Quereinsteiger ins Zwischenmenschliche – Pflegedienst Homecare neu in Freiburg Gesundheit | 24.05.2025 | Philip Thomas

Manuel Mössner und Michael Gleichauf Wieder per Fax zu erreichen: Manuel Mössner (links) und Michael Gleichauf von Homecare

BWL-Studium, Autohaus, Spedition – und dann in die Pflege. Diesen Weg sind Michael Gleichauf und Manuel Mössner gegangen. Mit dem Freiburger Ableger des Franchises Homecare wollen die beiden Unternehmer nun eine Nische besetzen.

Bei null beginnen die beiden Quereinsteiger nicht. „Meine Oma hat Demenz gehabt, am Ende waren täglich 24 Stunden Unterstützung nötig. Da ist vieles auf der Strecke geblieben, so etwas wie Homecare hätte uns allen gutgetan“, berichtet Mössner. Als Gleichauf, der zuvor ehrenamtlich mit Menschen mit Behinderung gearbeitet habe, vergangenen Sommer auf seinen Studienfreund und ehemaligen Mit­bewohner zukam, sei dieser „sofort Feuer und Flamme“ gewesen.

»Unterstützung als Schwäche gesehen«

Ihr neuer Job bedeutet vor allem Überzeugungsarbeit. Nicht bei Angehörigen, sondern bei den Betroffenen selbst. „Unterstützung zu erhalten, wird oft als Zeichen von Schwäche gesehen“, erläutert Gleichauf. Mössner ergänzt: „Wenn die Hilfe dann aber erst mal da ist, ist die Dankbarkeit groß. Skeptiker werden oft schnell überzeugt.“ Wichtig sei, dass die Pflegerinnen und Pfleger schnell eine Beziehung zu ihren Klienten aufbauen. „Viele wollen dann auch niemanden anderen mehr“, so Gleichauf.

Mindestens zwei Stunden dauert eine Betreuungseinheit. „Spritze setzen und nach fünf Minuten wieder fahren? Gibt es bei uns nicht“, sagt Gleichauf. Auch weil Homecare medizinische Versorgung nicht anbietet. Das Portfolio umfasst hauswirtschaftliche Unterstützung wie Kochen oder Einkaufen, Unterstützung bei der Grundpflege wie Essen anreichen, Demenzbetreuung oder Alltagsbegleitung wie Spaziergänge oder mal ein Brettspiel. Vor allem Gesellschaft wissen die zu Pflegenden zu schätzen. „Viele Menschen sind sehr einsam“, sagt Gleichauf.

Von der starken Nachfrage waren beide überrascht. „Dass sie so hoch sein würde, hätten wir nicht gedacht. Es gibt eine akute Unterversorgung“, sagt Mössner. „Es ist viel, diese Schicksale bekommen wir im alltäglichen Leben aber kaum mit“, bestätigt Gleichauf.

Altenversorgung ist ein wachsender Markt: Laut Statistischem Landesamt lebten Ende 2023 rund 2,4 Millionen Menschen in Baden-Württemberg, die 65 Jahre oder älter waren. Die Zahl der älteren Frauen und Männer im Südwesten hat damit seit der Jahrtausendwende um 42 Prozent zugenommen, die gesamte Einwohnerzahl stieg nur um 7 Prozent.

»Das Wachstum ist enorm«

Und bereits zum Jahr 2030 könnte sich die Zahl der Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren im Land nochmals um rund 340.000 erhöhen, bis 2040 sogar um rund 550.000 (plus 23 Prozent), so das Amt. Das Durchschnittsalter in Freiburg, einem landesweit vergleichsweise jungen Landkreis, betrug im Jahr 2020 immerhin 40,8 Jahre. Für 2024 prognostiziert das Amt 42,1 Jahre.

Das Franchise Homecare ist jung. 2021 in Düsseldorf gegründet, zählt das Unternehmen deutschlandweit aktuell bereits knapp 30 Betriebe. In Baden-Württemberg ist das Freiburger Büro das zweite nach Stuttgart. „Das Wachstum ist enorm – und wir wollen mitwachsen“, sagt Gleichauf.

Aktuell bauen die beiden ein Netzwerk auf. „Wir wollen mit Partnern alles aus einer Hand anbieten“, so Mössner. Seit Februar hat die Freiburger Stelle eine Zulassung. Aktuell betreuen 31 Mitarbeiter mehr als 75 Menschen in Freiburg und Umgebung. Abgerechnet wird je nach Pflegegrad über die Pflegekasse.

Der Schritt in die Arbeit mit alten und eingeschränkten Menschen kostete die beiden Fachfremden auch Mut. Gleichauf und Mössner gaben langjährige und gut bezahlte Jobs in der Automobil- sowie Speditionsindustrie auf. „Komplett die Reißleine zu ziehen hat uns viele schlaflose Nächte gekostet, aber Homecare hatte eben Potenzial“, berichtet Gleichauf. Um die Anlaufkosten zu decken, gingen die beiden auch ein finanzielles Risiko ein. „Es war keine Millionensumme, aber wenn meine Frau nicht mitgespielt hätte, wäre es nicht gegangen“, so Gleichauf.

Die beiden mussten sich umstellen. „Die Hauptkommunikationswege in der Pflege sind Fax und Brief“, sagt Gleichauf. Den Schritt würden die Geschäftspartner aber wieder gehen. „Das war die richtige Entscheidung, wir haben es noch keine Sekunde bereut. Das Gefühl zu helfen, ist toll.“

Foto: © Sven Meyer FWB