Sicher gebären in (fast) jedem Alter Bauch & Baby | 05.06.2023 | Reinhold Wagner

Schwangere auf Bett

Nicht immer kommt jeder Schritt im Leben in der gewünschten Reihenfolge und mit dem passenden Abstand zueinander. Manchmal verschieben sich Kinderwunsch und Familienplanung von Anfang an weit nach hinten und erreichen einen späteren Lebensabschnitt als noch bei den eigenen Eltern und Großeltern. Neue Partner, neue Lebensumstände, das Erreichen einer gesicherten Existenz können das Wunschkind wieder an die erste Stelle setzen, auch in höherem Alter.

Jetzt drängen sich Fragen auf wie: „Sind wir als Eltern noch jung genug? Auf welche erhöhten Risiken müssen wir uns möglicherweise einstellen?“ Für Gynäkologen und Hebammen kommen all diese Fragen und eventuellen Sorgen nicht von gestern auf heute. Sie haben sich längst auf die neue Situation eingestellt, dass mehr und mehr Eltern ihr erstes Kind mit zunehmendem Alter bekommen. Laut jüngsten Erhebungen des Statistischen Bundesamts lag im Jahr 2021 das Durchschnittsalter der Frauen in Deutschland bei deren Erstgeburt bei 30,5. Im Jahr 1970 lag es noch bei 24,3, seither ist es kontinuierlich gestiegen. Damit sind heute etwa 25 Prozent der werdenden Mütter in Deutschland mehr als 35 Jahre alt. Der Anteil Schwangerer über 40 hat sich seit dem Jahr 2000 sogar mehr als verdoppelt und beträgt heute etwa 5 Prozent.

Dr. Roland Rein, Chefarzt der Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Emmendingen, klärt zunächst auf: „Gemäß Mutterschaftsrichtlinien, die die ärztliche Schwangerenbetreuung in Deutschland regeln, gelten Schwangerschaften von über 35-jährigen Erstgebärenden und von über 40-jährigen Mehrgebärenden als Schwangerschaften mit besonderem Überwachungsbedarf, bei denen mit einem ‚erhöhten Risiko für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind zu rechnen ist‘. Das liegt nicht am Lebensalter der Gebärenden selbst, sondern daran, dass eine 40-Jährige im Vergleich zur 25-Jährigen eher belastende gesundheitliche Faktoren ‚mitbringt‘, die vom betreuenden Frauenarzt beziehungsweise vom geburtshilflichen Team im Kreißsaal berücksichtigt werden müssen.“

Welche erhöhten Risiken das sind, erklärt Rein so: „Angefangen von vermehrt auftretendem Übergewicht und häufigeren vorbestehenden Rückenschmerzen über Medikamenteneinnahme bis hin zu ernsten Erkrankungen. Auch schwangerschaftsspezifische Probleme wie Präeklampsie, eingeschränkte Funktion der Plazenta (sogenannte Plazentainsuffizienz) und Schwangerschaftsdiabetes betreffen ältere Schwangere etwas häufiger.“ Zum Schluss aber weiß er zu beruhigen: Wichtig sei, dass bei der Mehrzahl dieser Schwangerschaften und Geburten alles gut verläuft. Er kann sich in seinem Berufsleben als Frauenarzt und Geburtshelfer an viele problemlose, natürliche Geburten in dieser Altersgruppe erinnern.

An einem konkreten Fall erläutert Rein: „Beispielsweise warten wir, angesichts der etwas größeren Tendenz zur Plazentainsuffizienz, bei einer über 40-Jährigen nicht bis zu zehn Tage nach dem errechneten Entbindungstermin auf den eigenen Wehenbeginn, sondern empfehlen, in Abhängigkeit von den kindlichen Herztönen und der Fruchtwassermenge, die Geburtseinleitung bereits am Entbindungstermin oder wenige Tage danach.“ Doch er gibt auch Entwarnung: „Das höhere Lebensalter stellt übrigens keinen Grund für einen Kaiserschnitt dar.“

Für Chefärztin Dr. Bärbel Basters-Hoffmann vom St. Josefskrankenhaus in Freiburg, das zum Verbund der Artemed Kliniken zählt, „macht es einen großen Unterschied, ob das erste Kind erwartet wird oder bereits zuvor Kinder zur Welt gebracht wurden“. Jeder Fall ist dabei individuell zu betrachten: „So inhomogen die Gruppe der ‚älteren Schwangeren‘, so differenziert und individuell unsere Beratung und Empfehlungen“, sagt sie. „Befunde wie Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes potenzieren das Risiko für eine suboptimale Entwicklung des Mutterkuchens und somit für eine nachlassende oder unzureichende Versorgung des Kindes im Mutterleib, besonders auch in Terminnähe oder bei Überschreitung des errechneten Geburtstermins.“ Vereinbarungen für die Überwachung in der letzten Schwangerschaftsphase, für Geburt und Stillbeginn werden daher frühzeitig getroffen und schriftlich fixiert. „Ferner“, so Basters-Hoffmann, „wird den Frauen angeboten, sich jederzeit niederschwellig bei Unsicherheit oder Besorgnis zu zusätzlichen Kontrollen einzufinden.“ Abschließend aber weiß auch sie zu beruhigen: „Mit diesem Vorgehen nahe an den Frauen gelingt es uns gut, vorhandene Risiken rechtzeitig zu antizipieren und die angemessene Behandlung einzuleiten. Wir vermeiden damit umgekehrt unnötige Interventionen durch eine pauschale Pathologisierung von Schwangerschaften jenseits der 35 Jahre.“

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