„Das war wohl ein Statement“: Comedian Benaissa Lamroubal über Rap, Karriere und Werte Kultur | 30.04.2023 | Miriam Wißler

War in Freiburg zu Gast: Comedian Benaissa Lamroubal mit seinem Programm "Baba Nice!"

Der Comedian Benaissa Lamroubal ist am Donnerstag in Freiburg aufgetreten. Im Bürgerhaus Zähringen zeigte der Deutsch-Marokkaner sein Programm „Baba Nice!“. Im Anschluss hat er chilli-Autorin Miriam Wißler ein Interview gegeben. Lamroubal erzählt von seiner Rap-Vergangenheit, vom Wunsch seiner Eltern und der Karriere als Mensch mit Migrationshintergrund.

chilli: Benaissa, du standest vor etwa 30 Jahren zum ersten Mal auf einer Bühne. Damals noch als Rapper. Machst du heute noch Musik oder ist dieses Kapitel abgeschlossen?

Lamroubal: Ich nutze Musik ab und zu in meiner Comedy, wenn ich Parodien mache. Ansonsten mache ich das für mich zu Hause als Ausgleich. Ich habe eine Drum Machine und ein DJ Set, das ich gerne nutze. Aber ich habe nicht vor, die Musik zu meinem Beruf zu machen. Mit Sicherheit kann ich das aber nicht ausschließen. Ich habe zum Beispiel für die Serie Ethno 2021 einen Song geschrieben. Weitere Projekte sind momentan nicht geplant.

chilli: Wie bist du dann von der Musik zur Comedy gekommen?

Lamroubal: Die Comedy ist zu mir gekommen. Ich stand damals als Rapper auf der Bühne und wurde immer wieder von Freunden darauf angesprochen, dass meine Texte witzig seien. Sie mochten auch die Art, wie ich Geschichten erzähle. Sie schlugen mir vor, mich als Comedian zu versuchen. Ich habe es ausprobiert und gleich einen sehr guten ersten Auftritt hingelegt. Das ist in der Comedy-Branche eher selten. Dafür waren die nächsten 50 Auftritte schlecht. Ich musste erstmal die Grundlagen lernen. Anschließend habe ich einen Freund zum Comedy-Grand-Prix begleitet. Ich hatte überhaupt nicht vor, mich zu bewerben. Habe dann aber spontan beschlossen teilzunehmen. Seit der Ausstrahlung 2012 konnte ich plötzlich von meinen Auftritten leben.

chilli: Du hast Deutsch, Englisch und Erziehungswissenschaften auf Lehramt studiert. Wie kam es zu dazu?

Lamroubal: Für mich war das eine Art kleine Bühne. Ich konnte meinen Eltern nicht direkt sagen, ich mache Comedy. Ich musste irgendetwas beruflich machen, mit dem sie auch zufrieden sind. Und dann habe mir das Nächste zur Bühne gesucht – den Beruf des Lehrers. Das findet auch vor Publikum statt, auch wenn es jeden Tag dasselbe Publikum ist. Aber irgendwo kann man seine Unterhaltungsfähigkeiten mit einbauen. Ich denke, der Lehrberuf ist sehr nah an dem dran, was ich jetzt mache.

Scherzt über seine Rolle als zweifacher Vater: Benaissa Lamroubal im Bürgerhaus Zähringen

chilli: Ist dir eine Wertevermittlung wichtig. Oder geht es dir nur um Unterhaltung?

Lamroubal: Ich möchte nicht zwanghaft irgendetwas vermitteln. Das geschieht oft unbewusst. Ich erzähle eine Geschichte und plötzlich applaudiert das Publikum an einer bestimmten Stelle und ich merke: Ja, das war wohl ein Statement. Meine Geschichten handeln von Themen, die mich selbst beschäftigen. Momentan ist das die Vaterrolle. Ich stamme aus einer Kultur, bei der das althergebrachte Rollenverständnis oftmals noch nicht aufgebrochen ist. Da stehe ich gerne dahinter, ein Vater zu sein, bei dem das nicht der Fall ist. Ich finde es ebenfalls wichtig, zu honorieren, was die Mütter und Frauen leisten. Ich möchte Menschen primär zum Lachen bringen. Das stimmt. Aber gerade bei solchen Themen habe ich ein gewisses Sendungsbewusstsein.

chilli: Du hast zwei Kinder. Oft sagt man als junger Mensch, dass man alles ganz anders machen wird als die Eltern. Ist das so oder hatten sie in gewissen Dingen Recht?

Lamroubal: Es gibt viele Dinge, die ich nicht von meinen Eltern übernehmen würde. Zum Beispiel hat unser Vater vor uns Kindern geraucht. Er dachte immer: Kinder machen das, was du sagst. Heute weiß ich, Kinder machen das, was du tust. Wenn man vor den Kindern raucht oder ständig am Handy hängt, wird das für die Kinder zur Normalität. Man kann ihnen außerdem nichts verbieten, was man selbst tut. Es gibt aber auch Aspekte, die ich gerne von meinen Eltern übernehme. Zum Beispiel der Respekt vor älteren Menschen, der vor allem in der marokkanischen Kultur verankert ist. Allgemein übernehme ich Dinge, die ich verstehen und nachvollziehen kann.

chilli: Wie ist es in der Unterhaltungsbranche: Ist ein Migrationshintergrund förderlich oder hinderlich?

Lamroubal: Beides irgendwo. Manchmal ist es hinderlich, vor allem bei den sogenannten Mixed Shows. Meistens gibt es da eine Frau, einen Ausländer etc. Man möchte damit jeden Geschmack treffen. Du bist dann wegen deinem Migrationshintergrund da und nicht wegen deinen Geschichten. Das ist schade. Die andere Seite ist, dass wir eine Bubble bedienen, die vorher gar nicht bedient wurde. Die Geschichten, die wir erzählen, sind Geschichten, die wir kennen. Und mit denen wir uns identifizieren können. Diese Geschichten existierten früher in der deutschen Kulturlandschaft überhaupt nicht. Weder in Filmen noch in Büchern oder der Musik. Wenn es eine Sichtbarkeit gab, war die oftmals eher negativ. Wir spielten in Filmen zum Beispiel immer den Türsteher oder den Verbrecher. Das muss sich ändern. Es gibt so viele Erfolgsgeschichten. Zum Beispiel die Geschichte von Jalid Sehouli, dessen Mutter in dem Krankenhaus geputzt hat, in dem er später Chefarzt geworden ist. Die Mutter konnte weder lesen noch schreiben und hat dennoch alles getan, um ihren Sohn auf seinem Weg zu unterstützen. Solche Geschichten sollten verfilmt werden. Schauspieler hätten wir, aber wir bräuchten Produzenten und Regisseure. Man braucht das Budget und Menschen, die diese Perspektiven einnehmen können und an deren Erfolg glauben.

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Fotos © Tiffany Maaßen & Miriam Wißler

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