„Bildung hat Vorfahrt“ – Im Interview: Raphael Walz Ortsporträt | 17.07.2024 | Philip Thomas
Seit zehn Jahren leitet Raphael Walz die Geschicke von Gundelfingen als Bürgermeister. Mit Regio-Autor Philip Thomas sprach der 39-Jährige über Sanierungen, neuen Wohnraum und die Dorfseele.
Lust auf REGIO: Herr Walz, seit 2014 sind Sie Bürgermeister von Gundelfingen. Wie hat sich die Gemeinde seitdem verändert?
Walz: Es hat sich einiges getan. 2015 sind wir mit der Flüchtlingskrise gestartet, damals hat die Gemeinde mit dem Landkreis eine Unterkunft für 240 Personen errichtet und mehr als 100 Wohneinheiten in Gundelfingen angemietet, das war ein großes Thema. Heute haben wir rund 400 Flüchtlinge weitestgehend gut integriert.
Was ist noch geschehen?
Walz: Wir haben unseren Vereinen mehr Platz gegeben, unsere Turn- und Festhalle komplett saniert, einen Kunstrasenplatz und eine neue Sporthalle errichtet und die Mediathek mit einer neuen Cafeteria im Schulzentrum auf links gedreht. Für die Sanierung des mehr als 50 Jahre alten Gymnasialturms des Albert-Schweitzer-Schulzentrums werden ab August einige Klassen zum neuen Schuljahr in Container verlagert. Anschließend wird der naturwissenschaftliche Trakt modernisiert. In den Klassenzimmern wird es Smartboards geben und zunehmend mit Tablets gearbeitet. Abgeschlossen sein sollen die Maßnahmen im Jahr 2028.
Auch für die Jüngsten wurde Geld in die Hand genommen.
Walz: Bildung hat in Gundelfingen Vorfahrt. Notfalls finanzieren wir das auch mit Krediten, weil dadurch nachhaltig Werte geschaffen werden. Ein Schwerpunkt war daher, mehr Kindergartenplätze zu schaffen. Wir haben vier neue Kitas mit Plätzen für knapp 200 Kinder gebaut. Bei 12.000 Einwohnern ist das eine Wucht. Das schlägt sich auch in den Geburtenzahlen nieder. Wir haben pro Jahr rund 130 Neugeborene.
Kommendes Jahr soll der Bau des Neubaugebiets Nägelesee Nord beginnen. Welche Rahmenbedingungen hat die Gemeinde für bezahlbares Wohnen geschaffen?
Walz: Konkret konnten wir in Zusammenarbeit mit Baugenossenschaften und dem Mietshäuser Syndikat preisgedämpfte Wohnungen für stellenweise weniger als zehn Euro je Quadratmeter anbieten. Außerdem haben wir baulandpolitische Grundsätze verabschiedet. Baugebiete werden nur noch erschlossen, wenn 60 Prozent der Flächen für 40 Euro pro Quadratmeter an die Gemeinde abgetreten werden. Das war ein mühsamer Prozess, aber anders hätten wir nicht weitermachen können. So bekommt nicht der Meistbietende ein Grundstück, sondern derjenige mit dem besten Konzept.
Was tut Gundelfingen für den Klimaschutz?
Walz: 2018 haben wir ein Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht. Auf nahezu allen kommunalen Dächern sind mittlerweile Photovoltaikanlagen installiert. Auf dem Roßkopf werden vier Windkraftanlagen durch zwei leistungsfähigere Anlagen mit einer Gesamtleistung von bis zu 20 Millionen Kilowattstunden ersetzt. Mit der Bewilligung unserer Förderanträge für ein kommunales Wärmenetz rechnen wir in den kommenden zwei Jahren.
Womit beschäftigen Sie sich aktuell?
Walz: Ich habe lange dafür gekämpft, aber nun ist klar, dass wir rund eine Million Euro aus Bundesmitteln für den Umbau vom Sonne-Platz bekommen. Konkret wollen wir den Ortskern mit Verschattung, Wasserspielen und Sitzmöglichkeiten aufwerten und an den Klimawandel anpassen. Nun geht es in die Planungsphase. Der Umbau soll kommendes Jahr beginnen.
Einem Anschluss an das Freiburger Straßenbahnnetz hat die Gemeinde per Bürgerentscheid eine Absage erteilt. Gehen diese Modernisierungen manchem zu schnell?
Walz: Ich hätte mir den Anschluss gewünscht, aber das Ergebnis muss man respektieren. Ich glaube, in diesem speziellen Fall wollten viele die Gundelfinger Dorfseele erhalten und nicht als Stadtteil von Freiburg gelten. Ich merke aber auch, dass die Erwartungshaltung an die Verwaltung gestiegen ist. Das ist nun kein schönes Wahlprogramm, aber wenn wir dieses Level an Steuereinnahmen, Beschäftigungsgrad, Zufriedenheit in den kommenden zehn Jahren halten, dann würde ich mich nicht beklagen.
Herr Walz, vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: © pt, pl