Wir Eltern – Wegen Umbau geschlossen Kinonews | 16.07.2020 | Erika Weisser
Von dem nüchternen, an wohlmeinende Erziehungsratgeber-Zeitschriften gemahnenden Titel des Films sollte man sich nicht abhalten lassen: „Wir Eltern“ ist alles andere als ein pädagogisch tiefgründiger Wissens- und Erfahrungsfundus, aus dem Mamas und Papas schöpfen und lernen können. Etwa wie sie durch lückenlos ganzheitliche Förderpolitik und durch unnachgiebiges Helicoptering aus zuweilen wiederborstigem Nachwuchs erfolgreiche und daher glückliche Kinder und somit ehrgeizige, klaglos an alle Anforderungen des künftigen Erwachsenenlebens angepasste Heranwachsende machen können.
Im Gegenteil: Diese kleine schweizerische Komödie, die heute – leider in der hochdeutsch synchronisierten Fassung – in die hiesigen Kinos kommt, zeigt völlig überforderte (und sich selbst überfordernde) Eltern, deren halbwüchsige wohlstandsverwöhnte Kinder keinerlei Anstalten machen, den ihnen von den Eltern vorgedachten und mit viel Engagement angelegten Lebenswegen zu folgen – ja, sie auch nur zu betreten.
Romeo und Anton, die noch nicht 18-jährigen, also fast erwachsenen, doch eher spät pubertierenden Zwillingssöhne von Vero und Michi denken nämlich gar nicht daran, sich an irgendwelche Regeln, Forderungen und Förderungen zu halten. Ihre Gehirne scheinen, wie bei vielen Jungs in dieser speziellen Lebensphase, „wegen Umbau geschlossen“: Nichts dringt in sie hinein – und nichts aus ihnen heraus; sie sind völlig unempfänglich für fast alles, was um sie herum geschieht, haben zudem durch ihr Zwillingsdasein gegenseitig Halt aneinander. Was für den Rest der Familie natürlich eine doppelte Belastung darstellt und diese ziemlich lahmlegt.
Die beiden sind kaum aus dem Bett zu kriegen, gehen nur gehen nur selten zur Schule, hängen in ihrem zunehmend chaotischen Zimmer ab und machen blöde Sprüche, deren Witz sich eigentlich nur ihnen selbst erschließt. Lässig spielen sie die inzwischen an der Belastungsgrenze angelangten Eltern gegeneinander aus, kiffen sich die Birne zu und zocken stundenlang am Computer, Berge von Bringdienst-Pizzas verschlingend. Alle Vorhaltungen der verzweifelten Eltern, alle Appelle an das Verantwortungsbewusstsein der Söhne, alle Vorträge über Hygiene, gesunde Ernährung oder soziales Verhalten prallen an ihnen ab, nicht einmal die Punktelisten eines ausgeklügelten Belohnungs- und Strafsystems helfen wirklich.
Als der wohlhabende Großvater den beiden Nesthockern auch noch einen mehr als großzügigen Erbvorschuss vermacht, ist der Einfluss der Eltern endgültig passé, verschärft sich die ohnehin aus den Fugen geratene Situation ins schier Unerträgliche. Bis Vero und Michi, die immer nur das Beste wollten lange glaubten, immer alles richtig gemacht zu haben, mit einer höchst ungewöhnlichen und unkonventionellen Maßnahme die eigentlich liebevolle Notbremse ziehen…
Mehr sei nicht verraten über den Verlauf und den Ausgang dieser turbulenten „autofiktionalen Groteske“, wie der Züricher Dokumentarfilmer und Schauspieler seinen zusammen mit seinen wirklichen Söhnen umgesetzten Spielfilm nennt, der bei den Filmfestspielen in Locarno 2019 seine viel beachtete Premiere feierte.
Ab heute ist diese unverschämt realistische Familienkomödie im Freiburger Kino Harmonie zu sehen; dort wird er täglich um 18.30 Uhr gezeigt. Außer am Sonntag, 19. Juli: An diesem Tag beginnt die Vorstellung schon um 15 Uhr und es gibt – nach langer Pause – endlich sogar wieder einmal ein Filmgespräch: Regisseur und Vater-Darsteller Eric Bergkraut wird dabei sein. Und einer seiner Söhne.
Wir Eltern
Schweiz 2019
Regie: Eric Bergkraut/ Ruth Schweikert
Mit: Elisabeth Niederer, Eric, Elia, Ruben & Orell Bergkraut u. a.
Laufzeit: 94 Minuten
Verleih: W-film
Kinostart: 16. Juli
Infos und Online-Kartenbuchung unter: www.friedrichsbau-kino.de
Fotos: © W-film