Buch-Rezi: Streulicht – Ungeschminkte Milieustudie Kultur | 02.11.2020 | Dominik Bloedner

streulicht

Da ist dieser Industriepark: ein riesiges Areal verschiedener Fabriken, Berge von Kohle und jede Menge hohe Schornsteine, die nachts leuchten, damit kein Flugzeug dagegen fliegt. Der in die Luft geblasene Wasserdampf kehrt als klebriger Industrieschnee an den Boden der umliegenden Gemeinden zurück – dort, wo das Leben sich von der grauen Seite zeigt.Hier wächst die Ich-Erzählerin in Deniz Ohdes bemerkenswertem Debütroman „Streulicht“ auf, der es zu Recht bis auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis geschafft hat.

Es ist ein Leben, das von Ausgrenzung und Entsagungen geprägt ist. Vater und Großvater sind Trinker, die Mutter kommt aus einem 500-Seelen-Dorf irgendwo am Schwarzen Meer, und die Protagonistin erfährt täglich aufs Neue, wie es als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund ist, nicht dazuzugehören. Wie es ist, keine Freundin mit nach Hause nehmen zu können, weil das die Eltern nicht mögen und weil sich das Mädchen schämt für die Unordnung, den Zigarettenqualm und die Tristesse in den eigenen vier Wänden.

Wie es ist, von Mitschülern mit fremdenfeindlichen Wörtern beschimpft zu werden. Und wie es ist, sich dennoch durchzubeißen und vom schulischen Erfolg dann aber nichts zu haben – außer einer inneren Leere. Deniz Ohde ist mit ihrem Bildungsroman eine präzise, eine ungeschminkte Milieustudie gelungen.

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Streulicht
von Deniz Ohde
Verlag: Suhrkamp, 2020
286 Seiten, gebunden
Preis: 22 Euro