Qual der Berufswahl: Warum der gerade Weg nicht immer der beste ist KARRIERE & CAMPUS | 29.06.2016

Die Qual der Berufswahl: Laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) bricht jeder vierte Bachelorstudent sein Studium ab. Auch der Gundelfinger Fabian hat bereits zweimal sein Studium geschmissen. Jetzt macht er eine Ausbildung in einem Freiburger Restaurant. Ute Benninghofen von der Zentralen Studienberatung der Universität Freiburg (ZSB) kennt viele solcher Fälle.
 
Zweimal hat Fabian ein Studium begonnen, zweimal hat er es wieder abgebrochen. Wenn er heute zurückblickt, merkt er: Von Anfang an ist er sich mit seiner Studienwahl nicht sicher gewesen. Den richtigen Weg hat er erst im dritten Anlauf gefunden.
 
Aber von vorne: Im Sommer 2007 macht Fabian Abitur, danach den Zivildienst. Wie es dann weitergehen soll, weiß er nicht. Im Wintersemester 2009 entscheidet er sich kurzerhand für das Studium der Medien- und Kommunikationstechnik in Kaiserslautern. Die Entscheidung kommt nicht von Herzen. Er weiß nicht, was ihn erwartet, will es auf sich zukommen lassen. Nach vier Semestern bricht er unmotiviert ab. Der Druck, seine Eltern nicht zu enttäuschen und schnell eine Alternative zu finden, wächst.
 
Im Sommersemester 2012 schreibt der 28-Jährige sich für ein Studium als Grundschullehrer an der Pädagogischen Hochschule ein. Es folgen weitere vier Semester, in denen er nur halbherzig studiert. Schließlich bricht er nach inzwischen vier Jahren ohne Abschluss auch das zweite Studium ab. „Ich konnte mich nicht in dem Beruf sehen, und mit dem Studium konnte ich mich sowieso nicht anfreunden“, sagt Fabian. Er studiere einfach nicht gerne.
 
Er flüchtet sich in einen Nebenjob als Kellner in einem Freiburger Restaurant. Seine Chefin ist es, die in dieser orientierungslosen Zeit auf ihn zukommt. Sie bietet ihm eine Ausbildung zum Restaurantfachmann an. Er nimmt das Angebot an. „Ich mache jetzt etwas, das von den Qualifikationen her unter meinem Niveau liegt“, gibt Fabian zu, „aber das macht mich glücklicher als alles andere, was mich bisher mehr gefordert hat.“ Fabian weiß noch nicht genau, wo es ihn nach der Ausbildung hinführt – aber zum ersten Mal bereitet ihm das keine Sorgen.
 
Zufrieden: Fabian macht eine Ausbildung in einem Freiburger Restaurant. Das gefällt ihm besser als zu studieren.
 
So ein Fall ist nicht selten, sagt Ute Benninghofen. Die Vorstandsvorsitzende des Berufsverbands für Studien- und Laufbahnberatung, Orientierung und Information an Hochschulen in Baden-Württemberg (BS), berät für die Zentralen Studienberatung der Universität Freiburg (ZSB) junge Menschen, die sich bei ihrer Studien- und Berufswahl unsicher sind. Sie und ihre Kollegen würden sich freuen, wenn Ratsuchende nicht erst zu ihnen kommen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist: „Man darf auch schon kommen, wenn man merkt, man fühlt sich nicht wohl im gewählten Studium, irgendetwas stimmt nicht.“
 
Warum fällt es jungen Leuten so schwer, sich für ein Studium zu entscheiden? Die Studienoptionen haben zugenommen, sagt Benninghofen. Spätestens seit der Umstellung auf Bachelor und Master gebe es viele Bereiche und Spezialisierungen. Das in den Schulen ausgegebene Buch „Studien und Berufswahl“ von A bis Z durchzublättern und auf eine Erleuchtung zu warten, sei der falsche Ansatz. In Deutschland gebe es rund 19.000 Studiengänge. Alle durchzugehen und zu hoffen, man käme so zu einer Erkenntnis, sei ein Irrglaube.
 
Eine gute Vororientierung ist wichtig,
Studium und Beruf müssen zur Person passen. Man sollte in sich hineinhorchen und die Frage stellen: „Was bin ich für ein Mensch, was passt zu mir?“ Kommt es zum Abbruch, müsse man damit souverän umgehen. „Keine Entscheidung ist unumkehrbar, und eine vermeintlich falsche Entscheidung ist nicht nur negativ“, macht Benninghofen Mut.
 
Unterstützen und neue Blickwinkel ermöglichen kann hierbei die Zentrale Studienberatung. So geht Benninghofen, die wie ihre Kollegen in ihrer Beratungsstunde unter Schweigepflicht steht, gezielt auf Fähigkeiten und Interessen ein. Denn das, was man gerne macht, falle einem leichter. Reine Vernunftentscheidungen, wie nur auf Geld und Sicherheit zu schauen, führten nicht selten auf lange Sicht zu Unzufriedenheit.
 
Engagiert: Ute Benninghofen berät eine Studentin.
 
Für diejenigen, die bei der Orientierungsphase Unterstützung benötigen, bietet sie das BEST-Seminar an. Bei dem zweitägigen Orientierungs- und Entscheidungstraining wird gezielt auf Interessen und Fähigkeiten der jungen Leute eingegangen. Auch Infomanagement und Entscheidungskompetenzen stehen auf dem Plan.
 
Fabian bereut seinen Weg nicht, auch wenn viel Zeit dabei draufgegangen ist. Er sei nun reicher an Erfahrung und wisse, was ihm nicht entspricht. Sein Tipp an Ratsuchende: Manchmal kann es von Vorteil sein, in unterschiedliche Bereiche reinzuschnuppern. Man müsse unbedingt von diesem unbewussten Stress wegkommen, es anderen gleichzutun und nach Schema F „So machen es alle“ zu gehen.  
Gesellschaftlicher Druck sei ein weiterer Grund, es sich schwer zu machen. Es sei falsch zu denken: „Ich habe einen gewissen Bildungsstand, ich muss studieren“ oder „ich habe ein gewisses Alter, ich muss bald fertig sein“.
 
Zum Glück sei ein perfekter Lebenslauf nicht mehr so wichtig. Die Persönlichkeit stehe im Vordergrund, glaubt Fabian: „Es gibt noch die altmodische Sichtweise, wie der Lebenslauf aussehen sollte. Viele Arbeitgeber setzten ihre Prioritäten heutzutage aber glücklicherweise anders.“
 
Text: Nora Heinz / Fotos: © Uni Freiburg, Bender, Nora Heinz