Uni-Besetzung beendet: Rektorin Krieglstein äußert Unverständnis zu Klima-Blockade Szene | 27.06.2022 | Johanna Stortz & Till Neumann

Findet Klimaschutz wichtig, aber eine Blockade falsch: die Rektorin der Uni Freiburg Kerstin Krieglstein

Eine Woche lang haben Studierende den Hörsaal 1010 der Freiburger Uni besetzt. Seit dem heutigen Montag ist die Klima-Blockade beendet. Die Gruppe „Transformationsuni 2.0“ trifft sich nun mit der Unileitung zu Gesprächen. Schon am Donnerstag äußerte sich Rektorin Kerstin Krieglstein (58) gegenüber der chilli-Autorin Johanna Stortz zur Blockade. Sie teilt das Anliegen, verurteilt aber die Art des Protests.

„Kein probates Argument“

„Ich bin der Meinung, dass eine Hörsaalbesetzung kein probates Argument ist im enorm wichtigen Austausch zu Klima- und Nachhaltigkeitsfragen“, sagt die Rektorin. Sie befürworte den Dialog dazu über alle Ebenen hinweg und ein faires Miteinander. Und genau diese Art von Austausch sei bereits mehrfach angeboten worden und stehe auch jetzt noch zum Angebot.

Macht die Uni zu wenig für den Klimaschutz? „Nein“ kontert die Rektorin. „In Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben wir schon immer eine Vorreiter-Rolle gehabt – genau da, wo unsere Aufträge liegen: in der Forschung, in der Lehre, im Transfer von Wissen in die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und als Institution.“ Das spiegele sich unter anderem wieder in den intensiven Forschungen zu Ökosystemen, Energiesystemen und Transformationsprozessen bis hin zur Entwicklung von sozialen und technischen Innovationen – ebenso in den vielfältigen Angeboten für Studierende, etwa dem universitätsweiten Nachhaltigkeitszertifikat. Es gäbe also eine ganze Reihe von Forschungsschwerpunkten, die enorm dazu beitrügen, dass die Universität in vielen Bereichen zu einem besseren Umgang mit der Nutzung natürlicher Ressourcen käme. „Das alles ist an unserer Universität fest integriert. Man kann aber immer noch besser werden und das ist auch unser Anspruch“, betont die Rektorin.

„Großartige Initiativen“

Gerade sei die Universität dabei, zusammen mit Karlsruhe ein Helmholtz-Institut zu beantragen und aufzubauen. Es soll der Weiterentwicklung von Städten für eine nachhaltige Zukunft auf den Grund gehen. „Hier geht es auch um den Einsatz von KI und Modellierung von Städten oder Stadtteilen“, sagt Krieglstein. Beispielsweise werde erforscht, wie mit Wärmelasten besser umgegangen werden kann und wie man Energie effizienter nutzen kann. „All das sind Themen, die hier gut verankert und auch relevant für die Weiterentwicklung der Gesellschaft sind“, erklärt Krieglstein.

Besetzung Hörsaal

Protest im Hörsaal: Die Aktivist·innen von Transformationsuni 2.0

Darüber hinaus habe die Universität etwa großes Interesse, mit Chemikalien und Ressourcen besonders effizient umzugehen und natürlich auch CO2 zu sparen. „Da gibt es zum Beispiel großartige Initiativen, die sich seit langem damit befassen, chemische oder Kühlaggregat-Abfälle wieder zu regenerieren, damit sie für andere Bereiche wieder als Ausgangsmaterial einsetzbar sind“, so die Rektorin. Diese Gruppe habe sich auch dafür interessiert, wie wir Energie effizienter nutzen können. Es sei zudem ein Klimaschutzkonzept für die Universität entwickelt worden, das im Dezember vom Rektorat und zwei Monate darauf im Senat verabschiedet wurde. Das schließe zum Beispiel ein Solarkraftwerk mit ein.

