace’ Eltern sind gegen die Beziehung. Schließlich hat Thomas weder Arbeit noch einen Schulabschluss. Dass er dafür Frau und Kind hat, erfährt Grace bei einem Besuch in Südafrika. Entsetzt reist sie ab.
Die fiktive Geschichte der beiden hat der 34-jährige Muthivhi Khathutshelo Moses – kurz Kathu – auf Grundlage realer Begebenheiten geschrieben. Der Sozialarbeiter war vier Jahre lang in der Flüchtlingsunterkunft in der Bissierstraße tätig, kümmerte sich dort um Sorgen und Nöte der Bewohner, erfuhr, womit Neuankömmlinge zu kämpfen haben: „Viele träumen von einer deutschen Frau, sie wissen aber nicht, wie sie mit ihr umgehen sollen“, sagt Kathu. Sein Buch versteht er als Ratgeber: Seid offen, ehrlich, unvoreingenommen.
Mit seiner traurigen Liebesgeschichte trifft er den Nagel auf den Kopf. Das zeigt der Fall von M. aus Gambia. Der 32-Jährige war neun Monate mit einer 17-Jährigen aus dem Freiburger Umland zusammen. „Immer wenn ich sie sehe, bin ich glücklich“, sagt der Flüchtling beim Gespräch am Hauptbahnhof. Er wirkt geknickt, seine Freundin hat ihn gerade verlassen. Die Mutter der Schülerin war gegen ihn – so sein Eindruck. Schließlich habe er nur Gelegenheitsjobs, keine sichere Bleibeperspektive, spricht nicht perfekt Deutsch. Jetzt will sie keinen Kontakt mehr. Für M. bricht eine Welt zusammen, er möchte sie zurückerobern, schreibt ihr, ruft sie an. Der jungen Frau ist das zu viel: Sie fühlt sich gestalkt, droht, die Polizei zu rufen – das schreibt sie dem chilli. Dabei hat ihr M. eines verheimlicht: Er hat ein fünf Jahre altes Kind in Gambia.
Für „Deutschlands bekanntesten TV-Flirtcoach“ Horst Wenzel ist der Fall keine Überraschung. Der Kölner gibt seit Kurzem Flirtseminare für Flüchtlinge und stellt dabei immer wieder fest: „Da liegt einiges im Argen.“ Viele der jungen Flüchtlinge hier seien absolute Beginner in Sachen Liebe, hatten noch nie eine Beziehung. Datingvakuum, nennt der 28-Jährige das.
In den Seminaren erklärt er, woran man merkt, dass eine Frau Interesse hat oder welche Rolle Sex spielt. Er hat dabei schon mehrfach erlebt, dass Flüchtlinge nicht wussten, wo Liebe anfängt. „Nur auf Facebook zu chatten ist keine Beziehung“, erklärt er den Teilnehmern. Nicht alle wüssten das. Mehr interkulturelle Beziehungen sind für ihn wünschenswert, ein „Integrationsbooster“, wie der Blondschopf sagt. Aus AfD-Kreisen wird er für die Flirtkurse massiv bedroht. Der Tenor: Jetzt klauen sie uns nicht nur unsere Jobs – sondern auch unsere Frauen. Wenzel bekam sogar Morddrohungen.
Für einen Dieb hält sich H. nicht. Der Iraker ist seit eineinhalb Jahren in Deutschland und seit einem Jahr mit einer Deutschen zusammen. Sie ist 23, er 21. Kennengelernt haben sie sich über die Facebook-Gruppe Netzwerk Freiburg. Bei den ersten Treffen sei sie sehr schweigsam gewesen, berichtet H. Aus Vorsicht, vermutet der schick gekleidete junge Mann.
„Deutsche Frauen sind sehr schwierig“, sagt H. Rede er über ihr Gewicht oder die Frisur, sei sie eingeschnappt. „Im Irak kann ein Mann einer Frau alles sagen“, sagt H. Vorurteile gegenüber arabischen Männer kennt er: Sie seien eifersüchtig und aggressiv. Stimmt das? Manche so, manche so, sagt H. Dass seine Freundin männliche Freunde hat, war für ihn anfangs schwierig. Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt. Noch schwieriger war, dass sie bereits mit einem Mann geschlafen hat. Auch das hat er überwunden.
