Fight um Flächen – umstrittene Standorte für PV-Anlagen und Windräder Bauen & Wohnen | 05.10.2024 | Philip Thomas

Anbringung von Sola-Panels 1500 Hektar am südlichen Oberrhein sollen mit PV-Paneelen bebaut werden.

Mindestens zwei Prozent des südlichen Oberrheins sollen laut Klimaschutzgesetz mit Solar- und Windkraftanlagen bebaut werden. Vom Regionalverband ausgemachte Flächen bei Munzingen oder Heitersheim werfen allerdings Fragen auf.

Mitte Mai hatte der Regionalverband Südlicher Oberrhein (RVSO) Pläne für den Ausbau von Solar- und Windenergie vorgelegt. Darin ausgewiesen wurden im Stadtkreis Freiburg sowie den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen und Ortenau insgesamt 183 Areale mit einer Größe von 12.300 Hektar für Windräder sowie 114 Gebiete mit einer Gesamtgröße von 1500 Hektar für Photovoltaik-Paneele.

Konkret sind laut einer Drucksache des Freiburger Gemeinderats für Windkraft im eigenen Stadtkreis 300 Hektar ausgemacht. Im Ortenaukreis 6300 Hektar, im Landkreis Emmendingen 2600 Hektar und im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald 3100 Hektar. Für Freiland-Photovoltaik sind es in Freiburg 20 Hektar, im Ortenaukreis 560 Hektar, in Emmendingen 290 Hektar und im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald knapp 640 Hektar.

Mit den Planungen kommt der Verband Klimaschutz-Beschlüssen von Bund und Land aus dem Jahr 2022 nach, wonach mindestens zwei Prozent einer Regionsfläche für Windenergie (1,8 Prozent) sowie Freiflächen-Photovoltaik (0,2 Prozent) bereitgestellt werden sollen. Laut Drucksache gehen die Planungen am südlichen Oberrhein über dieses Mindestmaß hinaus: Für Windkraft sind drei Prozent vorgesehen, für Solarenergie 0,4 Prozent.

Bis zum 7. Juli konnten Bürger, Behörden, Naturschutzvereinigungen und Kommunen zu den Plänen Stellung beziehen. „Wir haben ein sehr differenziertes Stimmungsbild erhalten“, sagt Wolfgang Brucker, Verbandsdirektor des Regionalverbands. Rund 5000 Menschen hätten Feedback gegeben. Von allgemeiner Zustimmung über kritische Betrachtung bis zu grundlegender Ablehnung sei alles dabei. In den sogenannten Vorranggebieten sei die Beteiligung reger gewesen.

So forderte der Ortschaftsrat Munzingen per Schreiben an den Freiburger Gemeinderat die Rücknahme zweier im Süden des Ortes für Solarenergie ausgewiesenen Flächen mit einer Gesamtgröße von rund 21 Hektar. Diese liegen laut der Stellungnahme in vollem Umfang in landwirtschaftlich geschützten Gebieten, die andere Nutzung verbiete. Weil die Fläche wohl aber durch die Autobahn A5 bereits „erheblichen Lärmbelastungen und visuellen Beeinträchtigungen“ ausgesetzt sei, gelte der Flur in den RVSO-Plänen als geeignet.

Gebietskulissen Regionalverband
Südlicher Oberrhein (Stand: Mai 2024)
• Solarenergie
• Windenergie

Via Stellungsname betont der Ortschaftsrat am 12. Juli einstimmig: „Landwirte können in beiden Gebieten auf ihrem Gelände wegen der Privilegierung aus dem Baugesetzbuch sowieso Solaranlagen errichten.“ Wegen der hohen Flächenkonkurrenz innerhalb der Freiburger Gemarkung seien die RVSO-Pläne „ein falsches Signal“. Die Klassifizierung als „Vorbehaltsgebiet“ sei überflüssig.

Das Freiburger Baudezernat stuft die Flächen in einer Drucksache vom 23. Juli als „vertretbar“ ein. „Vorbehaltsgebiete“ dienten dem Schutz konkurrierender Nutzungen. Außerdem sind die ausgeschriebenen Gebiete laut Baudezernat nicht verbindlich: Welche Standorte mit PV-Anlagen bebaut werden, hängt auch vom jeweiligen Eigentümer ab.

Im Dezember 2022 hatte der Bundestag vereinfachte Genehmigungsverfahren für PV-Freiflächenanlagen entlang Autobahnen und mehrgleiseigen Schienenstrecken beschlossen. Nun können Flächen im Abstand von maximal 200 Metern zu Fahrbahnen für Photovoltaik genutzt werden.

Davon betroffen ist auch eine zehn Hektar große PV-Freifläche auf der Heitersheimer Gemarkung westlich der Rheintalbahn. „Für diese ausgewiesene Fläche brauchte es bisher schon keine Bauleitplanung, um hier eine Freiflächen-PV-Anlage zu installieren“, erklärt Bürgermeister Christoph Zachow. Die Festlegung des Regionalverbands habe somit praktisch keine Auswirkungen.

Zwischen Munzingen und Tiengen nimmt die Novelle aus dem Jahr 2022 bereits Gestalt an. Auf sechs Hektar entsteht dort ein Solarpark mit einer Leistung von maximal 7,1 Megawatt. Es ist das größte Solar- und Batterieprojekt in Freiburg. Versorgen soll es knapp 2000 Haushalte. Initiiert wurde der Bau von Landwirt Winfried Bächle. „Das Freiburger Umweltschutzamt hat mich angerufen“, blickt er zurück. Entsprechende Pläne habe er aber bereits in der Schublade gehabt. „Die haben wir dann relativ schnell durchgekriegt.“

Verbandsdirektor Brucker geht bereits heute davon aus, dass es zumindest bei Windenergie zu einer zweiten Offenlage von Plänen kommt. Der finale Satzungsbeschluss soll spätestens am 30. September 2025 stehen. Den Zeitplan nennt Brucker „sportlich-ambitioniert“. Denn danach wird dem Verband das Heft aus der Hand genommen. Er sagt: „Wenn wir bei der Windenergie am Ende nicht auf die 1,8 Prozent der Regionsfläche kommen, sieht der Bundesgesetzgeber vor, dass Windkraftanlagen in der gesamten Region Südlicher Oberrhein als privi­legiert gelten und einer planerischen Steuerung vollständig entzogen sind.“

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