Türme, Thermen und Terrassen: Von der Toskana bis nach Umbrien Reise-Special | 02.12.2018 | Reinhold Wagner

Firenze, Siena, San Gimignano, Lucca, Pisa, Montepulciano – schon allein die Namen der großen, bekannten Orte der Toskana klingen wie Musik in den Ohren. Richtig interessant und spannend aber wird es, wenn man einmal die Hauptrouten verlässt und sich einfach von der Laune leiten und von der Schönheit der Landschaft verzaubern lässt.

Bis Florenz hat man bei der Anreise leichtes Spiel: Die A1, Italiens längste Autobahn und Teil der legendären „Auto­strada del Sole“, ist nicht zu verfehlen. Erst bei der Fahrt über Land auf der Suche nach kleinen Ortschaften und originellen Unterkünften zeigt sich das wahre Gesicht der Toskana – und das kann stellenweise durchaus zum Verwechseln ähnlich sein. „Sind wir an diesem Zypressen-Hügel mit dem einsamen Gehöft nicht schon einmal vorbeigekommen? Oder war es doch eher der dort drüben?“

Auf den letzten hundert Metern zum Landhaus oder der angemieteten Unterkunft in einem Kloster erwartet die müden Reisenden eine kurvenreiche Schotterpiste mit Schlaglöchern, die jeden Mitfahrer wachrütteln und alle Aufmerksamkeit erfordern. Aber es lohnt sich: Wo kaum ein Tourist ohne fremde Hilfe hinfindet, da ist die Natur noch im Lot. Da sieht man in der Abenddämmerung am Waldrand noch Fuchs und Hase beim Gute-Nacht-Sagen. Und morgens mit der aufgehenden Sonne ziehen Schafherden über die Hügel, während in den Tälern noch der Frühnebel hängt.

Die Schönheit der Toskana: Die Stadt Lucca (oben), Sinterterassen der Bagni San Filippo und Kellergewölbe in Monte Pulciano (unten).

Zeit, die Umgebung zu erkunden. Radicofani liegt in etwa in der Mitte zwischen Siena und Viterbo. Der kleine Ort mit den malerischen Gassen und seinen dicht an dicht gedrängten Häuschen zeigt sich von seiner schönsten Seite, wenn man den mächtigen Turm besteigt, der das Städtchen bewacht. Der Überrest einer mittelalterlichen Burganlage erinnert stark an den Turm eines Schachspiels. In der Ferne liegt der höchste Berg der Toskana, der Monte Amiata mit seinen 1738 Metern. Der winzige Ort an seiner Flanke wirkt, aus der Ferne betrachtet, wie ein asiatischer Tempel. Erst aus der Nähe stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein Ensemble mit Türmchen auf einem zentralen Hügel handelt: das verträumte Bergbaustädtchen Abbadia San Salvatore.

San Casciano: Noch so ein Burgenstädtchen mit Stadtmauer und Aussichtsterrasse, das die Kulisse für einen Ritterfilm liefern könnte. Von hier aus ist es nicht weit zu den heißen Quellen und Sinterterrassen der Bagni San Filippo. Dort lässt es sich unter freiem Himmel und vor atemberaubender Naturkulisse ganzjährig im warmen Thermalwasser plantschen. Wie ein gewaltiger Dom aus weißem Marmor überzieht der ausgefällte Kalk die Felsen im Hintergrund der Naturpools. Ein ähnliches Bild in etwas verkleinerter Form, dafür mit hellblauem Pool vor überrieselter Sinterterrasse, zeigt sich unterhalb des Ortes Bagno Vignoni. Hier lohnt ein Rundgang durch den Ort mit seinem historischen Wasserspeicherbecken, das umrahmt wird von einladenden Kunsthandwerksläden und Tavernen.

So weit im Süden der Toskana empfiehlt sich ein Tagesausflug ins benachbarte Umbrien und ein Besuch der Heimat von Franz von Assisi. Dessen Einsiedelei, hoch oben in den Bergen von Assisi, erweckt auch heute noch den Eindruck, als wäre die Zeit dort stehen geblieben. Sogar der Baum, unter dem der Heilige einst zu den Vögeln sprach, ist womöglich noch immer derselbe. Im Vergleich zum milden Klima der Toskana allerdings sollte man sich hier oben in den Bergen auf Überraschungen wie plötzlichen Schneefall an Ostern einstellen. Zuflucht bietet die riesige Basilika oder eine der zahlreichen Tavernen, Weinkeller und Boutiquen im Hauptort.

Ein Labyrinth aus mittelalterlichen Kellergewölben und mächtigen Burgmauern zieht sich rund um die Orte Montepulciano und Pienza. Auch Lucca hat sich mit seiner in vollem Umfang erhaltenen Stadtmauer, der ovalen Piazza dell’Anfiteatro und dem baumbestandenen Torre Guinigi vieles von seiner Ursprünglichkeit und Eigenständigkeit bewahrt. In San Gimignano lieferten sich die Einwohner einst das eifrigste Wettrennen um die höchsten Wohntürme, was von Weitem den Eindruck erweckt, man blicke auf das Manhattan der Toskana. Vom Oliven-Käse- bis hin zum Gorgonzola-Walnuss-Eis scheint es in den Eisdielen vor Ort nichts zu geben, was es nicht gibt. Mindestens zwei unter ihnen beanspruchen für sich, die beste der Welt zu sein. Nicht erwischen lassen sollte man sich aber mit einer Pizza-to-go auf den historischen Plätzen in Siena oder Florenz. Dort gilt seit Kurzem ein strenges Verbot für den Verzehr mitgebrachter Speisen. Schließlich soll der heilige Boden respektiert und das Geld lieber in einer der umliegenden Pizzerien ausgegeben werden.

Fotos: © Reinhold Wagner, iStock.com/Drunorris, greta6