Was Veganer vermissen – Zwei Freiburger stellen pflanzlichen Käse her Start-ups | 23.11.2023 | Till Neumann

Wolfgang Reuter und Erika Sewing Stolz auf ihre vegane Erfindung: Wolfgang Reuter und Erika Sewing in ihrer Käseküche in Freiburg.

Drei Jahre haben Erika Sewing und Wolfgang Reuter experimentiert, getestet, verworfen, neu angefangen. Ihr Ziel war, einen natürlich gereiften ­veganen Käse zu kreieren, der ohne Zusatzstoffe auskommt. Seit Mai verkaufen sie ihn in Freiburg und kriegen trotz des stattlichen Preises viel Zuspruch. Nur an einer Stelle klemmt es gewaltig.

Wolfgang Reuter leitet die vegane Kochschule Aubergine in Freiburg. Zu seinen kulinarischen Abenden kommen viele, die vegan leben wollen, aber nicht auf Käse verzichten können. Ist es möglich, einen veganen Käse herzustellen, der ohne Zusatzstoffe auskommt und auch wirklich nach Käse schmeckt? Die Frage ließ den 55-Jährigen nicht los.

36 Monate lang tüftelte er mit Erika Sewing (62) am Rezept. „Mit allen Höhen und Tiefen“, sagt Reuter. „Wir waren drei Mal kurz vorm Aufgeben, weil wir die Säure nicht rausgekriegt haben.“ Sie probierten verschiedene Nüsse und Gemüsesorten, testeten zum Fermentieren Quinoa, Hirse und Hafer. „Aber das ist alles wilde Fermentierung, da wird irgendwas draus, aber eben kein Käse-Geschmack“, berichtet Reuter. Erst als das Duo auf „definierte Käse-Kulturen“ zurückgriff, klappte es. Darin sind drei Bakterien-Stämme, die sie von einem Käsereien-Bedarfshandel beziehen.

In ihrem Käse sind vier weitere Zutaten: Bio-Blumenkohl, Bio-Cashews, Wasser und Salz. Getauft haben sie ihn „Cwasare“ und nennen ihn vollmundig „die Käse-Revolution aus Freiburg“. Weil er einzigartig ist? „Im Prinzip wissen wir nicht ganz genau, was in der Welt alles vor sich geht“, sagt Reuter. Dazu gebe es zu viele Hersteller. Tatsache ist für sie: „Kunstkäse, die aus Kokosöl, Fett und Emulgatoren zusammengehauen werden“, wollen sie keine machen.

Cashews und Wasser: Im ersten Schritt wird gemixt. Später kommen Käse-Kulturen, Blumenkohl und Salz dazu.

Cashews und Wasser: Im ersten Schritt wird gemixt. Später kommen Käse-Kulturen, Blumenkohl und Salz dazu.

Also gibt es das doch ein zweites Mal? „Nicht mit diesem intensiven Bergkäse-Geschmack“, kontert Reuter. Sie hätten schon einige Käse mit natürlicher Reifung probiert, aber da sei die Konsistenz nicht fein genug oder das Aroma nicht stark genug gewesen.

In ihrer Küche im Hinterzimmer des Café Biene Fritz in der Wiehre schüttet Sewing nun Cashews und Eiswürfel in einen Mixer. Die beiden geben gerne Einblick in ihre Produktion. „Aber keine Zahlen“, betont Reuter. Die bleiben Betriebsgeheimnis. Er meint die Dauer des Mixens oder auch die Luftfeuchtigkeit in ihrem Klimaschrank. Dort reifen die sechs Käsesorten der beiden bis zu acht Wochen lang.

Rund 40 Kilo Cwasare haben sie bisher produziert. Erhältlich ist er im Venoi, in der Glaskiste, im VictorySun Naturkost und im Bioladen St. Georgen. 8 bis 9,90 Euro kosten die 100 Gramm dort. Ein teures Vergnügen, das seine Käufer·innen findet. „Die Geschäfte bestellen kontinuierlich nach“, sagt Reuter. Und das Feedback spornt sie an. „Next Level of vegan Cheese“ habe ihnen ein Koch gesagt, der für sie testete.

Nach einem TV-Beitrag kamen zuletzt Anfragen aus ganz Deutschland. Doch die beiden müssen vieles ablehnen. Ihr Produktionsraum ist begrenzt. Die größte Herausforderung daher: eine größere Küche finden, um mehr Käse herzustellen. Der könnte vielleicht die überschaubare Zahl der Veganer in Deutschland etwas größer machen. Bisher sind es drei Prozent.

Fotos: © Till Neumann