Amerika von unten: Ich bin ein Schicksal Kultur | 19.09.2019 | Dominik Bloedner

Ich bin ein Schicksal Buchcover

„Weinen ist auf Minimum zu beschränken.“ Diese unmissverständliche Aufforderung steht da im Besucherraum des Frauengefängnisses Stanville in der kalifornischen Einöde. Doch Romy Hall bekommt keinen Besuch mehr. Von wem auch?

Ihre Mutter, die sie einst nach der grandiosen wie unglücklichen Schauspielerin Romy Schneider genannt hat, ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, Romys kleiner Sohn Jackson lebt irgendwo bei einer Pflegefamilie und wird dort hoffentlich nicht missbraucht, ihr selbst wurde das Sorgerecht ja entzogen – schließlich wird sie nie wieder etwas anderes als einen Knast sehen. Verurteilt wurde Romy, weil sie einen Stalker, den sie in einem Striplokal als Kunden hatte, erschlug. Keine Gnade. Nun auch nicht für sie. Und im Gefängnis überleben nur die Starken. Aber was heißt das schon: Leben?

„Ich bin Schicksal“, der neue, beklemmend wie lesenswerte Roman der Bestsellerautorin Rachel Kushner, die mit „Flammenwerfer“(2015)auch hierzulande für Furore sorgte, ist ein Blick auf das Amerika von unten: Auf den sogenannten „White Trash“, dem Romy entstammt, auf ein von Drogensucht, Gewalt und liebloser Triebabfuhr gezeichnetes Leben, in dem schon Zwölfjährige für ihre süchtige Mutter anschaffen. Romy wollte ein normales Leben mit Familienpicknicks und solchen Sachen. Es war ihr, wie so vielen Insassinnen in den USA, nicht vergönnt.

Ich bin ein Schicksal Buchcover

Ich bin ein Schicksal
von Rachel Kushner a. d. Amerikanischen von Bettina Abarbanell
Verlag: Rowohlt, 2019
396 Seiten, gebunden
Preis: 24 Euro