Katastrophale Selektion: Studiengebühren für Nicht-Eu-ler stoßen auf Protest STADTGEPLAUDER | 25.03.2017

1500 Euro sollen Studierende aus Nicht-EU-Ländern ab dem Wintersemester in Baden-Württemberg zahlen. Betroffen wären etwa Chinesen wie Zhilan Guo aus Macao. Die 20-Jährige studiert in Freiburg und versteht nicht, warum ihre Landsleute zukünftig zahlen sollen. Auch das Institut für Soziologie lehnt das Vorhaben ab. Und der Arbeitskreis Freie Bildung will nach der Audimax-Besetzung weiterprotestieren. Im Rektorat gibt man sich zurückhaltend.

Protest gegen Studiengebühren in Freiburg

Protest: Studierende haben im Dezember das Audimax besetzt.

Zhilan Guo sitzt in der UB und paukt Mathe. Für die letzte Klausur des Semesters im Master „Economics“. Die 20-Jährige spezialisiert sich auf Finanzen – und weiß um die geplanten Studiengebühren. „Die sind ein bisschen unfair“, sagt die Chinesin. Warum sollen nur ausländische Studenten zahlen? Warum nur in Baden-Württemberg? Für sie ein Rätsel.

 
Rund 400 Menschen demonstrierten im November in der Innenstadt. Guo war dabei. Bei der Besetzung des Audimax im Dezember wollte sie ebenfalls mitmischen – musste aber lernen. Dass Deutsche gegen die Studiengebühren für Nicht-EU-ler demonstrieren, findet sie sehr nett.

 
Organisiert hat die Proteste der Arbeitskreis Freie Bildung: „Freie Bildung ist ein Instrument gegen Ungleichheit“, sagt Maleen Steding (23). „Wir kritisieren, dass Menschen aus Ländern, die sowieso hintendran sind, nicht mehr kommen können, wenn sie Studiengebühren bezahlen sollen“, ergänzt Iris Kimizoglu (21). Beide finden die Gebühren diskriminierend. Ende April wollen sie erneut dagegen mobilisieren.

Zhilan Guo

Dagegen: Die chinesische Studentin Zhilan Guo findet die Gebühren unfair.

Den Plan der Landesregierung konnten sie bisher nicht ver­hindern. Erfolge sehen sie trotzdem: Sie hätten eine Diskussion in Gang gesetzt und mehr ­Ausnahmeregelungen erreicht. So sollen nun beispielsweise Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive von den Gebühren ausgenommen werden. Hochschulen können zudem fünf Prozent ihrer Bildungsausländer von Gebühren befreien – bei besonderer Begabung oder der Herkunft aus Entwicklungsländern. Anfang Mai soll das Gesetz beschlossen werden. Befürworter sagen: In anderen Ländern werden teils noch höhere Gebühren bezahlt. Abschrecken dürfte die 1500 Euro deswegen niemanden.

Manuela Boatca

Professorin Manuela Boatca

Doch auch bei Professoren regt sich Widerstand. „So wird eine elitäre Stimmung geschaffen“, sagt Manuela Boatca, Professorin am Institut für Soziologie der Uni Freiburg. Sie ist Expertin für Ungleichheitstheorien und leitet den Freiburger ­Masterstudiengang „Global-Studies-Programm“. Den belegen derzeit insgesamt 42 Studenten, im Schnitt kommen mehr als 40 Prozent eines Jahrgangs aus Nicht-EU-Staaten. Studiengebühren wären „katastrophal“, findet Boatca. Denn dann könnten nur noch die kommen, die es sich leisten können. „Eine klare Selektion“, sagt die Soziologin.

 
Die 1500 Euro seien ein klarer Standortnachteil für Freiburg und Baden-Württemberg. Obwohl die Uni ja gerade auf Internationalisierung setze, sagt Boatca. Ihr Institut hat sich mit einer Stellungnahme gegen die Gebühren positioniert. Der Gobal-Studies-Master könnte jedoch als Ausnahmeregelung gelten, teilt die Uni-Pressestelle mit.

 
Die Bedingungen für ausländische Studenten sollen verbessert werden: 300 der 1500 Euro fließen in die Unikasse. Dass das etwas bringt, glaubt Boatca nicht. „Der Verwaltungsaufwand ist zu groß, eine positive Seite gibt’s nicht“, sagt sie. In die gleiche Kerbe schlägt auch der Arbeitskreis Freie Bildung.

 
Im Rektorat gibt man sich zurückhaltend: Die vielen Ausnah­men bringen mehr Verwaltung mit sich, bestätigt die Pressestelle. Noch sei unklar, wie viele Studierende betroffen sind. Genaueres könne man erst sagen, wenn Zahlen vorliegen. Das Geld könne in Deutschkurse, Mentoren, Beratung oder Unterkünfte fließen, heißt es. Rektor Hans-Jochen Schiewer findet die Gebühren „grundsätzlich richtig, sofern sie sozialverträglich ausgestaltet werden“.

 
Derzeit sind an der Uni rund 2800 Studierende aus Nicht-EU-Ländern. Zhilan Guo muss nicht bezahlen. Nur wer ab dem Wintersemester sein Studium beginnt, soll zur Kasse gebeten werden. Wäre Guo betroffen, würde sie lieber in Berlin studieren. Schließlich sei das kostenlose Studium ein Hauptgrund gewesen hierherzukommen.

Text: Till Neumann; Fotos: Achim Keller/dpa, Till Neumann, Michael Fahrig