Rechtsstreit im Rathaus: Heitersheim verschweigt Altlasten in Kaufverträgen Bauen & Wohnen | 19.08.2020 | Lars Bargmann

Heitersheim Rathaus Plan Belastet: Der Bebauungsplan "Staaden III" liegt in unserer Montage auf dem Baugebiet

Das Rathaus in Heitersheim hat rechtlich fragwürdige Grundstückskaufverträge abgeschlossen. Mindestens ein Käuferpaar fühlt sich „betrogen“. Bürgermeister Christoph Zachow gab gegenüber der Redaktion keine „näheren Auskünfte über einzelne Vertragsgestaltungen, da es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt“. Und es auch um „haftungsrechtliche Fragen“ gehe. Nicolas Schill, Anwalt der Käufer, wirft der Kommune „Arglist“ vor. Fürs Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald, Aufsichtsbehörde für Heitersheim, ist die Sache kein Thema: „Die Grundstücksverkäufe der Stadt sind privatrechtliche Kaufverträge und unterliegen somit nicht der Prüfung und Zuständigkeit beim Landratsamt“, teilt die Behörde mit.

Im Kaufvertrag für das 339 Quadratmeter große Grundstück im Heitersheimer Baugebiet Staaden III, protokoliert im Oktober 2019, heißt es unter § 9: „Der Veräußerer erklärt, dass ihm nicht erkennbare Mängel, insbesondere auch schädliche Bodenveränderungen und Altlasten des Grundstücks nicht bekannt sind.“ Die Eheleute Serkan und Elif Kalinci unterzeichneten den Vertrag im guten Glauben. Auch andere Käufer unterzeichnet den Vertrag mit dieser Passage.

Richtig ist, dass schon drei Jahre zuvor das Freiburger Büro HPC fürs Heitersheimer Rathaus ein Bodengutachten erstellt hatte. Auch das liegt der Redaktion vor. „Aufgrund eines starken Bleigehalts in der Probe MP1 sind die Auffüllungen abfalltechnisch in eine Qualitätsstufe höher als Z2 einzuordnen.“ Z2 (Z: Zuordnungswert) ist die höchst belastete Kategorie. Der Bodenaushub könne keinesfalls ohne weitere Prüfungen entsorgt werden. Auch eine zweite Probe im Baugebiet zeigte einen hohen Bleigehalt an. Neben den Bleigehalten seien zudem die Gehalte an Arsen, Cadmium, Kupfer und Zink erhöht. Der Gutachter führt die erhöhten Metallgehalte „auf den historischen Bergbau im Einzugsgebiet des Sulzbachs“ zurück und empfiehlt, sowohl den Oberboden als auch den Unterboden näher zu untersuchen.

Sogar im Bebauungsplan, für den der Gemeinderat am 14. November 2017 die Satzung beschlossen hatte – der mithin zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung schon lange galt -, gibt es im textlichen Teil unter Punkt 4.5 einen expliziten Hinweis auf den kontaminierten Aushub.

Von alledem wussten die Eheleute nichts. Als sie nun den Boden für das Kellergeschoss ausheben lassen wollten, wurden sie vom anbietenden Unternehmer darüber informiert, dass der Aushub so belastet sei, dass er auf eine Spezialdeponie gebracht werden müsse. Womöglich bis in den Ruhrpott. Was teuer ist. Zudem musste das Haus mit einer so genannten weißen Wanne (besonders dichte Bauweise) erstellt werden, was weitere Mehrkosten nach sich zog.

Die Kalincis wandten sich ans Bauamt, dort wurde ihnen erklärt, dass sie noch eine Ergänzungsvereinbarung zum Kaufvertrag unterzeichnen sollten. „Eine Unverschämtheit“, sagt Nicolas Schill von der unlängst von Capital, brandeins und Focus in aktuelle deutsche Bestenlisten eingetragene Staufener Baurechtsspezialistenkanzlei Steiger, Schill und Kollegen, an die sich die Kalincis in ihrer Not gewandt hatten. „Hier liegt erstens eine Arglist vor, da die Stadt Heitersheim Kenntnis von der Belastung des Bodens hatte“, so Schill. Und zweitens der Versuch, mit einem blauen Auge aus der Sache rauszukommen, statt mit offenen Karten zu spielen.

