Mit Holz auch hohe Hütten: Die Ökowende auf dem Bau läuft an Bauen & Wohnen | 02.03.2022 | Christian Engel

Buggi 52: Das achtgeschossige Gebäude aus der Feder von Weissenrieder Architekten....

In Freiburg wurde vor acht Jahren die Zukunft eingeweiht. Der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband zog in seine neue Zentrale ein, in vier Stockwerke aus Holz. Außen Fichte, innen Weißtanne – alles aus der Region. Rund um Freiburg, im Schwarzwald, war Holz jahrhundertelang der Baustoff gewesen – heute dominieren in Städten und selbst Dörfern meist Betonbauten. Deswegen wirkt das „Haus der Bauern“ fast schon wie eine Trutzburg. Als würde es seinen umliegenden Beton-Brüdern mitteilen: Seht mich an, es geht auch ökologischer. Es geht doch auch mit Holz!

Der Weltklimarat rechnet aus, dass jährlich drei Milliarden Tonnen CO2 auf die Produktion von Zement zurückgehen. Das sind rund zehn Prozent der von Menschen ausgestoßenen Treibhausgase. Da davon auszugehen ist, dass die Bevölkerung weiter wächst und diese weiterhin in Häusern leben will, werden auch künftig viele Häuser gebaut werden (müssen). Wenn es nach einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) geht, vermehrt mit: Holz.

„Bäume entziehen unserer Atmosphäre CO2 und wandeln es in Sauerstoff zum Atmen und in Kohlenstoff im Baumstamm um, den wir nutzen können“, schreibt Hans Joachim Schelln­huber, emeritierter Direktor des PIK. „Wenn wir das Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen.“

….wurde an der Bugginger Straße von Holzbau Bruno Kaiser ab dem 1. Obergeschoss komplett in Holzbauweise gebaut.

Stefan Krötsch, Professor für Baukonstruktion an der Hochschule Konstanz (HTWG), lobt neben der positiven Klimabilanz auch das „Substitutionspotential“ von Holz: „Es kann sehr viele – fast alle – Baustoffe ersetzen, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen – Beton, Stahl, Ziegel.“ Außerdem habe Holz kein Abfallproblem. „Während Bauschutt 60 Prozent unseres Abfalls ausmacht, teilweise hochgiftig ist, ist Holz nach Ablauf seines Einsatzes immer noch ein CO2-neutraler Brennstoff oder verrottet ohne schädliche Rückstände.“

Der Freiburger Projektentwickler Willi Sutter sagt: „Eine ökologische Wende in der Baubranche gelingt nur, wenn ein großer Teil der Häuser künftig in Holz gebaut wird.“ Natürlich hat der Projektentwickler auch ein großes Interesse daran, dass ordentlich mit Holz gebaut wird, schließlich planen und entwerfen (und verdienen ihr Geld damit) er und seine Mitarbeiter vom Freiburger Planungsbüro Sutter3 genau das: Holzhäuser. Eines seiner bekanntesten Werke der jüngeren Vergangenheit: das Buggi 52.

Das achtstöckige Hochhaus im Freiburger Stadtteil Weingarten ist ein geeignetes Beispiel dafür, wie sich der Holzbau in den vergangenen Jahren entwickelt hat – und wohin es noch gehen kann. Denn plötzlich schießen Holzhäuser auch in die Höhe. Um einmal über den Tellerrand zu blicken: In Wien haben sie das „Hoho“ errichtet, ein Holzhaus mit 84 Metern Höhe. In Berlin-Kreuzberg ist ein noch höheres geplant – mit 29 Geschossen. In München ist der Prinz-Eugen-Park entstanden, eine ökologische Siedlung mit 600 Wohneinheiten in Holzbauweise, die jüngst den Deutschen Holzbaupreis 2021 abgesahnt hat.

Zurück zum Buggi 52 in Freiburg. Die Bruno Kaiser GmbH aus Bernau war für den kompletten Holzbau des Gebäudes zuständig – und hat es nahezu vollständig in der eigenen Fabrikhalle entworfen. Mit Hilfe von riesigen CNC-Anlagen – dem Thermomix der Holzbaubranche – haben Mitarbeiter das Haus maßgeschneidert. Die Maschine sägt auf Anweisung von Computerprogrammen die Holzbalken zurecht, bastelt sie zu Holzrahmen zusammen, beplankt die eine Seite, baut die Elektronikanschlüsse und -kabel ein, füllt die Innenräume mit Dämmmaterial, beplankt die andere Seite, dekoriert die Wände mit Fenstern und Jalousien.

Diese Vorleistungen in der Fabrikhalle helfen, den Aufbau auf der Baustelle zu verkürzen. Gerade mal eine Woche, sagt Geschäftsführer Herbert Duttlinger, habe man für ein Stockwerk gebraucht. Nach knapp acht Wochen ragte das Buggi 52 – in dem selbst der Aufzugsschacht und das Treppenhaus aus Holz sind – 25 Meter in die Höhe, im Oktober zogen die 30 Mieter ein.

Kurze Lieferwege, Bau mit heimischen Materialien, die CO2 einspeichern, Gebäude, die komplett FSCE-zertifiziert sind: So stellt sich Sutter die Zukunft der Baubranche vor. Aber ist dafür überhaupt genügend Material da? Schließlich brauchen Wälder ja auch das ein oder andere Jahr, um erst mal nachzuwachsen – einen Kahlschlag wegen ein paar Häuserchen möchte niemand.

Stefan Krötsch von der HTWG Konstanz rechnet vor: Circa ein Drittel Deutschlands ist bewaldet, EU-weit hat man den größten Holzvorrat – 3,7 Milliarden Kubikmeter. Von rund 80 Millionen Kubikmetern Holz, die in den hiesigen Wäldern jährlich heranwachsen, werden 70 geerntet, der Rest vermehrt den Holzvorrat. Unterm Strich: „Mit weniger als der Hälfte dieser Jahresholzernte könnten sämtliche Neubauvorhaben Deutschlands in Holz errichtet werden. Wir haben also genug Holz für Holzbauten.“

Die Zukunft scheint eingeläutet – immer mehr setzt die Baubranche auf Holz. Das Handelsblatt bezeichnete den Baustoff Holz jüngst als „Material der Stunde“. Sascha Gehring und Heiko Dietzenbach haben das im vergangenen Jahr erkannt – und in Windeseile eine Firma aufgebaut: die Holzhausfabrik in Breisach. Künftig möchte das Unternehmen seinen Kunden individuelle Fertighäuser aus Holz maßschneidern und errichten. Bisher hat die Holzhausfabrik noch kein einziges Holzgebäude gebaut. „Die Auftragsbücher“, sagt Sascha Gehring, „sind für dieses Jahr aber schon voll.“

Fotos: © Weissenrieder Architekten BDA