Niko Pirosmani aus Georgien im Beyeler Kultur | 08.09.2023 | Erika Weisser

Doctor on Donkey Landleben vor den Toren der Stadt: In Niko Pirosmanis bäuerlicher Welt am Fuß des Kaukasus spielen sowohl Nutz- als auch Wildtiere eine Rolle – als Transportmittel für den Landarzt, Nahrungsmittel oder Einkommensquelle für den Fischer oder als mögliche Jagdbeute.

Wer ist dieser Niko Pirosmani, dem die in Sachen hochkarätige Ausstellungen von internationaler moderner Kunst sehr renommierte Fondation Beyeler ihre Jahresabschlussschau widmet, diese gar als Höhepunkt bezeichnet? Ist das Werk des in seiner Heimat als legendär gefeierten Malers, der 1862 in der Nähe der georgischen Hauptstadt Tbilisi geboren wurde und 1918 dortselbst starb, wirklich so großartig, dass es jetzt unbedingt auch hier entdeckt werden muss?

Offenbar schon: Kunsthistoriker sehen in Pirosmani einen „einflussreichen Vorboten der modernen Kunst“. Vielen von ihnen gilt er neben dem französischen Maler Henri Rousseau heute als wichtigster Exponent der naiven Malerei. Dennoch, heißt es in der Mitteilung zu der Ausstellung weiter, seien seine Bilder außerhalb Georgiens und der früheren Sowjetunion fast nur in – vorwiegend avantgardistischen – Insiderkreisen bekannt. Würden dort „fast schon kultisch verehrt“. Der westeuropäischen Öffentlichkeit hingegen sei sein Werk „in einem Maß verborgen geblieben wie bei kaum einem anderen angesehenen Künstler des 20. Jahrhunderts“.

Bear on a moonlit Night

Kunstinteressierte können bei Beyeler bald selbst beurteilen, ob die besagten Kunsthistoriker mit ihrer Einstufung richtigliegen oder nicht. Von 17. September bis 28. Januar 2024 sind hier 50 teils großformatige Malereien des „rätselhaften Einzelgängers“ und Autodidakten zu sehen, über dessen Leben nicht viel bekannt ist.

So manche biografische Hinweise geben jedoch die oft in leuchtenden Farben auf dunklem Grund gemalten Exponate: So verweisen Gemälde von Nutztieren wie Schaf oder Stier auf Pirosmanis kleinbäuerliche Kindheit auf dem Land, das natürlich auch von Wildtieren wie Bär, Hirsch oder Wildschwein bevölkert war. Auf das trotz relativer Nähe zur Stadt archaische Landleben verweist auch die Darstellung einer Frau, die mit ihren Kindern und einem riesigen Krug zu einer Wasserstelle geht. Oder die eines Arztes, der auf seinem Esel Dorfpatientenbesuche macht. Oder eines Fischers im roten Hemd, der stolz seinen Fang präsentiert.

Fisherman

Sicher auch biografisch ist das an ein Poster erinnernde, besonders eindrückliche Bild eines Zugs der transkaukasischen Eisenbahn vor dem mächtig auftürmenden Gebirge: Bevor er in Tbilisi ein Milchgeschäft gründete und dann wieder aufgab, arbeitete der später teilweise obdachlose Bohemien, der sich mit der Anfertigung kunstvoller Wirtshausschilder durchschlug, als Schaffner in den Zügen dieser Linie.

In seinen Werken erweist sich der Künstler als einfühlsamer Meister der Reduktion aufs Wesentliche; die eigentümlichen Abbildungen seines Alltags werden durch ihre brillante und radikale Einfachheit zu wahrhaft ikonischen Bildern, die über seine Epoche hinaus wirken. Ja, es gibt gute Gründe, sein Werk hier zu entdecken.

Mehr Infos

Fotos: Niko Pirosmani: Doctor on a Jackass, Oil on cardboard, 79.4 x 99.6 cm; Bear on a Moonlit Night, Oil on cardboard, 99.9 x 80 cm; Fisherman in a Red Shirt, Oil on oilcloth, 111 x 89.5 cm (alle: The Collection of Shalva Amiranashvili Museum of Fine Arts of Georgia © Infinitart Foundation)