Es fehlt am Geld

„Unser Problem ist jedoch, dass für all das, was hier an Geld investiert und gebaut werden muss, das Land zuständig ist“, betont Krieglstein. An dieser Stelle sei die Universität handlungsunfähig. Für all das, was an Investitionen notwendig sei, um größere Projekte zu realisieren und um noch klimaeffizienter zu werden, werde das Land benötigt. „Wir können die Vorschläge machen, wir können sie durchrechnen, wir können sie so praktikabel wie möglich darstellen. Das haben wir gemacht und das Land war von unserem Klimaschutzkonzept begeistert, aber jetzt muss von dort das Geld bereitgestellt und auch die baulichen Dinge begleitet werden.“

Auch daher empfindet sie jeglichen Vorwurf in Sachen Klimaschutz eigentlich als ungerechtfertigt. „Aber man kann immer noch besser werden. Das steht ganz außer Frage“, betont sie. Sie verstehe, dass es den Klimaaktivist·innen auch um die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft zu Nachhaltigkeits- und Klimathemen gehe. Das sei natürlich auch ein Aspekt, der sehr stark von der Universität betrieben werde. Es gäbe beispielsweise zahlreiche dialogische öffentliche Veranstaltungen, wie etwa eine aktuelle Veranstaltungsreihe des Studium generale der Universität mit der Volkshochschule Freiburg zum Thema Klimawandel. 

„Unterstützen das Ganze sehr“

Krieglstein setzt daher auf Gespräche: „Wir würden sehr gerne den Dialog mit der Gruppe weiterführen, der ja auch direkt von Anfang an begonnen hatte. Und wir hoffen auch nach wie vor, dass es zu einem Dialog kommt, denn von der Sache und vom Anliegen her unterstützt die Universität Freiburg das Ganze natürlich sehr.“ Die Universität müsse sich in die öffentliche Debatte einmischen. Dafür führe sie viele Gespräche zu Nachhaltigkeitsthemen mit politischen Entscheidungsträger·innen von der kommunalen bis hin zur internationalen Ebene. Das stehe nicht im Widerspruch zu ihrer politischen Neutralität.

Nur politische Entscheidungen treffen dürfen Hochschulen nicht, das müsse ausschließlich in den Händen der Politik bleiben. Die Uni habe zudem die Gesetze zu achten und politisch neutral zu sein, aber die Sache stünde außer Frage. Krieglstein: „Diese ist, glaube ich, die DNA der Universität Freiburg.“

Besetzung aufgelöst

Die Gruppe Transformationsuni 2.0“ hat die Blockade des Hörsaals 1010 am Montagmorgen (27.6.22) beendet. Im Gegenzug gibt es am heutigen Montag ein Gespräch mit der Universitätsleitung. „Ab jetzt steht die Universitätsleitung für den inhaltlichen Austausch zur Verfügung“, meldet die Uni-Pressestelle. Der Austausch sehe zudem die weitere Arbeit am Thema und die Teilnahme von Vertreter·innen der Gruppe an universitären Gremien-Sitzungen vor. Die Universität weist zudem „einmal mehr darauf hin, dass die Besetzung von Räumen ein Rechtsbruch und damit als Grundlage für eine inhaltliche Arbeit nicht akzeptabel ist“. Sie dankt der Gruppe „Transformationsuni 2.0“ für ihr Einlenken.

Die Aktivisten fordern unter anderem, dass die Uni den sozial-ökologischen Notstand ausruft (wir berichteten). „Transformationsuni 2.0“ hatte am Montagabend, 20. Juni, im Nachgang eines Vortrags des Klimaforschers Volker Quaschning den Hörsaal 1010 im Kollegiengebäude I der Universität Freiburg besetzt. Noch am selben Abend und dem Folgetag fanden laut Universitätsleitung „sehr offene und konstruktive Gespräche“ statt. Ein weiteres Gesprächsangebot der Universität Freiburg für Mittwoch, 22. Juni, habe die Gruppe nicht angenommen. Sie habe den Hörsaal nicht bis zur genannten Frist (Mittwoch, 12 Uhr) verlassen, was Voraussetzung für die Fortführung dieses und weiterer Gespräche gewesen sei. Am Freitag, 24. Juni, habe sich die Gruppe dann bereiterklärt, den Hörsaal bis Montagmorgen, 10 Uhr, freiwillig zu verlassen und damit in den weiteren inhaltlichen Austausch mit der Universität einzutreten.

Fotos: © Universität Konstanz, Pascal Lienhard

„Wir sind verzweifelt“: Klimaaktivisten besetzen Freiburger Hörsaal