Wenn Chat GPT die Bachelorarbeit schreibt: Wie  eine  Studentin  mit  KI  schummelt – und  viele  andere  auch Hochschule | 13.10.2023 | Till Neumann

ChatGPT Tricksen oder clever arbeiten? Dieses Foto hat eine KI generiert. Auch bei Hausarbeiten wird ordentlich nachgeholfen.

Künstliche Intelligenz stellt so manches auf den Kopf. Auch an der Uni. Hausarbeiten dürften zwar nicht mit Tools wie Chat GPT geschrieben werden. Gemacht wird das trotzdem. Das chilli hat mit drei Studierenden gesprochen, die damit regelmäßig schummeln. Eine davon ist Tanja Meier (Name geändert). Sie hat an der Uni Freiburg in drei Wochen ihre Bachelorarbeit verfasst – und eine 1,3 bekommen. Wie sie das geschafft hat, erzählt sie im Interview mit Till Neumann.

chilli: Frau Meier, wie kamen Sie auf die Idee, Chat GPT im Studium zu nutzen?

Meier: Seit Dezember kennt man das ja so mehr oder weniger. Seitdem habe ich das für Hausarbeiten genutzt. Das erste Mal bei einem Essay über wenige Seiten. Ich musste einfach nur bestehen und war im Stress. Also dachte ich mir: Komm, bevor ich nicht abgebe, lieber so. Den habe ich mir komplett schreiben lassen.

chilli: Wie haben Sie das gemacht?

Meier: Ich habe voll viel probiert. Als Erstes habe ich mir eine Gliederung schreiben lassen von Chat GPT. Das war tatsächlich ganz geil. Da kommt, was man dazu schreiben könnte, also auch Unterpunkte. Zu denen habe ich mir Texte anfertigen lassen. Ich habe nie meine Fragestellung reingeschickt und mir alles schreiben lassen. Aber zum Beispiel: Schreib mir eine Einleitung zu dem Thema, setz ein bisschen mehr den Fokus da und da darauf. Dann macht’s das.

chilli: Wie gut geht das?

Meier: Das klappt richtig gut. Du kannst dran weiterarbeiten. Also Chat GPT schreibt einen Text. Du sagst nee, ich hätte gerne mehr Fokus darauf. Oder du sagst: Schreibe professioneller.

chilli: Und das macht er?

Meier: Ja, genau. Ich habe geschrieben, was ich gerade im Kopf hatte. Das hat sich natürlich nie so geil angehört. Mit „schreib professioneller“ kam ein perfekter Text heraus. Die Handvoll Seiten habe ich mir so komplett schreiben lassen. Also auch mit Quellen, was ja kritisch ist, wenn das jemand nachprüft.

chilli: Auch das Quellenverzeichnis haben Sie sich von Chat GPT geben lassen?

Meier: Ja. Aber das ist momentan noch nicht auf dem Stand, dass man das machen sollte. Aber es hat offenbar niemand nachgeprüft und ich habe bestanden. Dann dachte ich: Okay, jetzt mache ich das immer. Bei den nächsten Hausarbeiten habe ich eine Gliederung machen lassen. Und Chat GPT hatte immer ganz gute Ideen, in welche Richtung man noch gehen könnte. Auch bei Einleitung und Schluss. Ich habe schon meistens einige Wörter umgeschrieben. Und zum Teil den Text in den KI-Schreib­assistenten DeepL Write eingefügt. Der schreibt den Text komplett um, damit man es nicht mehr erkennen kann.

chilli: Warum haben Sie das gemacht?

Meier: Weil ich nicht wusste, ob es schon Programme gibt, die das erkennen können. Ich habe wieder eine 1,3 bekommen. Dann stand meine Bachelorarbeit an. Ich dachte mir: Okay, jetzt sollte ich vielleicht ein bisschen vorsichtiger sein.

chilli: Wie sind Sie vorgegangen?

Meier: Texte und Literatur habe ich mir selbst gesucht, damit ich vertrauenswürdige Quellen habe. Daraus habe ich zum Teil Texte rauskopiert und geschrieben: Formuliere um oder schreibe was zu dem und dem Thema. Das hat ganz gut geklappt. Im Endeffekt hatte ich meine Originalquelle und so kann es mir auch niemand nachweisen. Selbst wenn es Plagiatprogramme gäbe, hätte ich sagen können: Das ist meine Quelle. Am Ende hatte ich eine 1,3.

chilli: Wie viel Arbeit war das?

Meier: Ich habe schon viel Zeit gebraucht, weil ich vor dem Schreiben eine Studie gemacht habe. Rein für die 60 Seiten Text vielleicht so drei Wochen.

chilli: Wie lange hätten Sie ohne KI gebraucht?

Meier: Also manche Kommilitoninnen haben keine KI genutzt. Weil sie Schiss hatten, dass man es nachprüfen kann. Die haben mindestens einen Monat länger daran gearbeitet.

chilli: Wie fühlt es sich an, sowas abzugeben?

