Freiburg investiert kräftig in die Museumslandschaft – und erntet Besucherrekorde Kultur | 19.11.2018 | Erika Weisser und Lars Bargmann

Die kleine Großstadt Freiburg lässt sich ihre Museumslandschaft einiges kosten: Zehn Millionen Euro jährlich fließen in Gebäude, in 30 Vollzeitstellen und Ausstellungen. Bald kommt noch eine gute halbe Million dazu: Der Gemeinderat will einmalig 900.000 Euro für die Ersteinrichtung und künftig 540.000 Euro jährlich für ein Dokumentations- und Informationszentrum zur Freiburger NS-Geschichte bereitstellen. „Eine attraktive Museums­landschaft ist ein wichtiger Stand­ort­faktor“, sagt der Leitende Direktor der Städtischen Museen Freiburg, Tilman von Stockhausen.

Ob das neue NS-Dokuzentrum seine Heimat im Rotteckhaus findet, wollte Oberbürgermeister Martin Horn der cultur.zeit nicht sagen. Nach Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach ist es „noch im Rennen“. Es war eine Sonderausstellung im Augustinermuseum, die den Weg dafür bereitet hatte: Die Freiburger NS-Vergangenheit hatte 80.000 Menschen interessiert. Danach gab es einen fraktionsübergreifenden Antrag des Gemeinderats an die Verwaltung, einen solchen Lern- und Erinnerungsort dauerhaft einzurichten. Spätestens in zwei Jahren, so von Kirchbach, soll der fertig sein.

Inzwischen wurde unter Mitwirkung eines aus den jüdischen Gemeinden und mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammengesetzten Planungsbeirats ein Grundkonzept erarbeitet, das der Gemeinderat am 24. Juli einstimmig beschlossen hat. Auf 500 bis 600 Quadratmetern sollen eine Bibliothek, ein Dauerausstellungsraum, ein Bereich für Sonderausstellungen und Seminarräume untergebracht werden, außerdem eine Gedenkstätte für die Opfer der Shoa, in die die Fundamentsteine der Alten Synagoge integriert werden sollen.

Das nächste Treffen von Verwaltung und Beirat ist Ende November, ab Januar ist von Kirchbachs stellvertretende Büroleiterin Kathrin Ellwart mit der Projektverantwortung betraut. Die Mittel sollen im Doppelhaushalt 2019/20 eingestellt werden.

Welche Alternativen zum bereits an die Internationale Studien- und Berufsakademie (ISBA) vermieteten Rotteckhaus geprüft werden, wird erst Ende des Jahres mitgeteilt. Die ISBA würde von ihrem Vertrag, der der Sparkassen- und Stadttochter fwi als Gebäude-Eigentümerin rund 220.000 Euro Jahresmiete gebracht hätte, zurücktreten. Kommt das Dokuzentrum, wird es für die insgesamt 2000 Quadratmeter großen Gebäude auch noch andere Mitmieter geben.

Die fünf bisher schon in städtischer Regie betriebenen Museen sind alles andere als eintönige Aufbewahrungsanstalten für natur-, kunst-, kultur- oder menschheitsgeschichtliche Fundstücke. Umfassende und mitunter sehr kostspielige Umgestaltungs- und Sanierungsarbeiten haben die allesamt in historischen Gebäuden untergebrachten Museen längst aus dem Dornrös­chenschlaf erweckt und in zeitgemäße Häuser verwandelt. Gute mu­seums­pädagogische Konzepte und Veranstaltungen sowie regelmäßige, überregional stark beachtete Sonderausstellungen machen sie zudem zu Orten mit großer Anziehungskraft, die auch auf junge Menschen wirkt.

Wird das Rotteckhaus der Standort für das NS-Dokuzentrum?

So sind die Besucherzahlen im Augustinermuseum, im Museum für Neue Kunst, im Museum Natur und Mensch, im Archäologischen Museum und im Museum für Stadtgeschichte nach Auskunft von von Stockhausen in den vergangenen Jahren „stark gestiegen“: 2016 und 2017 seien Rekordzahlen von jeweils über 300.000 Besuchern erreicht worden. 2014 waren es knapp 250.000, vorher deutlich weniger. Dadurch sind auch mehr Einkünfte erzielt worden: 2017 nahmen die Freiburger Museen durch Eintritte, Verkäufe in den Shops und Drittmittel (Zuwendungen von Förderstiftungen und Sponsoren) immerhin 1,1 Millionen Euro ein.

Diese Summe entspreche „ziemlich genau“ dem im städtischen Haushaltsplan unter dem Titel Sach- und Dienstleistungen eingestellten Ausstellungsbudget, das die „eigentliche kreative Masse in der Museumsarbeit darstellt“: Mit diesem Geld werden alle Ausgaben finanziert, die über die Personalkosten und den Unterhalt der Gebäude sowie deren Dauerausstellungen hinausgehen.

Auch die sehr aufwendigen Sonderausstellungen, die etwa dazu führten, dass die Süddeutsche Zeitung im Januar 2018 schrieb, dass sich das Augustinermuseum zu einer der „aufregendsten Ausstellungsstätten in Deutschland“ entwickle. Das Budget für Sonderausstellungen liegt in Freiburg bei jährlich 300.000 bis 400.000 Euro. Die Fondation Beyeler habe allein dafür etwa das Zehnfache zur Verfügung. Auch im Vergleich zu den Budgets in Karlsruhe oder Stuttgart bewegten sich die Freiburger Kosten „am unteren Rand“.

Von Stockhausen, zugleich Sprecher der Fachgruppe Kunstmuseen und Kulturgeschichtliche Museen im Deutschen Museumsbund, verweist darauf, dass „nahezu alle Museen in Deutschland Zuschüsse für ihren Betrieb erhalten und nicht allein nach wirtschaftlichen Kriterien bemessen werden können“. Museen, sagt er, „haben den Auftrag, das kulturelle Erbe zu bewahren, zu vermitteln und auszustellen. Im Bereich Bewahren lässt sich kein Geld verdienen.“ Ebenso wenig wie „der Bildungsauftrag der Museen kostendeckend zu erfüllen ist“ – zumal Kinder und Jugendliche kostenlosen Eintritt haben.

Die Sonderausstellungen im Augustinermuseum seien zudem ein wirtschaftlicher Faktor für Freiburg, da Besucher nicht nur Geld im Museum ausgeben. Und eine attraktive Museumslandschaft sei ein wichtiger Standortfaktor für die Stadt insgesamt. 

Info: Die nächste Sonder­ausstellung im Augustinermuseum hat das Thema „Faszination Norwegen“. Dort wird Landschaftsmalerei (wie oben) gezeigt, zugleich sind im Haus der Graphischen Sammlung Werke von Edward Munch zu sehen. Sie eröffnet am 8. Dezember und dauert bis 17. März 2019

Fotos: © Lukas Spörl/Museum Kunst der Westküste; ewei