„Das ist eine tolle Sache“: Theater-Intendant Peter Carp über kleine Häuser und großes Kino Kultur | 16.10.2018 | Stella Schewe

Mit einem fulminanten Eröffnungswochenende ist Peter Carp in seine zweite Spielzeit als Intendant des Theater Freiburg gestartet. Zeit, zurück- und nach vorne zu schauen: Im Gespräch mit cultur.zeit-Redakteurin Stella Schewe erzählt der gebürtige Stuttgarter über seinen Start in Freiburg, über die neue Spielzeit und Millionen-Investitionen.

cultur.zeit: Herr Carp, wenn Sie auf Ihre erste Saison in Freiburg zurückschauen: Wie wurden Sie und Ihr Ensemble aufgenommen?
Carp: Ich empfinde die Freiburger als sehr kommunikativ und fühle mich gut aufgenommen. Ich werde auch öfter angesprochen, manchmal auf der Straße von Menschen, die ich gar nicht kenne und die mir sagen: „Das und das haben wir gesehen, das fanden wir ganz toll.“ Das heißt nicht, dass die Leute von allem begeistert sind. Aber ich habe den Eindruck, dass das Haus und das, was wir hier tun, wahrgenommen wird.

cultur.zeit: Sie leiten zum ersten Mal ein Mehrspartenhaus. Was bedeutet das für Sie?
Carp: Es bedeutet drei Mal so viele Menschen, die an dem Haus beschäftigt sind, drei Mal so viele Premieren und einen Etat, der drei Mal so groß ist. Zum Glück bedeutet es nicht drei Mal so viele Arbeitsstunden (lacht). Für mich als Intendant ist es natürlich sehr spannend.

cultur.zeit: In Ihrer ersten Spielzeit wollten Sie das Theater auf „Weltempfang“ stellen – so jedenfalls lautete das Motto. Ist Ihnen das gelungen?
Carp: Ja, in vielen Punkten hat das Theater als Weltempfänger gut funktioniert. Diesen Weg setzen wir jetzt fort. Auch dieses Mal haben wir sehr viele internationale Künstlerinnen und Künstler bei uns im Programm und eingeladen.

International und im Austausch – Theater als Weltempfänger

cultur.zeit: Gibt es für die neue Theatersaison auch ein Motto?
Carp: Der Weltempfänger war nicht nur für eine Spielzeit gedacht, sondern ist nach wie vor aktuell. Er gilt für die gesamte Intendanz und steht für alles, was wir hier tun.

cultur.zeit: Kürzlich hatte Tschaikowskys „Eugen Onegin“ Premiere, bei dem Sie Regie geführt haben. Warum haben Sie dieses Stück ausgewählt?
Carp: Weil es eine tolle, sehr emotionale Geschichte ist. Es handelt von Projektionen und Enttäuschungen, von verpassten Gelegenheiten und falschen Erwartungen. Und da hat doch jeder, der sich vor dem Leben nicht völlig in Acht nimmt, Erfahrungen gesammelt. Zum anderen können wir diese Sehnsuchts- und Liebesgeschichte der vier jungen Menschen großartig und altersadäquat aus dem Ensemble heraus besetzen.

In die zweite Spielzeit gestartet: Intendant Peter Carp

cultur.zeit: Welche Stücke der neuen Spielzeit würden Sie den Zuschauern noch ans Herz legen?
Carp: Als Theaterleitung natürlich am liebsten alle. Interessant wird sicherlich das Nibelungenlied aus Sicht des slowenischen Theaterregisseurs Jernej Lorenci. Er baut aus dem Mythos ein großes Sprach-Klang-Bühnen-Gesamtkunstwerk – das wird bestimmt eine sehr ungewöhnliche Arbeit mit großer Kraft. Dann würde ich die „Bartholomäusnacht“ von Ewelina Marciniak empfehlen, jener Regisseurin aus Polen, die Shakespeares „Sommernachtstraum“ inszeniert hat. Und zum Ende der Spielzeit wird Amir Reza Koohestani „Die Küche“ auf die Bühne bringen. Ein Stück von Arnold Wesker, das in den späten Fünfzigerjahren in einer Großküche in London spielt. Dort arbeiten nur Migranten, darunter hauptsächlich Deutsche, die vor den Nazis geflohen oder nach 1945 nach England zum Arbeiten gegangen sind. Ich bin sehr gespannt, was der iranische Regisseur daraus macht.

