Gewinnspiel: Theater Pro inszeniert Kriegsdrama STADTGEPLAUDER | 15.10.2016

Zwei Vergewaltigungen, ein totes Baby, ausgesaugte und verspeiste Augen – es ist keine leichte Kost, die das Theater Pro mit Sarah Kanes Drama „Zerbombt“ im Oktober auf die Freiburger Südufer-Bühne bringt. Zumal Regisseur Ralf Buron seinem Publikum keinen sicheren Rückzugsort lässt: Mit seinen multimedialen Inszenierungen hebt er die Barriere zwischen Zuschauern und Bühne auf.
 

Umstritten: In der Inszenierung wird die Brutalität nicht in den Vorderrund gestellt - Vergewaltigungen werden daher nicht zu sehen sein.

Umstritten: In der Inszenierung wird die Brutalität nicht in den Vorderrund gestellt – Vergewaltigungen werden daher nicht zu sehen sein.


 
„Stehst du auf Nigger? Hast du ein Herz für unsere schwarzen Mitbürger?“ Drohend steht Journalist Ian, verkörpert vom Basler Schauspieler Ives Pancera, auf einem riesigen Himmelbett und blickt auf Myriam Tancredi hinab. „Sie stören mich nicht“, erwidert sie in der Rolle der Ex-Geliebten Cate mit zitternder Stimme. „Werd erwachsen!“, zischt Ian.
 
Ein Hotelzimmer, ein Bett, zwei Erwachsene, die sich einst geliebt haben: Eigentlich keine beängstigende Szene – und dennoch meint man, die unterschwellige Brutalität fast mit Händen greifen zu können. Es wird nicht bei dieser Unterschwelligkeit bleiben: Später wird Ian Cate vergewaltigen und kurz darauf selbst von einem Soldat missbraucht, der ihm zudem die Augen aussaugt und isst. Cate kehrt mit einem Baby zurück, das später stirbt und von Ian gegessen wird.
 
Kein Wunder, dass das Erstlingswerk der britischen Dramatikerin bei der Uraufführung 1995 für einen handfesten Skandal sorgte. „Mich fasziniert dieses radikale, unverblümte Theater“, hält Buron dagegen, der mit seiner Inszenierung einen Bezug zu aktuellen Kriegschauplätzen wie Syrien, Afghanistan oder den Irak schaffen will. „Damals gab es noch nicht die Möglichkeit, sich über das Internet die brutale Kriegsrealität ins Wohnzimmer zu holen. Heute ist dieser Ansatz überholt.“
 
Multimedial: Theater-Pro-Regisseur Ralf Buron will seine Inszenierungen durch Schauspiel, Musik und Video nahe an den Zuschauer heranführen.

Multimedial: Theater-Pro-Regisseur Ralf Buron will seine Inszenierungen durch Schauspiel, Musik und Video nahe an den Zuschauer heranführen.


 
In seiner Inszenierung will er die Brutalität daher nicht in den Vordergrund stellen. So werden etwa die Vergewaltigungen nicht zu sehen, sondern nur zu hören sein. „Indem wir alle Sinne ansprechen, wollen wir ein eindrückliches Bild von der Verrohung der Gesellschaft zeigen.“
 
Um besonders nahe an sein Publikum heranzukommen, setzt Buron nicht nur Schauspiel, sondern auch Videoprojektionen und Klangcollagen ein. Und auch die räumliche Trennung wird zum Teil aufgehoben. „Mir ist es wichtig, dass der Zuschauer das Stück hautnah erlebt. Schon wenn er den Raum betritt, muss er eine Entscheidung fällen und Position beziehen“, verrät der Theater-Pro-Gründer.
 
In Berlin war Buron einst Vorreiter bei solch multimedialen Inszenierungen. Später hat er das Aktionstheater Pan.Optikum mit seinen Megainszenierungen im öffentlichen Raum nach Freiburg gebracht und zwanzig Jahre lang geleitet. Großinszenierungen sind immer noch ein Steckenpferd des freischaffenden Regisseurs, der zudem als Komponist, Musiker, Videokünstler und Fotograf arbeitet. Im kommenden Jahr wird er etwa vor dem Mannheimer Schloss ein Stück zum 200. Geburtstag des Fahrrads vor mehreren tausend Menschen aufführen.
 
Intim: Die Schauspieler Georg Blumreiter (o.l.) und  Ives Pancera (o.r.) werden auch räumlich nahe ans Publikum gebracht.

Intim: Die Schauspieler Georg Blumreiter (o.l.) und Ives Pancera (o.r.) werden auch räumlich nahe ans Publikum gebracht.


 
„Bei Inszenierungen im öffentlichen Raum muss man die Zuschauer ganz schnell packen – sonst laufen die einfach weiter“, weiß der 59-Jährige. Eine Herangehensweise, die er auch beim Kammertheater beherzigt. „Mir ist es wichtig, kein verkopftes, hochcodierte Theater zu machen“, so Buron. „Ich will kein abgehobener Kunstspinner sein, der den Kontakt zu normalen Menschen verloren hat. Die gibt es leider viel zu oft in der Szene.“
 
Die Stücke des Theater Pro sollen daher immer eine gesellschaftliche Relevanz haben. Auch mit Kanes Stück, in dem Rassismus eine zentrale Rolle spielt, will der bei Titisee lebende Regisseur aufrütteln: „Wir wollen dem sogenannten Wutbürger einen Spiegel vorhalten.“
 
Gewinnspiel: Das chilli verlost 2×2 Karten für die Aufführung am Mittwoch, 26. Oktober. Wer gewinnen möchte, schreibt eine E-Mail mit dem Betreff „Zerbombt“ an gewinnspiel@chilli-freiburg.de
 
Text: Tanja Bruckert / Fotos: © Ralf Buron; tbr
 
 
Theater Pro:
 
Sarah Kane: Zerbombt
21. & 22. Oktober und 26.–29. Oktober, je 20 Uhr Südufer, Freiburg
Eintritt: 13 Euro / 10 Euro ermäßigt
Regie/Konzept: Ralf Buron
Bühnenbild: Friedrich-Wilhelm Gärtner
Regieassistenz: Katharina Rauenbusch
Es spielen: Myriam Tancredi, Ives Pancera, Georg Blumreiter
 
Gefördert vom Kulturamt der Stadt Freiburg, der Landesbank Baden-Württemberg, der Volksbank Freiburg eG und der Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau.