Lyrische Musiker beim poetischen Stelldichein im Literaturhaus Kultur | 18.06.2018 | Erika Weisser

Am vorletzten Wochenende im Juni steigt im Literaturhaus Freiburg das erste Festival für Poesie. Einen Abend und zwei Tage lang gibt es dort „Lauter leise Lesekonzerte“.

Namhafte und unbekannte, junge und erfahrene, klassische und experimentelle Dichter treffen sich mit ebensolchen Musikern zu Lesungen und Sessions mit lauten und leisen Tönen: „Lyrik von heute, wie sie am schönsten klingt“, bringt Literaturhausleiter Martin Bruch das facettenreiche Projekt auf einen knappen Nenner.

Der erklärte Lyrik-Liebhaber kam schon vor geraumer Zeit auf die Idee, „so ein Poetenfest zu veranstalten“ und hat sich auch gleich die passende Alliteration für den Titel ausgedacht. Wegen des Umzugs vom Alten Wiehrebahnhof in die Alte Uni machte sich Bruch aber erst vor einem Jahr an die Umsetzung. Inzwischen hat er das Festival nicht nur minutiös konzipiert und organisiert, sondern – über Förderanträge beim Landes-Innovationsfonds Kunst – auch finanziert.

Nun kommen „durch eine schöne Anreihung von glücklichen Zufällen“ viele Autoren zusammen, die sich in der deutschsprachigen Lyrik-Szene bereits einen Namen gemacht haben, darunter einige „Voll­treffer“. Er hofft, mit der bewussten Ak­zentuierung des Grenzbereichs zwischen Lyrik und Musik das richtige, leichte Format für die Darstellung der besonderen Reize dieses literarischen Genres gefunden zu haben, das „schwierig zu präsentieren ist“.

Deshalb gibt es auch nur drei klassische Lesungen, allerdings aus brandneuen Büchern. Eröffnet wir dieser Samstagsnachmittags-Reigen mit „wundgewähr“ von José F. A. Oliver, dem Verfasser vieler lyrischer Fahrtenbücher zwischen Sprachen und Landschaften. Ihm folgt Martina Hefter, die in „Es könnte auch schön werden“ die Unterbringung eines Familienmitglieds im Pflegeheim in Poesie verwandelt. Den Reigen schließt Raphael Urweider, dessen „Wildern“ im Dickicht der Städte und Wälder nichts anderes ist als Gegenwartskunde im Gedicht.

Die titelgebenden Lesekonzerte sind über das ganze Festival verteilt. Sie werden von Dichtern gestaltet, die mit ihren Texten selbst musikalisch arbeiten. Dazu gehört etwa Ulrike Almut Sandig, deren „Hörbare Dichtung“ durch den Einsatz von Technik von der Lesung zum polyphonen Vortrag wird. Dazu gehören auch Ulf Stolterfoht, der Musikgedichte über den „Nachbau der Forellenmaske“ vorträgt, und Rike Scheffler mit ihrer Performance „Der Rest ist Resonanz“. Und, natürlich, PeterLicht, der Popmusiker, der zur Eröffnung des Festivals gleich das Ende des Kapitalismus besingt.

Peter Licht zählt zu den besagten „Volltreffern“, ebenso wie Marcel Beyer, dem Huchel-Preisträger, der mit Christian Dierstein, dem Percussionisten des Ensemble Recherche, die Sonntagsmatinee zum Thema „Aber abends frisst uns die Musik“ gestaltet. Und bevor Nora Gomringer das Festival zum Finale furioso führt, stimmt der Süduferchor noch lyrische Minnesänge an, darunter Walther von der Vogelweides „Unter der Linden“. Leider nicht wirklich unter Linden: der schattenreiche Innenhof ist gerade Baustelle und darf nicht betreten werden.

Info

Lauter leise Lesekonzerte
22. bis 24. Juni 2018
Literaturhaus Freiburg
Bertoldstraße 17

Foto: © Marc Doradzillo