Mit dem Rucksack ans andere Ende der Welt: Zwei Freundinnen reisen durch Australien Reise-Special | 29.11.2019 | Hannah Singler

Fast acht Millionen Quadratkilometer. Atemberaubende Natur, unendliche Weite und endlose Sandstrände. Das verspricht Australien. Mit dem Wunsch, das zu entdecken, war chilli-Autorin Hannah Singler mit einer Freundin und einem 60-Liter-Rucksack zwei Monate am anderen Ende der Welt. Sie erzählt von Freiheitsgefühlen, gefährlichen Begegnungen und einem tränenreichen Abschied.

Unsere Reise startet mit einem verpassten Flieger. Schon sind 500 Euro weniger im Gepäck. Als wir um sechs Uhr morgens in Melbourne landen, ist der Schock verdaut. Im Süden Aus­traliens gelegen, wird Melbourne als die lebenswerteste Stadt der Welt bezeichnet. Ist das wirklich so? Die Stadt ­empfängt mit einem Mix aus gepflegten Grünanlagen, ­modernen Hochhäusern und Altbauten im viktorianischen Stil. Die Einheimischen sind entspannt. Trotz der Entfernung fällt auf, dass Australien ähnlich westlich eingestellt ist wie wir.

Die lebenswerteste Stadt der Welt: Melbourne

Die Reiseroute steht noch nicht, wir möchten alles auf uns zukommen lassen. An das neue Leben müssen wir uns jedoch erst mal gewöhnen: Die Hygienestandards in den Hostels, die fehlende Privatsphäre, die Sprache. Doch die Sehnsucht nach dem Unbekannten treibt uns an. Ein Reisender erzählt, dass er schon Jahre unterwegs sei. „Wie lange willst du noch reisen?“, fragen wir erstaunt. „Ich weiß es nicht“, antwortet er. Die Leichtigkeit steckt an.

Da wir nur begrenzt Zeit haben, entscheiden wir uns, von nun an unsere Reise zu planen. Schon eine Woche später geht es mit dem Flieger nach Cairns in den Norden Australiens. Von dort aus reisen wir knapp 3000 Kilometer mit einem Hop-on/Hop-off-Bus in Richtung Süden zurück nach Melbourne. Europäische Distanzen sind im Vergleich zu australischen fast lächerlich. Hostels gibt es in jedem Ort reichlich, etwa 20 Euro kostet die Nacht in einem Mehrbettzimmer. Schnell lernen wir, nur das Nötigste für die Weiterreise mitzunehmen. Es ist ein schönes Gefühl, so unab­hängig zu sein.

Lebensmittel kaufen wir meist selbst ein und kochen uns was. Oft gibt es wenig einfallsreiche Nudeln mit Tomatensoße, da Australien teuer ist und viele Hostelküchen nicht zum Verweilen einladen. Eine Flasche durchschnittlicher Wein kostet mehr als zehn Euro. Bei Ausflügen möchten wir allerdings nicht sparen: Während einer Expedition in den Regenwald sehen wir zum ersten Mal ein Krokodil und mehrere Spinnenarten. Darunter auch eine Redback, die mit einem einzigen Biss tödlich sein kann. Es ist atem­beraubend, diese Tierwelt live zu erleben.

Weiter geht es in Airlie Beach mit einer unschönen Erfahrung: Wir haben ungeliebte Mitbewohner und müssen uns das Zimmer mit einigen Kakerlaken teilen. Nach einem Hostelwechsel gefällt uns dieser kleine Ort aber sehr gut, sodass wir noch einen Tag dranhängen. Mit einem Katamaran segeln wir anschließend drei Tage entlang der Whitsunday ­Islands und erleben paradiesische Naturschauspiele. Zweimal täglich schnorcheln wir und verbringen an Deck viele Stunden, in denen wir über das Leben philosophieren. Nachts ist unser Boot von Haien umgeben. „No worries“, sagt der Guide. Uns ist trotzdem mulmig, als wir am nächsten Morgen in das kalte Wasser springen. Alles geht gut.

Nächster Stopp: Fraser Island, die größte Sandinsel der Welt. Sie macht ihrem Namen alle Ehre. Sand, wohin das Auge reicht. Inmitten der Insel ein See, der so türkis ist, dass man es nicht glauben kann. Abends sitzen wir am Lagerfeuer, ein Ire spielt Gitarre. Wir singen, tanzen und haben Spaß. Ein magischer Moment.

Weiter geht es für uns nach Noosa, ein kleiner Küstenort, der zu unserem Lieblingsplatz in Australien wird. Wir mögen die entspannte Atmosphäre und die kleinen Geschäfte, die zum Verweilen einladen.

Ein Monat ist vergangen und Lea muss für ihr Studium zurück nach Deutschland. Alleine bin ich trotz ihrer Abreise nur selten. Kennenlernen und wieder verabschieden ist ein ­großer Teil dieser Reise. „Next Stop Brisbane“. Hier bin ich zum ersten Mal alleine unterwegs und genieße es, Zeit nur für mich zu haben. Ich mag das Gefühl, wieder in einer großen Stadt zu sein, die Weite Australiens kann sich manchmal verloren anfühlen.

Den nächsten Halt mache ich in Surfers Paradise. In Byron Bay erfüllen sich Australiens Klischees: braungebrannte Surfer, entspannte Lebenseinstellung, kleine Cafes mit gesunden Snacks und lange weiße Sandstrände. Hier geht mir ein Erlebnis unter die Haut: Ich lasse mir „be brave” (sei mutig) stechen. Dieses Tattoo wird mich von jetzt an immer an die Reise erinnern.

Dramatische Küstenlandschaft: Felsnadeln an der Great Ocean Road

Mein großer Wunsch war es, einen Surfkurs zu machen. In den nächsten fünf Tagen lerne ich, was es heißt, auf einem Surfbrett zu stehen. Vom Surfcamp ausgepowert komme ich nach einer Nachtfahrt in Sydney an. Ich habe große Erwartungen, die leider enttäuscht werden. Für mich hat die Stadt wenig Flair. Es ist sehr teuer, unruhig und laut. Also zieht es mich weiter nach Melbourne. Die Stadt, in der die Reise begann und enden wird. Von hier aus starte ich zusammen mit vier anderen Reisenden meine letzte Tour: Es geht mit einem Mietauto zur bekannten Great Ocean Road. Die Natur ist felsig, das Wasser rau und kalt, anders als oben im Norden, aber wunderschön. Wir fahren oft stundenlang. Auf der einen Seite Felsen, auf der anderen Seite Abgrund und das Meer.

Mit einem leergefegten Geldbeutel komme ich zurück nach Deutschland. Trotzdem bin ich reicher als zuvor. Reicher an Erfahrung und Momenten, die mir keiner nehmen kann. Knapp 30.000 Kilometer Reise liegen hinter mir. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis ich alle Eindrücke verarbeitet habe.

Fotos: © Hannah Singler, Ymgerman, Brett Ginsberg