cultur.zeit: Und was erwartet uns beim Musiktheater?
Carp: Zum einen „Hulda“, eine große Oper von César Franck. Sehr politisch und aktuell inszeniert. Das wird sehr aufwendig, großes Kino, würde ich sagen. Spannend wird es auch, wenn die polnische Bühnenkünstlerin Katarzyna Borkowska sich mit „Don Giovanni“ auseinandersetzt, weil sie eine sehr starke Bildsprache hat.

cultur.zeit: Wie haben sich die Zuschauerzahlen entwickelt, seit Sie hier sind?
Carp: Noch liegen uns keine endgültigen Zahlen vor, aber unsere erste Spielzeit war ungefähr so wie die letzte von Barbara Mundel – da waren es 176.000 Besucher. Allerdings haben wir einen Monat später angefangen, hatten also weniger Spielzeit. Bei den Abos hatten wir eine Steigerung von etwa fünf Prozent.

cultur.zeit: Sie haben mit der Stadt eine Zielvereinbarung geschlossen, die besagt: In den nächsten 15 Jahren investiert die Stadt 25,5 Millionen Euro ins Stadttheater. Wofür brauchen Sie das Geld?
Carp: Also zunächst bekommen wir innerhalb der nächsten fünf Jahre zehn Millionen Euro für die Sanierung und Modernisierung des Kleinen Hauses. In den zehn Jahren darauf fließen weitere 15,5 Millionen Euro in die Bestandswahrung des Altbaus.

Wieder im Programm: Shakespeares „Sommernachtstraum“

cultur.zeit: Ist diese Vereinbarung für Sie eine Erleichterung?
Carp: Ich finde, das ist eine tolle Sache, weil sich beide Seiten verpflichten. Wir verpflichten uns, innerhalb der nächsten fünf Jahre die Vorgabe von 200.000 Zuschauern zu erreichen. Und die Stadt, indem sie das Theater unterstützt und den Ausgleich der Tariferhöhungen garantiert. Das ist ein Riesenschritt für uns, denn Häuser, die das nicht bekommen, werden durch die Kontinuität der Tariferhöhungen langsam runtergespart. In der Gemeinderatssitzung, in der das beschlossen wurde, war durch alle Parteien und Gruppen hinweg eine große Solidarität mit dem Theater zu spüren. Es war ja eine einstimmige Entscheidung und das hat uns gutgetan.

cultur.zeit: Würden Sie Ihren Job als hart bezeichnen?
Carp: Er ist zeitintensiv. Meist habe ich ja auch kein freies Wochenende, weil da Premieren und Vorstellungen sind. Ich denke, man muss den Beruf mit einer großen Begeisterung machen, sonst macht es keinen Sinn. Man wird da so ein bisschen manisch und freut sich über alle Aufgaben, die da auf einen zukommen. Dann macht es Spaß und man hat vielleicht auch die Chance, gut zu sein.

cultur.zeit: Gehen Sie selbst gerne ins Theater, etwa in anderen Städten?
Carp: Ja, ich schaue mir gerne andere Stücke an. Und ich betrete diese Gebäude einfach gerne. Manchmal zweifle ich vorher und frage mich: „Will ich mir das wirklich anschauen?“ Aber sowie ich ins Foyer komme, habe ich schon gute Laune. Ich bin, glaube ich, ein super Zuschauer. Ich mag diese Stimmung, wenn alle gemeinsam etwas erwarten und anschauen und danach vielleicht darüber reden. Diese leichte, kommunikative Aufgeregtheit, die finde ich toll.

Fotos: © Tim Reimann; Britt Schilling,