Abgründe der Freiheit: „Neujahr“ von Juli Zeh als Buch-Tipp Kultur | 11.11.2018 | Dominik Blödner

Lanzarote: viele Vulkane, viel Wind, viel Sand. Michel Houellebecq, der traurige Franzose, hat diese karge kanarische Insel mal als einen Ort „für Außerirdische“ beschrieben. Wirklich warm ums Herz kann einem auch bei Juli Zehs aktuellem Roman „Neujahr“ nicht werden. Da erscheinen unter der Sonne Schatten der Vergangenheit.

Es ist der Neujahrsmorgen. Henning, der Familienvater, bei dem es eigentlich so halbwegs läuft, ist mit dem Fahrrad unterwegs in die Berge – und denkt nach über das, was war, was ist, vielleicht noch kommen wird. Eine Mittelschichtsfamilie, die üblichen Problemchen. Aber auch regelmäßige Panikattacken. Henning ist erschöpft, landet in einem Haus oberhalb eines Bergdorfs, wird von einer Frau empfangen – mit einfühlenden Worten.

Dann die Déjà-vus. War er nicht schon einmal hier, als kleiner Bub mit seiner Hippie-Mutter? Und der Gärtner, den er mit ihr im Bett erwischte? Und wie war das mit seiner kleinen Schwester Luna, um die er sich kümmern musste, als die Geschwister auf einmal allein in diesem Haus waren? Verlassen von den Eltern?

Dieses Trauma aus der Kindheit begleitet die beiden fortan, gesprochen wird darüber jedoch nicht. Zeh erzählt von dem Sich-Stellen. Ein schnörkelloser Stil, etwas Küchenpsychologie, Reflexionen über das Zusammenleben, ein bisschen Thriller obendrauf. Doch leider auch eine ziemlich erwartbare Gegenwartsanalyse.

Neujahr
von Juli Zeh
Verlag: Luchterhand, 2018
192 Seiten, gebunden
Preis: 20,00 Euro