Verpackungsfreie Supermärkte auf dem Vormarsch – bald auch in Freiburg STADTGEPLAUDER | 09.05.2016

Plastikfrei einkaufen ist für viele Konsumenten noch Neuland. Seit aber im vergangenen September der erste verpackungsfreie Supermarkt „Original Unverpackt“ in Berlin seine Pforten geöffnet hat, werden die plastikfreien Zonen größer: In Kiel und München gibt es Nachzügler, in Karlsruhe und bald auch in der Green-City Freiburg, wo aber drei Betreiber noch einen geeigneten Standort suchen.

Glaskiste-Natürlich Unverpackt

Bald auch in Freiburg: Martin Philipp, Anja Zegnotat und Björn Zacharias planen

den ersten verpackungsfreien Supermarkt.

5400 Tonnen gelbe Säcke – aufeinandergetürmt würden die 13 Mal das komplette Freiburger Münster vollmachen – sammelte die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung GmbH (ASF) im vergangenen Jahr allein in Freiburg ein. Knapp zwei Drittel sind Kunststoffverpackungen, je ein Fünftel Milch- und Saftverpackungen sowie Alu und Blech. „Insgesamt sind rund zwei Drittel des Freiburger Hausmülls recycelbar. Der Rest wie beispielsweise Windeln oder Kosmetikabfälle muss thermisch verwertet werden“, erklärt ASF-Sprecher Bootz.

Bundesweit gab es 2013 laut NABU-Referentin Katharina Istel 4,7 Millionen Tonnen Kunststoffabfall. Fast drei Millionen Tonnen Verpackungen landeten im Müll. Und trotz aller Anstrengungen der Abfallwirtschaft landen heute noch jedes Jahr insgesamt zehn Millionen Tonnen Abfälle in den Ozeanen. „Der Plastikmüll gelangt über Uferverschmutzung, Tourismus, illegale Entsorgung, Schifffahrt, Fischerei oder Offshore- Industrie in die Weltmeere“, kritisiert Istel.

Gegen diesen Verpackungswahnsinn kämpfen nun die ersten verpackungsfreien Supermärkte in Berlin, Kiel oder München. Bald soll auch Freiburg seinen ersten bekommen. Finden Martin Philipp, Anja Zegnotat und Björn Zacharias. Die drei planen derzeit den ersten verpackungsfreien Supermarkt, der auf den Namen „Glaskiste – Natürlich unverpackt“ hören soll. Den Plan wollen die drei größtenteils über die Crowdfunding-Plattform „Startnext“ finanzieren. Dort können sie das nötige Startkapital für ihren ersten Supermarkt sammeln. Kapitalgeber sind optimistische Internet-User, die das Projekt über „Startnext“ mitfinanzieren können.

Optimistisch sind auch die drei Jungunternehmer: „Freiburg ist der ideale Standort, die Stadt bietet gute Voraussetzungen, schon jetzt ist die Resonanz unserer Webseite sehr positiv. Viele Freiburger begrüßen unser Projekt“, erzählt Philipp, der schon seit einiger Zeit die Zero-Waste-Philosophie lebe. Das Konzept vom müllfreien Einkaufen gibt es schon länger. Bereits 1995 hat das Freiburger Rathaus zusammen mit der ASF eine Broschüre unter dem Slogan „Gib Müll ’ne Abfuhr“ entwickelt. Darin sind alle Freiburger Geschäfte aufgelistet, in denen verpackungsfreie Produkte angeboten werden.

Die Idee für den ganz neuen No-plastic-Store kam den drei Freiburgern, als der erste „Original Unverpackt“-Laden in Berlin aufmachte. Das Konzept ist immer dasselbe: Die Lebensmittelbehälter des Kunden werden an der Kasse gewogen, um das Leergewicht zu ermitteln. Danach können die leeren Gläser, Papiertüten oder Baumwolltaschen mit Lebensmitteln befüllt werden. Getreide, Reis, Nudeln, Hülsenfrüchte, Gewürze sowie Seife, Shampoo oder Putzmittel werden in sogenannten Bulk Bins, großen Behältern aus Kunststoff, gelagert. Der Kunde bestimmt die Menge seines Einkaufs selbst.

Auf bedarfsgerechtes, verpackungsfreies Einkaufen legt auch Antonia Wucknitz aus Karlsruhe viel Wert. Die 47-jährige Groß- und Außenhandelskauffrau eröffnete am 12. Mai den ersten Unverpackt-Laden am Karlsruher Hauptbahnhof. Auf 130 Quadratmetern bietet sie regionale und konventionelle Produkte an. Darunter sogar Quark sowie Frischkäse aus dem Glas. Alle Erzeugnisse stammen von regionalen Naturkosthändlern und Biobauern. Die Bio-Seife etwa kommt von der Firma Rosenrot aus Flein bei Heilbronn.

Hygieneschleuse im Edeka Hieber in Bad Krozingen

Einzigartig: Im Hieber-Edeka in Bad Krozingen gibt es die erste Hygieneschleuse.

