Irokese der Lüfte: Der Wiedehopf – Vogel des Jahres 2022 Freizeit in der Regio | 03.07.2022 | Dorothea Wenninger

Wiedehopf im Flug zu seinen Jungen mit Futter im Schnabel

Er trägt ein auffallendes Federkleid und ist in einem der bekanntesten deutschen Volkslieder verewigt. Dennoch ist der Wiedehopf eine heutzutage eher unbekannte Erscheinung. Seit etwa 35 Jahren setzen sich Ehrenamtliche vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) an Kaiserstuhl und Tuniberg dafür ein, dem wärmeliebenden Vogel wieder eine Lebensgrundlage zu schaffen. 

„Up-up-up“ – ein zarter Ruf ertönt über der Wiese am Tuniberg. Ein Wiedehopfmännchen signalisiert damit: „Das ist unser Revier, andere Wiedehopfe haben hier nichts zu suchen.“ Im Einflugloch des Nistkastens zeigen sich zwei kleine Köpfchen, die Jungen haben den Vater gehört und warten auf das Futter, das er ihnen bringt. Stattdessen fliegt eine Elster ans Loch. Das ist gefährlich, denn die Kleinen stehen auf der Speiseliste von Elstern, Raben und Raubvögeln. Für den Notfall aber haben sie eine hervorragende Verteidigungsstrategie: Sie drehen ihr Hinterteil dem Angreifer zu und spritzen ihm eine stinkende Flüssigkeit aus Bürzel und Kloake entgegen. Wer das erlebt hat, meidet in Zukunft ein Wiedehopfgelege. „Den Gestank kriegen Sie eine Woche lang nicht los“, sagt Naturschützer Claus Georg Krieger aus eigener Erfahrung. Ihn hat es schon einmal erwischt, als er einen selbst gebauten Nistkasten öffnete, um die Vogeljungen zu zählen. 

Wiedehopf auf Dach in den Reben

Viermal zwischen April und Juli schwingt sich der passionierte Naturschutzwart auf das E-Bike, um im hügeligen Gelände des Tunibergs 70 Niststationen abzufahren. 22 davon sind dieses Jahr belegt. Mit dem Zählen der Jungen erstellt er eine Statistik über den Bestand der Wiedehopfe im Tuniberg. Vor 14 Jahren – noch im Jahr seiner Pensionierung als Gymnasiallehrer – hat er damit angefangen und mittlerweile umfassendes Wissen über Wiedehopfe gesammelt. Das hielt er auf vielen Papierseiten fest, was seinen Kindern die Aussage entlockte: „Aber Papa, das ist zu kompliziert, das liest kein Mensch.“ Daraufhin veröffentlichte er ein Kinderbuch mit umfassenden Informationen: „Mit dem Wiedehopf durchs Jahr“ (zu bestellen bei Claus.G.Krieger@t-online.de).

Scheuer Geselle

Wiedehopfe sind Höhlenbrüter und nisten natürlicherweise in Spechthöhlen oder Trockenmauern. Dazu brauchen sie alte Bäume, aber auch Rückzugsmöglichkeiten in Streuobstwiesen, denn sie sind sehr störungsempfindlich. Auf dem offenen Boden im Rebberg können sie mit ihren langen Schnäbeln Maulwurfsgrillen, Larven und Raupen erbeuten: Sie sind die idealen Schädlingsbekämpfer, was inzwischen auch viele Winzer wieder zu schätzen wissen.

Als Savannenvögel mögen sie es warm. Den Winter verbringen sie in der Sahelzone Afrikas, wohin einige sogar direkt über das Mittelmeer fliegen – und zwar einzeln, nicht als Schwarm, ein wahres Kunststück. Zum Brüten kommen sie immer wieder dahin zurück, wo sie geboren sind, und gehen dann eine Saisonehe ein. Das Weibchen legt sieben bis neun Eier und wärmt die Küken, bis diese Federn haben, das dauert ab dem Schlüpfen ungefähr 14 Tage. In dieser Zeit versorgt das Männchen sie mit Futter. Sobald die Jungen ein Federkleid tragen, füttern beide Elternvögel. Aber bereits eine Woche nach dem Ausfliegen müssen die Jungvögel sich schon selbst versorgen. 

Claus Georg Krieger und Kollege in den Reben mit Ferngläsern

Naturschutzwart Claus Georg Krieger und Kollege beobachten eine seiner Niststationen.

Der Wiedehopf gehört zu den gefährdeten Arten. Vor 1965 gab es einen recht großen Bestand im Oberrheingraben. Die immer intensiver werdende Landwirtschaft und die Flurbereinigungen aber entzogen den Vögeln ihre Lebensgrundlage. Seit 1985 erleichtern Mitglieder des Nabu dem Vogel die Wiederansiedlung. Sie bauen Nistkästen, oft in Kooperation mit den Winzern in deren alten Rebhütten. 2006 wurde das erste Wiedehopfweibchen im Tuniberg gesichtet. „Seither kommen mehr und mehr hierher, weil es hier die 5-Sterne-Hotels hat“, sagt Krieger schmunzelnd. Dass sich sein Einsatz lohnt, zeigt die ab 2009 angestiegene Kurve des Wiedehopfbestands. Mit etwas Unterstützung vonseiten des Menschen sollte es gelingen, den Vogel wieder als Stammgast zu gewinnen.

Fotos: ©  iStock.com/phototrip; Helge Körner; dw