Wechselvoll: Breisach feiert 1650 Jahre Stadtgeschichte Kultur | 05.09.2019 | Erika Weisser

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Vor 1650 Jahren wurde Breisach erstmals in einer offiziellen Urkunde erwähnt. Deshalb feiert die Stadt am Rhein Jubiläum – mit einem Stadtfest am 14. und 15. September.

Mit Stadtjubiläen ist es so eine Sache. Denn wie bei so mancher Filmdiva der frühen Jahre sind die Jubilarinnen meistens erheblich älter als angegeben. Das gilt sicher auch für Breisach; der Ortsname ist nämlich nicht römischen, sondern keltischen Ursprungs. Zwei Herkunftsmöglichkeiten nennt Stadtarchivar Uwe Fahrer: Er kann von „brisin-ac“ abgeleitet sein – was so viel wie „Wasserbrecher“ bedeute. Oder vom Namen „Brîsios“ und dem besitzanzeigenden Suffix „âko“. Das entspreche etwa dem Begriff „Gut des Brîsios“.

Möglich ist beides: Der heutige Münsterberg, auf dessen Plateau bereits in der Jungsteinzeit nachweislich Menschen siedelten, stand bis zur Rheinbegradigung bei Hochwasser im Fluss – und das war damals häufig. Zur Keltenzeit befand sich hier der Sitz eines Fürsten, dessen weit gefächerte Handelsbeziehungen bis in den Mittelmeerraum reichten.

Ob der Münsterberg als Keimzelle der heutigen Stadt nun ein Wasserbrecher oder Brîsios Fürstengut oder gar beides war, spielt für die Altersbestimmung keine Rolle. Denn durch die Namensherkunft steht fest, dass hier lange vor der Ankunft der Römer im 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung reges Leben herrschte. Nach Angaben von Fahrer reicht die Geschichte der „Mutterstadt des Breisgau“ sogar 4000 Jahre zurück.

Breisach als menschliche Siedlung existiert also viel länger als 1650 Jahre. Den Römern, die die strategische Bedeutung der Lage des „Mons Brisiacus“ erkannten und dort ein Kastell errichteten, kommt jedoch immerhin das Verdienst zu, den Ort als Erste aktenkundig gemacht zu haben – mit eben jenem Edikt Valentinians I., in dem es um die Regelung der Ruhestandsbezüge römischer Hofbeamter ging und dessen Text in die spätantike Gesetzessammlung „Codex Theodosianus“ einging. Und das wird jetzt gefeiert.

Zeus Stier

Der Zeus-Stier erhebt sich aus dem Straßenpflaster, auf seinem Rücken greift
Europa nach den Sternen.

Keine 100 Jahre danach eroberten die Alamannen das Kastell. Die Stadt wurde zum Zentrum des frühmittelalterlichen Breisgau und entwickelte sich während der folgenden Jahrhunderte und unter der wechselnden Stadtherrschaft der Bischöfe von Basel, der Staufer, der Zähringer und der Habsburger zu einer der bedeutendsten Städte am Oberrhein. 1273 wurde Breisach Freie Reichsstadt und gewann an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung.

Zeuge wechselvoller Zeitläufte

Damals entstand auch das im 12. bis 15. Jahrhundert erbaute St. Stephansmünster, bis heute das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt. Es hat, wenn auch mit einigen Blessuren, die wechselvollen Zeitläufte überstanden, denen Breisach unterworfen war: die Festungszeit im 16. Jahrhundert, die Belagerung und Eroberung der Stadt im 30-jährigen Krieg, die 60-jährige Herrschaft Frankreichs im 17. Jahrhundert und die nahezu vollständige Zerstörung durch französischen Beschuss im Koalitionskrieg 1793.

Auch danach wurde das Münster Zeuge von Kriegen, Verwüstungen, Grenzverschiebungen, Waffenstillständen, Revolutionen, prekären Friedenszeiten, Wiederaufbau, zaghaften Hoffnungen, nationalistischen Eroberungsbestrebungen, von Flucht, Verfolgung und Deportation sowie Evakuierung, erneuter Zerstörung und erneutem Wiederaufbau.

1945, am Ende des 2. Weltkriegs, lag die Stadt zu 85 Prozent in Trümmern. Die „leidvollen Erfahrungen der Geschichte“, sagt Fahrer, hätten „bei den Breisachern zu einem Bewusstsein für die Notwendigkeit der friedlichen Völkerverständigung geführt“: Im Juli 1950 sprachen sie sich in einer Abstimmung zu 96 Prozent für ein einiges und freies Europa aus.

So wurde die einstige Front- und Grenzstadt zur ersten „Europastadt“. Auf dem Münsterplatz ist diese Wandlung mit einer Skulptur des Künstlers Helmut Lutz dokumentiert: Der Zeus-Stier erhebt sich aus dem Straßenpflaster, auf seinem Rücken greift Europa nach den Sternen. In Breisach sind sie längst erreicht. Auch ein Grund zum Feiern.

Info

14. & 15. September:
1650 Jahre Breisach am Rhein
Großes Stadtfest am Münsterberg
und in der Innenstadt
Programm: www.breisach1650.de

Fotos: © Stadtarchiv Breisach