„Mir ist wichtig, wie es schmeckt und wo es preislich liegt“, erklärt Wucknitz. Denn die Unternehmerin fährt auch eine faire Preispolitik. Für sie müssen Bio-Produkte nicht zwingend teurer sein. 40 Gramm Haferflocken liegen bei 18 Cent und 120 Gramm Wildreismischung kosten 1,34 Euro. „Esst das, was ihr habt und kauft das, was ihr braucht. Mir ist wichtig, dass die Philosophie und die Idee greifen“, so Wucknitz.

Das Sortiment im neuen Karlsruher Supermarkt ist umfangreich. Nur mit Fleisch, Aufschnitt und Käse können die Unverpackt-Läden nicht dienen. „Das sind Produkte, die es bereits bedarfsgerecht gibt“, erklärt die Karlsruher Unverpackt-Gründerin. Darüber hinaus könne sie die Hygienevorschriften nicht einhalten. Es gelten klare Regeln der Lebensmittelüberwachungsbehörden.

„Selbst optisch einwandfreie Behältnisse könnten mikrobiell belastet sein und auch pathogene Keime in den Hygienebereich eintragen“, erklärt Christhard Deutscher von Edeka Südwest. „Grundsätzlich setzen wir alles daran, möglichst alle negativen Einflüsse auszuschließen, die zu einem Eintrag von unerwünschten Keimen in den Bedienungsbereichen führen können.“

Trotzdem ist verpackungsfreies Einkaufen in deutschen Supermärkten seit 25. April keine Zukunftsmusik mehr: Der Edeka-Händler Hieber hat in Absprache mit dem Landratsamt die erste Hygieneschleuse für den Bad Krozinger Markt entwickelt und verkauft ab sofort Wurst und Käse auch ohne Verpackung. „Der Verbraucher ist viel weiter als der Handel. Industrie, Erzeuger und auch die Märkte müssen umdenken und lernen, dem Verbraucher die Verantwortung zurückzugeben“, erklärt Inhaber Dieter Hieber. Der Kunde stellt seine mitgebrachten Gefäße in die Hygieneschleuse, wo sie unter UV-Licht entkeimt werden. Die Mitarbeiter hinter der Frischetheke nehmen die Boxen und befüllen sie mit Lebensmitteln.

Bald soll das Ganze noch einfacher gehen: Mit der Erlaubnis des Landratsamts darf der Kunde sein Gefäß über die Theke reichen. Dort wird die Dose an einem bestimmten Platz befüllt. Der Mitarbeiter muss sich danach aber die Hände desinfizieren. Sollte das Projekt erfolgreich sein, plant Hieber, die Idee auch in seinen anderen Edeka-Märkten umzusetzen.

Die drei Freiburger werden noch kein Fleisch in der Glaskiste anbieten. Dafür wird es einen Smoothie To-Go und einen leckeren, gesunden Snack geben. Ebenso verzichtet das junge Team auf Luxusgüter wie Alkohol oder Zigaretten in ihrem Sortiment. Obst und Gemüse wird es nur saisonal geben, denn der ökologische Fußabdruck soll so klein wie möglich bleiben. „Auch intern wollen wir Müll vermeiden“, erklärt Zacharias, „wir wollen unseren Laden ausschließlich mit Second-Hand-Möbeln ausstatten, um auch dort Verpackungen einzusparen.“

Original Unverpackt Berlin

Vorreiter: In Berlin gibt es den ersten verpackungsfreien Supermarkt.

Das Thema Verpackungsmüll wird brisanter: Um den weltweiten Verpackungsmüll einzudämmen, hat das Straßburger EU-Parlament im April vergangenen Jahres beschlossen, dass Tragetaschen im Einzelhandel ab 2018 kostenpflichtig werden. Deutschland setzt das Vorhaben schon jetzt um und macht das Plastiktütengesetz seit ersten April geltend. Ein Abkommen zwischen deutschem Einzelhandelsverband und Umweltministerium bestimmt, dass Plastiktüten seither Geld kosten. Wie viel, liegt im Ermessen des jeweiligen Händlers.

NABU-Referentin Istel findet das sinnvoll, sieht aber auch Schwachstellen: „Viele Geschäfte werden nun wahrscheinlich Papiertüten anbieten und das ist auch nicht umweltfreundlicher.“ Denn für die Herstellung von Papier braucht man sehr viel Energie, Wasser, Holz und Chemie. Zudem würden die meisten Papiertüten nicht aus Altpapier hergestellt, da diese Fasern nicht lang genug sind. Bis das erste Lebensmittelgeschäft ohne Verpackung in Freiburg aufmacht, heißt es also Gläser sammeln.

Text: Valérie Baumanns, Bildquellen: Glaskiste-Natürlich Unverpackt, Reinhard Rosendahl und Elizabeth Rush

Mehr im Web

Unverpackt Karlsruhe: www.unverpackt.de

Glaskiste – Natürlich unverpackt: www.glaskiste-unverpackt.de

Original Unverpackt: www.original-unverpackt.de