In einer Mail eines Rathausmitarbeiters an die Familie im vergangenen Mai heißt es, dass mit den Käufern der Baugrundstücke im Staaden III und Herrn Bürgermeister Martin Löffler bezüglich des Bodenaushubs und der Zwischenlagerung besprochen worden sei, „dass zum jeweiligen Kaufvertrag eine Ergänzungsvereinbarung geschlossen werden soll“. Diese Vereinbarung müsse „jedoch leider vor dem Notariat in Staufen“ erfolgen. Die Kosten trage die Stadt Heitersheim.

In dieser der Redaktion vorliegenden „Notariellen Ergänzungsvereinbarung“ heißt es, dass es nach dem Verkauf „über den Umfang der möglicherweise bestehenden Bodenbelastung“ zu „Unstimmigkeiten“ gekommen sei. Die Verkäuferin richte, so heißt es weiter, ein „Bodenaushubmanagement“ ein, mit dem Ziel, den zur Umsetzung des Bauvorhabens erforderlichen Aushub für 30 Euro brutto den Kubikmeter abzunehmen. Unter § 2 steht sodann: „Der Veräußerer hat den Erwerber auf die Bodensituation und das hierzu erstellte Bodengutachten der Firma HPC vom 21.10.2016 hingewiesen.“

Mit der Unterschrift hätten die Käufer alle weiteren Ansprüche verloren. Ein Unterzeichnen dieser „allein zu Lasten unserer Mandanten ausgestalteten Vereinbarung“ komme nicht in Betracht, schreibt Schill an Bürgermeister Zachow: „Das dürfte sicherlich auch für Sie nachvollziehbar sein“. Schill fordert das Rathaus im selben Schreiben dazu auf, seiner „Pflicht zur Mangelbeseitigung durch geeignete Maßnahmen nachzukommen und die vorliegenden Bodenbelastungen zu beseitigen.“ Zachow, der die wenig vergnügungssteuerpflichtige Sache von seinem Vorgänger Martin Löffler geerbt hat, hat nun ebenfalls einen Anwalt verpflichtet, der die Interessen der Kommune vertreten soll.

„Zwischen dem Anwalt der Käufer und dem Anwalt der Stadt laufen derzeit gute Gespräche über eine einvernehmliche Lösung“, schreibt Zachow am 17. August. Mehr als ein Mail, in dem der Anwalt der Stadt die grundsätzliche Vertretung gegenüber dem Klägeranwalt ankündigt, hat es zu diesem Zeitpunkt indes nicht gegeben.

„Wir wurden so schlecht behandelt vom Bürgermeister Löffler. Der hat uns sogar gewarnt, einen Anwalt zu nehmen. Das war alles unzumutbar, eine Frechheit“, sagt Elif Kalinci Der Zeitplan des Hausbaus geriet ins Wanken, die eigene Wohnung war bereits verkauft, sie habe „kein Zuhause mehr“ und standen „vor dem nervlichen Zusammenbruch“, sagt die 35-Jährige. Sie schluchzt.

Bis zu 80 Euro pro Kubikmeter entsorgten Boden, das hätte ein tiefes Loch ins Budget der der vierköpfigen Familie. Teile ihres des Aushubs lagern nun auf noch nicht bebauten Flächen im Neubaugebiet. „Die Kommune darf nicht verschweigen, dass ihr Altlasten bekannt sind“, sagt Schill. Das Rathaus hätte den Boden komplett austauschen müssen, um einen „vertragsgemäßen Zustand des Grundstücks zu erreichen.“

Elif Kalinci wünscht sich, dass sich die Gemeinde sich entschuldigt. Und für den wirtschaftlichen Schaden geradesteht. Das Verhalten des Rathauses war „so kontaminiert wie unser Boden.“

Montage: Bauen & Wohnen; Map: © DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, 2020; Bebauungsplan: Stadt Heitersheim