Von Freiburg in die Welt: zu Besuch bei Jazzhaus Records Kultur | 26.03.2019 | Till Neumann

Ihre CD „Süden 2“ steht seit Wochen in den Charts. Stars wie Fools Garden und Lokalmatadoren à la Otto Normal arbeiten mit ihnen zusammen. „Am wenigsten bekommen davon vielleicht die Freiburger mit“, sagen die Macher von Jazzhaus Records – Michael Musiol (links) und Thorsten Ilg (rechts). Dem chilli erzählen sie von guten Kontakten, einer sich wandelnden Branche und hochkarätigen Künstlern.

In einem Wiehre-Hinterhof geht’s durch ein Treppenhaus in den ersten Stock. Im Großraumbüro werkeln etwa zehn Angestellte an ihren Schreibtischen zwischen CD-Regalen und Rechnern. Im Besprechungszimmer von Jazzhaus Records sitzen die beiden Chefs, Thorsten Ilg (42) und Michael Musiol (55). Dass sie am Vorabend bis in die Nacht hinein beim hauseigenen Nachwuchswettbewerb „Rampe“ waren, sieht man ihnen nicht an. Die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem sind fließend. „Wir zählen hier nicht die Stunden“, sagt Musiol. Labelarbeit und Showgeschäft heißt Leidenschaft, Leiden mit inbegriffen.

Würden sie nicht dafür brennen, wären sie nicht hier. Die Motivation holen sie sich über musikalische Vielfalt: „Wir haben eine große Spannbreite und wollen diese Offenheit, so macht es mehr Spaß“, sagt Musiol. Auch wenn der Name Jazzhaus Records anderes assoziiert: Ihre Künstler decken von Blues über Folk, Chanson, Hip-Hop oder Chöre viele Genres ab. Nicht einfach sei es, mit so vielen Bällen zu jonglieren. „Aber gut für die Motivation“, sagt Thorsten Ilg und lacht. „Das ist die Politik im Jazzhaus, ein komplizierter Weg“, ergänzt Musiol.

Eigene Spielstätte: Das Jazzhaus bietet nicht nur Label-Künstlern eine Bühne.

Der 55-Jährige hat aus dem Verein Jazzhaus e. V. im Jahr 2001 die Jazzhaus GmbH gemacht. Freiburgs vielleicht schönste Bühne stand vor dem Aus, er hat sie gerettet. Seit 2005 betreibt er das Label Jazzhaus Records – mit einer seltenen Ausgangslage: Die Firma vereint Bühne, Booking und Plattenfirma unter einem Dach – und schöpft so Kraft aus Synergien. „Eine eigene Spielstätte zu haben, ist für eine Plattenfirma eine Ausnahme“, sagt Musiol. In Zeiten, in denen viele Labels dichtmachen, könne das Jazzhaus sogar wachsen. Geld verdiene man vor allem mit dem Livebereich. Über das Booking werden Kontakte gepflegt und Künstler auch für weitreichendere Zusammenarbeiten an Land gezogen. 13 Mitarbeiter hat die Jazzhaus GmbH mittlerweile.

Grund zum Jubeln gibt’s ausreichend: Das italienisch-bayerische Album „Süden 2“ steht seit vier Wochen in den deutschen Charts. Die Kollaboration ihres italienischen Liedermachers Pippo Pollina mit den bayerischen Musikern Werner Schmidbauer und Martin Kälberer kletterte bis auf Platz 18 – einer der bisher größten Erfolge für Jazzhaus Records.

Der Sizilianer Pollina ist die Erfolgsstory schlechthin der Independent-Plattenfirma aus Freiburg: Über ein Konzert im Jazzhaus vor vielen Jahren lernte man sich kennen. Die Freiburger übernahmen das Konzertbooking für ihn. Erst viele Jahre später entschied er sich für eine umfassende Zusammenarbeit mit Ilg und Musiol. Mittlerweile ist er international gefeiert und landete mit der Platte „Il sole che verrà“ 2017 einen Chart-Erfolg.

Pete von Otto Normal

Mit der Pforzheimer Britpop-Band Fools Garden stehen Weltstars unter Vertrag. Ihre Mission sehen Ilg und Musiol aber im Lokalen: „Wir wollen Freiburg fördern, das ist ein Auftrag.“ Die Indie-Formation „Brothers of Santa Claus“ ist im Programm, genau wie die Urban-­Pop-Gruppe „Otto Normal“. Kurze Wege und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe schätzt deren Frontmann Peter „Pete“ Stöcklin. Vergangenes Jahr stieg seine Band aus einem großen Deal mit Sony aus – und entschied sich für Jazzhaus Records: „Wir fühlen uns ziemlich wohl“, sagt Stöcklin.

Jazzhaus Records wolle ihnen ein musikalisches Zuhause geben, das funktioniere. „Sie bringen Ideen ein, geben uns aber relativ viel Freiheit“, sagt Stöcklin. Die kurzen Wege schätzt er: „Ich laufe fünf Minuten rüber, trinke ein Käffchen im Büro, bequatsche ein paar Sachen.“

Cecile Verny

Auch die Freiburger Sängerin Cecile Verny ist angetan. Sie mag, dass die Verantwortlichen „nah und erreichbar sind“. Man gehe anders miteinander um, wenn man sich samstags auf dem Markt treffe. Jazzhaus Records sei ein „Go local“ mit einer internationalen Struktur hintendran. „Vieles wird mit drei Mails und einem Telefonat besprochen. Ein direkter und effektiver Weg“, lobt Verny.

Rund 20 Künstler stehen derzeit unter Vertrag. Ihnen möchten Ilg und Musiol eine faire und kollegiale Zusammenarbeit bieten. „Man muss sich riechen können“, sagt Ilg, der hauptverantwortlich für die Bands ist. Musiol leitet dafür das Liveprogramm. 160 Platten haben sie bisher rausgebracht. Und sich ein großes Netzwerk aufgebaut. „Wir sind oft auf Messen, hyperaktiv in vielen Bereichen“, erzählt Musiol. Jeder ihrer Musiker profitiere davon.

Auch wenn viele Freiburger vom Label nichts wüssten, in Künstlerkreisen ist die Adresse bekannt: „Rund fünf Bandanfragen erreichen uns wöchentlich“, erzählt Ilg. Der Anspruch sei, alles zu hören und Feedback zu geben. Das klappe zwar nicht immer, man freue sich aber über jede Einsendung. Für spannende Bands wollen sie eine spannende Plattform sein. Bieten können sie Knowhow und Kontakte aus fast 15 Jahren Labelarbeit. Klappen soll so, wovon viele träumen: Eine Karriere von Freiburg, raus auf die Bretter der Welt.

Michael Musiol

Funktion: Geschäftsführer
Hört am liebsten: viele neue Veröffentlichungen, die für das Jazzhaus spannend sein könnten
Schaltet ab bei: Schlager
Seine erste CD: Beatles
Mag außer Musik: Reisen, Radfahren & Fußball

Thorsten Ilg

Funktion: Labelmanager
Hört am liebsten: Jamiroquai   
Schaltet ab bei: Wham! – Last Christmas
Seine erste CD: Rage against the machine
Mag außer Musik: gutes Essen  

Fotos: © Till Neumann & Chris Klos