Neapel oder das Schweigen der Sirene: Auf dünnem Erdboden Kultur | 20.07.2020 | Erika Weisser

Neapel Buchcover

„Straflos konnte darüber kein Vogel die Flügel schwingen zum Flug, so giftig ergoss sich der Hauch aus den schwarzen Schlünden empor.“ So zitiert Marc Buhl in „Neapel oder Das Schweigen der Sirene“ den römischen Dichter Vergil (70–19 v.u.Z.).Gefunden hat der Freiburger Autor diese drastische Beschreibung der Landschaft um den Vesuv in einem Baedeker aus dem Jahr 1911.

Wie und wann das mehr als 100 Jahre alte, mit etlichen Notizen des Vorbesitzers versehene „Handbuch für Reisende“ in seine Bibliothek geriet, weiß Buhl nicht mehr. Doch als es ihm beim Katalogisieren derselben plötzlich „gut in der Hand“ liegt, beschließt er, selbst auf Entdeckungsreise in Neapel zu gehen und dabei den Anmerkungen seines Vorgängers zu folgen.

Er findet Landstriche am Meer, die dieser noch malerisch nannte, die jedoch längst zerstört sind: durch inzwischen wieder stillgelegte Industrieanlagen. Er betritt Erdboden, der so dünn ist, dass er „kaum wagte, fest aufzutreten“. Er begegnet Einheimischen, deren Stimmen so klingen, „als hätten die Dämpfe sie schon vor Jahren zersetzt“.

Er taucht ein in die Geschichte und die nicht immer auf den ersten Blick sichtbare Schönheit dieser widersprüchlichen Stadt. Und legt ein faszinierendes Buch vor, das seinerseits zur Entdeckungsreise anregt. 

Neapel Buchcover

Neapel oder das Schweigen der Sirene
von Marc Buhl
Fotografien: Christian Seeling
Verlag: Corso 2019
200 Seiten, gebunden
Preis: 24,90 Euro