Frieden als Gebot – Kollwitz-Ausstellung in Straßburg Kultur | 18.12.2019 | Erika Weisser

Büste Kollwitz

Ihre Werke tragen eine unverkennbare Handschrift: Käthe Kollwitz zeichnete kraftvoll und mit entschlossenem Kaltnadel-, Tinten-, Kohle- oder Bleistiftstrich. Das Musée d’Art Moderne et Contemporain in Straßburg präsentiert nun eine große Werkausstellung.

„Je veux agir dans ce temps“ ist diese erste umfassende Retrospektive benannt, die in Frankreich der deutschen Zeichnerin, Graphikerin und Bildhauerin gewidmet ist. Der Titel bezieht sich auf einen Eintrag Kollwitz’ in ihr „Journal“ genanntes Tagebuch: „Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind“, schreibt sie dort am 4. Dezember 1922. Sie wirkt bis heute – keine andere Künstlerin (und kein anderer Künstler) hat so eindrücklich wie sie Krieg, Armut, Tod und Trauer, aber auch Liebe und Geborgenheit sowie Widerstand, Aufstand und das Ringen um Frieden und Gerechtigkeit thematisiert.

Gezeigt werden rund 170 Zeichnungen, Radierungen, Lithographien, Holzschnitte und Skulpturen auf etwa 600 Quadratmetern Ausstellungsfläche – für die in Zusammenarbeit mit dem Käthe Kollwitz Museum Köln organisierte Ausstellung muss man sich Zeit nehmen. Zeit, um sich auch dem Menschen Käthe Kollwitz zu nähern, deren bronzenes, zwischen 1926 und 1936 geschaffenes Selbstporträt im Vorraum zur Ausstellung steht. Dort sind neben vielen aufschlussreichen biografischen Angaben auch Ereignisse dokumentiert, die ihre künstlerische Arbeit beeinflussten. Ohne sie wäre ihr Werk undenkbar – und damit die bildsprachlichen Botschaften, die auch knapp 75 Jahre nach ihrem Tod kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs nichts an Aktualität verloren haben.

Bei der Annäherung an das Werk dieser wohl bedeutendsten deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts wird bald augenscheinlich, welch’ zentrale Rolle die Darstellung ihrer selbst darin einnimmt. Ihre Gesichtszüge spiegeln sich nicht nur in ihren zahlreichen, sich mit den wechselhaften Zeitläuften stetig verändernden Selbstbildnissen wider. Sie sind auch in den Gesichtern vieler Frauen aus ihren druckgraphischen und ziemlich düsteren Zyklen „Bauernkrieg“, „Ein Weberaufstand“,„Krieg“ und „Tod“ zu erkennen. Und, sehr schön, etwa in der Bronze-Plastik „Die Liebenden“ von 1913. Oder auch, zutiefst erschütternd, in dem friedensmahnenden Bronze-Relief „Die Klage“ von 1938.

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Käthe Kollwitz’ Anti-Kriegs-Schwur aus dem Jahr 1924 ist bis heute unerfüllt.

Dabei handelt es sich keineswegs um eine Selbstdarstellung oder gar Eigeninszenierung. Zu erleben ist vielmehr die Metamorphose eines Werks, das sich vom Autobiografischen zum Allgemeingültigen hinbewegt: Wie nahezu jeder Künstler verarbeitet Käthe Kollwitz ihre eigenen persönlichen Erfahrungen mit einem bestimmten Thema – und erfasst dabei zugleich das Erleben und die Anliegen vieler Menschen. Und das wird eben dadurch deutlich, dass ihr Gesicht immer wieder zu sehen ist.

Gerade beim Thema Krieg gelingt ihr dies mit großer Eindringlichkeit: Der Erste Weltkrieg, von ihr später als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet, wurde für sie und ihr Leben und Schaffen zum einschneidenden Ereignis. 1914, kurz nach Kriegsbeginn und wenige Tage nach seiner begeistert befolgten Einberufung als Freiwilliger, stirbt ihr gerade 18-jähriger Sohn Peter an der Front. Und der eigene Schmerz dieses persönlichen Verlusts wird durch die Art seiner Darstellung zum Ausdruck der Erfahrungen aller Menschen, die Kriege erlitten – und bis heute erleiden.
Käthe Kollwitz selbst wandelt sich zur überzeugten Pazifistin, die sich bis an ihr Lebensende unentwegt für den Frieden und gegen den Faschismus engagierte. Das bringt ihr schon 1933 den Ausschluss aus der Preußischen Akademie der Künste und ein faktisches Ausstellungsverbot ein. Dennoch bleibt ihre Schaffenskraft auch in ihrer inneren Emigration ungebrochen.

1941 entsteht als eine ihrer letzten Arbeiten etwa die Lithographie „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“, auf der sich eine Mutter, die wieder einmal Kollwitz’ Züge aufweist, schützend über ihre Kinder stellt. Diese Forderung, schreibt sie in ihr Tagebuch, „ist nun einmal mein Testament“. Und sie sei, „wie ‚Nie wieder Krieg’ kein sehnsüchtiger Wunsch, sondern Gebot“. Das Bild gehört zu den eindrücklichsten Objekten der Ausstellung. Bei dieser wurden die etwa 30 Originalwerke, die sich im Besitz des Musée de l’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg befinden, mit 140 Exponaten aus der weltweit umfangreichsten Kollwitz-Sammlung in Köln zusammengeführt. Ein Besuch erweist sich als unbedingt lohnenswert.

Info

Käthe Kollwitz – „Je veux agir dans ce temps“
Bis 12. Januar 2020
Musée de l’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg
1, Place Hans-Jean Arp
67000 Strasbourg
Öffnungszeiten: Di. bis So., 10-18 Uhr
www.musees.strasbourg.eu

Fotos: © Käthe Kollwitz Museum Köln, ewei