Doch einen Ort für intime Momente zu finden, war schwierig: Zu ihr konnten sie nicht wegen des Vaters der Freundin. Er glaubt, dass H. nur für eine Aufenthaltsgenehmigung heiraten will. Und auch bei H. war’s schwierig, da er bis vor Kurzem im Flüchtlingsheim lebte. Dort darf er nachts keinen Besuch haben. Also hat er für gemeinsame Nächte ein Hotelzimmer gemietet. Dort hatte er sein erstes Mal – mit ihr.
Die Eltern seiner Freundin hat er noch nie zu Gesicht bekommen, das findet H. „sehr schlimm“. Philip Bona vom Amt für Migration und Integration der Stadt Freiburg kann das nur zu gut verstehen. Er warnt aber davor, die Eltern dafür zu verurteilen. Dass diese sich um ihre Tochter sorgten, sei normal – in allen Teilen der Welt. „Ein Geflüchteter ist stigmatisiert“, sagt der 54-jährige aus Sierra Leone stammende Integrationshelfer. Nicht nur Eltern seien da skeptisch, auch die Frauen selbst. Um die Akzeptanz einer solchen Beziehung zu kämpfen, könne ein Beziehungskiller sein, sagt Bona. Wichtig sei, sich in Beziehungen auf Augenhöhe zu begegnen.
Beruflich und privat bekommt er die Nöte der Neuankömmlinge mit. „Sie finden gerade blonde deutsche Frauen hübsch und exotisch“, sagt Bona. Doch viele seien verzweifelt, da sie aufgrund von Sprachbarrieren oder fehlendem Status keine Partnerin finden. Klappe es doch, stehe man vor großen Herausforderungen. Denn an kulturellen Unterschieden und Sprachproblemen können Beziehungen scheitern. „Viele bleiben auf der Strecke“, sagt Bona. Beziehungen würden in Deutschland allgemein schnell aufgegeben.
Er kennt jedoch auch Fälle, in denen es gut funktioniert. Wichtig sei, sich Zeit zum Kennenlernen zu lassen und rechtzeitig über Erwartungen zu sprechen. Dass beispielsweise der Mann Windeln wechselt oder den Kinderwagen schiebt, sei in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit. So etwas bespreche man besser vor der Schwangerschaft, rät Bona. Bei der Babyplanung ist ein deutsch-syrisches Pärchen aus Freiburg noch nicht. F. (22) und J. (28) haben sich im Herbst im Jazzhaus kennengelernt. Sie studiert hier auf Lehramt, er war in Syrien Bäcker, lernt jetzt Deutsch. Wer damals wen gefragt hat, ob sie tanzen wollen? Beide wollen es gewesen sein.
Die Kommunikation war vor allem am Anfang schwierig: Sie versuchten es mit Händen und Füßen – und dem Google Translator. Nach zwei Monaten hat F. das Programm genervt. Seitdem reden sie, so gut es geht. „Daran werden wir wohl unser ganzes Leben arbeiten – jeden Tag“, sagt F. Gerade wenn sie schnell etwas erzählen will oder es emotional wird, stoße sie an Grenzen. Das macht sie traurig. Auch ihre Eltern seien anfangs vom syrischen Freund nicht begeistert gewesen. Doch die positiven Seiten überwiegen: „Es wird nie langweilig, das ist schön“, sagt F. Was J. über deutsche Kultur gelernt habe? Er zeigt auf seinen Kaffee und lacht. Dass viele Deutsche da keinen Zucker reintun, kann er nicht verstehen.
F. und J. können sich vorstellen, mal Kinder zu kriegen. Ob die dann Muslime werden oder Christen, müssen sie noch ausdiskutieren. An eine gemeinsame Zukunft glauben sie aber. Das tut auch Kathu für seine Geschichte von „Love has no Boundaries“: Die gescheiterte Beziehung zwischen dem Flüchtling Thomas und der Studentin Grace will er so nicht stehen lassen. Er schreibt gerade am zweiten Teil – mit Happy End.
Das Buch
Titel: Love has no Boundaries
Autor: Muthivhi Khathutshelo Moses
Verlag: Reach Publishers
Sprache: Englisch (Deutsche Fassung erscheint in Kürze)
Seiten: 178
Erhältlich bei: Buchhandlungen Rombach und Jos Fritz sowie Amazon
Fotos: © iStock.com/AzmanL/Fotos: © flirt university, Till Neumann, pixabay