Meier: Bei meiner Bachelorarbeit hatte ich schon Schiss. Es gibt ja mittlerweile Zero GPT, wo man Texte überprüfen lassen kann. Das Programm ist aber noch nicht offiziell anerkannt. Das habe ich mal gemacht. Da kam raus: Ich habe die Arbeit mit 20-prozentiger Wahrscheinlichkeit mithilfe von KI geschrieben. Eine Freundin von mir hat ihre Arbeit komplett alleine geschrieben. Und bei ihr kam raus, dass die KI-Wahrscheinlichkeit bei 30 Prozent liegt.

chilli: Echt jetzt?

Meier: Ja. Ich glaube, es gibt einfach noch nichts, um das herauszufinden. Ein Dozent meinte mal zu uns, dass man das tatsächlich nicht nachweisen kann. Ich glaube, Hochschulen haben nicht die Mittel dafür. Und Chat GPT wird ja immer besser. Auf Instagram habe ich gesehen, dass Leute in ihren Texten große Is durch kleine Ls getauscht haben und andersrum. Dann konnte niemand mehr etwas nachweisen. Das fand ich völlig verrückt.

chilli: Wie viele Arbeiten haben Sie so schreiben lassen?

Meier: Seit Januar ungefähr fünf.

chilli: Ist das in Studienkreisen ein Thema? Sprechen Sie mit anderen darüber?

Meier: Man redet schon drüber. Es gibt so die einen Extreme, die es immer benutzen für alles. Und die anderen, die richtig Schiss davor haben. Die machen das nicht.

chilli: Von wie vielen wissen Sie es?

Meier: Das sind bestimmt so zehn Kommilitonen in meinem nahen Umfeld. Aber nicht alle machen das so intensiv wie ich.

chilli: Was ist die Vorgabe der Uni dazu?

Meier: Wir haben einfach nur eine neue eidesstattliche Erklärung, die man an seine Arbeiten anhängt. Da versichert man, dass man die Arbeit nicht mit KI oder Chat GPT erstellt.

chilli: Sich eine Gliederung vorschlagen zu lassen, ist das legitim?

Meier: Ich glaube, es kommt darauf an, wie man es nutzt. Ich weiß nicht, ob es legitim ist, dass ich mir den Text umschreiben lasse und ihn so übernehme. Was habe ich dann großartig dafür gemacht?

chilli: Wurden Sie informiert, was droht, wenn Sie auffliegen beim Schummeln für die Bachelorarbeit?

Meier: Ich glaube einfach, dass man durchfliegt.

chilli: Haben Sie denn bei den Textvorschlägen von Chat GPT mal größere Fehler gefunden?

Meier: Tatsächlich bei meiner Bachelorarbeit. Man muss schon genau prüfen. Wenn man zum Beispiel nachfragt: Stimmt das wirklich so? Dann gab’s das oft, dass er sagt: „Entschuldigung, das war ein Missverständnis.“ Man muss schon krass nachprüfen. Das habe ich bei meiner BA-Arbeit extrem gemacht.

chilli: Wie denn?

Meier: Ich hatte ja immer den Originaltext, hab die eine oder andere Quelle nachgeschaut. Teilweise hat er Quellen erfunden. Also Bücher, die gibt es einfach nicht.

chilli: Wie sicher sind Sie, dass die Bachelorarbeit einigermaßen fehlerfrei ist?

Meier: Das habe ich krass überprüft und verglichen mit anderen Quellen. Ich habe nie einfach nur copy paste gemacht.

chilli: Und von den 60 Seiten ist wie viel Ihr eigener Textanteil?

Meier: Wirklich komplett selbst geschrieben habe ich tatsächlich nichts. Ich habe alles entweder schöner schreiben lassen, professioneller schreiben lassen oder mit DeepL Write ein paar Synonyme reingehauen.

chilli: Doof gefragt: Warum machen Sie das?

Meier: Es ist einfach und es ist schneller. Ich habe das Gefühl, es macht es immer noch mal besser.

chilli: Lernen Sie dabei was?

Meier: Ja, das ist schon so. In meinem Nebenjob werden auch schon viele Sachen mit KI ersetzt und erleichtert. Früher musste man sich einen Tag dafür hinsetzen, jetzt macht das Chat GPT in zwei Minuten. Dann überarbeitet man es. Da lernt man, wie man damit umgehen kann. Ich dachte mir für mein Studium: Wenn es das doch eh gibt.

Hintergrund

Was Freiburger Unis und Hochschulen gegen solche Mogeleien tun oder nicht tun können, lest ihr hier: „Nicht zuverlässig nachweisbar“

Foto : © Generiert der mit KI Adobe Firefly

„Nicht zuverlässig nachweisbar“: Wie sich Freiburger Hochschulen gegen  KI-Betrug rüsten