Musik für morgen: Das Duo „Willman“ macht Elektro-Pop Kultur | 06.04.2021 | Till Neumann

Felix Birsner und Julia Lauber Newcomer: Felix Birsner und Julia Lauber veröffentlichen seit September in kleinen Häppchen ihr Debütalbum.

Seit September gibt es Willman. Und seit dem Monat veröffentlichen die zwei Musiker aus Freiburg häppchenweise ihr Debütalbum. Die Pop-Songs mit deutschen Texten sind gesellschaftskritisch, sollen Denkanstöße liefern.

Wie soll dein morgen sein? So heißt das erste YouTube-Release von Willman. Sängerin Julia Lauber (22) und Producer Felix Birsner (27) überlassen dafür anderen das Wort: 44 Menschen haben sie befragt. Fünf Wochen sind sie dafür „durch Stadt und Land gelaufen“. Entstanden ist ein Potpourri aus kleinen und großen Visionen: Ein Kind wünscht sich, dass es auch in Zukunft Schneemänner bauen kann. Fridays for Future-Aktivisten fordern Klimaneutralität. Eine ältere Dame hofft auf eine leisere und langsamere Welt.

Warum nicht selbst das Wort ergreifen? „Der erste Song soll zeigen, welche Themen uns beschäftigen“, erklärt Lauber beim Zoom-Interview aus ihrer gemeinsamen Wohnung in Freiburg-Kappel. Denn um diese Zukunftsfragen gehe es auch in ihrer Musik. Ein doppeltes Statement also: Willman wollen Themen setzen. Und sie wollen Antworten finden. Es geht um Rassismus, vegetarische Ernährung, gleichgeschlechtliche Liebe oder Bildung.

Vom Recording bis zu den Videodrehs – alles ist selbst gemacht.

Dass Willman auch texten können, haben sie im zweiten Release gezeigt: „Farben“ heißt die Single, erschienen im November. „Es ist leicht, anders zu handeln, wenn man nicht die Folgen trägt“, singt Lauber. Und zählt noch viele weitere vermeintlich einfache Momente auf. Dazu gibt’s einen elektronischen Beat, der federleicht-fordernd nach vorne geht. Eine Produktion, die im Chorus etwas mehr Raffinesse vertragen könnte, aber im Ohr bleibt.

Julia Lauber singend am Mikrofon

Sängerin Julia Lauber

„Tolles Video, tolle Stimme, toller Text“ heißt es in den Kommentaren. Die ersten Fans sind also da. Und Willman wirken für einen Newcomer ziemlich weit. „Eineinhalb Jahre haben wir bis zum Start herumgedoktert“, erzählt Lauber. Die Soziologie-Studentin hat Drummer und Produzent Felix Birsner eigentlich für ihr geplantes Soloprojekt kennengelernt. Daraus wurde dann aber ein Duo. Gemeinsam haben sie seitdem nicht nur Songs geschrieben und aufgenommen, sondern auch jede Menge Marketing-Videos angeschaut und sich ein Release-Konzept überlegt: Nicht alles auf einmal raushauen, sondern scheibchenweise.

„So kriegen wir zu jedem einzelnen Song Feedback“, berichtet Birsner. „Einzelne Songs werden sonst oft verschluckt“, ergänzt Lauber. Lange hätten sie gehadert, was der richtige Weg sei. Am Ende war aber klar, es so zu machen. „So können wir jeden Monat darauf aufbauen“, berichten die beiden. Vieles verlagere sich in Pandemie-Zeiten eh auf Social-Media-Kanäle.

Bisher mache sich das etwas andere Release bezahlt, finden sie. Follower kämen mit jeder Veröffentlichung hinzu. Und sie können spontan reagieren. So ist jetzt noch nicht klar, was die nächste Single ist – und wie das Video dazu aussieht. Ob es am Ende stattliche zwölf Videos gibt? Auch das wissen sie nicht.

Viel Aufwand, wenig Kosten

Do it Yourself lautet die Devise. Von Aufnahmen bis zu den Videos machen sie alles selbst. Lediglich einmal haben sie einen Kameramann dazugebucht. Jede Menge Geld sparen die beiden so. Müssen aber umso mehr Zeit reinstecken. „Es ist schön, die Dinge in der Hand zu haben und es macht richtig Spaß, sich da reinzufuchsen“, sagt Birsner. Während andere Zehntausende Euro in Albumproduktionen investieren, sind es bei ihnen nur Bruchteile. Dafür spielt ihre Musik aber finanziell noch nichts ein. Über Wasser hält sich Birsner, der mal Musik-Student an der privaten Hochschule Macromedia war, mit Schlagzeugunterricht. Außerdem sind die beiden nebenher als Event-duo mit Coversongs unterwegs.

Als Willman wollen die zwei ihr eigenes Ding aufbauen. Ihre Musik soll Denkanstöße liefern. Wie viel sie damit verändern können? „Wir haben keine endgültige Antwort auf die Frage, wie viel Musik bewegen kann“, sagt Lauber. Nur so viel weiß sie: „Das macht viel mit den Köpfen.“ Über den Tellerrand schauen wollen sie. Menschen connecten und eine Community schaffen. Man gehe nach einem guten Konzert mit einem neuen Gedanken nach Hause, findet Birsner. Radioschnulzen gebe es schon genug. Lieber hören sie Deutschpop von Mine oder Enno Bunger.

Bis zum Sommer wollen die beiden alle Songs ihres namenlosen Albums veröffentlicht haben. Dann hoffen sie, es auch mal live präsentieren zu können. Denn bisher haben sie keinen einzigen gemeinsamen Auftritt gespielt. Ob sie dafür überhaupt bereit sind? In einer Woche nicht, sagen sie. Aber vielleicht in zwei.

Steckbrief

Name: Julia Lauber
Alter: 22 Jahre
Spezialgebiete: Gesang, Songwriting, Videografie
Hört gerne: z.B. Melane/MC Scolar, Mine, Phil Siemers
Schaltet aus bei: allen Songs, die bestehende Hierarchien, Machtstrukturen und ismen reproduzieren. Kultur schafft so viel davon, was als „normal“ bezeichnet und empfunden wird.
Das inspiriert mich: viel! Um nur mal ein paar tolle Menschen zu nennen: Alice Haruko, Imeh Ituen, die FLUSS Kampagnen, (…)

Steckbrief

Name: Felix Birsner
Alter: 27 Jahre
Spezialgebiete: Schlagzeug, Recording/Mixing, Producing, Licht
Hört gerne: Mine, Enno Bunger, Sigrid
Schaltet aus bei: einer Piccoloflöte
Das inspiriert mich: meine Umwelt und Schokolade

Fotos: © Willman