Sieben Tage ohne Plastik: Paulina macht den Selbsttest News & Trends | 01.09.2018 | Paulina Henning von Lange

Ob Obst und Gemüse in Folie, Duschgel und Bodylotion in Kunststoffbehältern, Strohhalme en masse. Plastik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Was für uns Normalität ist, hat für andere fatale Folgen.

Ganze Landstriche und Ozeane versinken in Plastikmüll, Tiere verenden qualvoll an den Abfällen. Mittlerweile lassen sich giftige Plastikpartikel sogar in unserem Blut nachweisen. Ist es auf dem Plastic Planet noch möglich, ohne den täglichen Kunststoffkonsum auszukommen? f79-Autorin Paulina Henning von Lange hat es sieben Tage lang getestet.

Vorbereitung: Easy? Kompliziert.

Als Erstes mache ich mir eine Liste von Dingen, die ohne Schwierigkeiten plastikfrei zu kriegen sind. Dazu gehören vor allem Lebensmittel wie Gemüse, Früchte, Brot oder Milch. Statt unnötiger Verpackungen einfach selber Taschen mitbringen, Aufstriche und Getränke in Gläsern kaufen oder Leitungswasser trinken – easy, denke ich mir. Kompliziert wird es bei Hygieneartikeln und Kosmetik: Zahnpasta? Wird in keinem normalen Supermarkt ohne Plastikverpackung angeboten. Gesichtsreinigung oder Waschmittel? Schwierig.
Im Buch „Leben ohne Plastik“ finde ich viele Tipps und Rezepte. Zur Gesichtsreinigung probiere ich Kokosöl. Außerdem möchte ich Zahnpasta, Waschmittel und Schokocreme selbst herstellen. Im Internet stoße ich auf die Website „No-Waste-For-30-Days“: Drei Freiburger Studenten haben sich gegenseitig herausgefordert, einen Monat plastikfrei zu leben. Sie haben eine Karte für verpackungsfreie Läden in Freiburg veröffentlicht. Danke. Zwei Stunden und eine Rucksackladung Einkäufe später bin ich wieder zu Hause. Die plastikfreie Woche kann kommen.

Da muss Paulina durch: Die selbst gemachte Zahnpasta ist gewöhnungsbedürftig.

Tag 1: Böse Überraschung

Zum Frühstück gibt es Joghurt aus dem Glas, eine Banane und Leitungswasser. Da ich keinen Kaffee trinke, muss ich beim Frühstück noch gar nichts umstellen. Um mir gleich die Zähne putzen zu können, mache ich mich an die Herstellung meiner eigenen Zahnpasta: Kokosöl, Natron, Stevia und Pfefferminzöl. Schon hier fällt mir auf: Plastik versteckt sich überall. Als ich das erste Glas öffne, kommt darunter ein Plastikdeckel zum Vorschein. Hat ja super geklappt. Für die Zahnpasta brauche ich tatsächlich nur fünf Minuten, das Ergebnis hat jedoch eine eher unkonventionelle Konsistenz. Auch das selbst gemachte Schokocreme, das anderthalb Stunden später vor mir steht, erinnert optisch eher an Blumenerde, punktet aber mit Geschmack. Mein Mittag- und Abendessen ist geprägt von frischem Gemüse und Brotaufstrich aus dem Glas. Auf Wurst und Käse muss ich heute verzichten.

Tag 2: Lehrreiche Lektion

Heute treffe ich mich mit Marcus, Emily und Machteld, den Gründern von „No-Waste-For-30-Days“. Nach einer 20-minütigen Fahrt durch tropisch anmutende Temperaturen brauche ich dringend etwas zu trinken. Blöd, wenn man seine teuer erstandene Edelstahlflasche zu Hause vergessen hat. Sehnsüchtig schiele ich zum Getränkeautomaten – der verkauft aber nur Plastikflaschen. Tja, Planung gehört zu einem plastikfreien Lebensstil nun mal dazu. Das bestätigen mir auch die drei Studenten, die mir ihre spannenden Erfahrungen der letzten Wochen schildern. Wieder zu Hause angekommen, habe ich meine Lektion gelernt. Wer flexibel sein will, sollte immer ein Behältnis dabei haben. Ob Flaschen, Dosen oder Beutel – mitdenken ist erwünscht.

Tag 3: Die Käse-Katastrophe

Es ist Samstag. Für die Geburtstagsfeier einer Freundin möchte ich einen Kuchen backen – natürlich plastikfrei. Mehl, Zucker und Eier erhalte ich in Papier und Pappe im Alnatura. Kuvertüre ohne Plastik suche ich hingegen vergebens und entscheide mich stattdessen für Schlagsahne aus der Glasflasche. Bevor ich zur Kasse gehe, schaue ich mich an der Käsetheke um – und bin geschockt. Jedes Stück Käse ist einzeln in Plastikfolie eingepackt. Als ich der Verkäuferin meine mitgebrachte Dose vor die Nase halte, schüttelt sie den Kopf. Tendenziell zwar möglich, doch sei der angeschnittene Laib bereits wieder verstaut worden. Von einem Biomarkt, der sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreibt, hätte ich mehr erwartet. Da ich auf meinen Käse nicht verzichten will, fahre ich auf dem Rückweg bei einem Wochenmarkt vorbei und werde fündig. Der Tag ist gerettet.

Es geht auch ohne: Gemüse und Obst findet sich unverpackt. Bei Käse wird‘s schwierig, merkt Paulina.

Tag 4: Disziplin ist alles

Der Sonntagmorgen beginnt mit einem ordentlichen Kater. Tapfer ignoriere ich den Speck, der mir aus seiner Verpackung entgegenlächelt und schmiere mir ein Schokocreme-Brot. Nach der disziplinarischen Küchen-Odyssee geht’s ab in die Dusche – ohne Shampoo, dafür mit plastikfreier Haarseife. Bei der Zahnpasta muss ich mich mittlerweile ein wenig durchzwingen, denn durch das Natron ist und bleibt der Geschmack sehr salzig. Gewöhnungsbedürftig. Am Abend machen wir spontan Pizza. Nach einem kurzen Blick in den Kühlschrank ist klar – mein Belag wird spartanisch ausfallen. Während die anderen Salami, Schinken und Reibekäse auspacken, belege ich meine Pizza schweren Herzens nur mit Knoblauch, Zwiebeln und Peperoni. Spontaneität ist nicht, dafür hätte ich extra einkaufen gehen müssen.

Tag 5, 6, 7: Yes, we can

In den nächsten Tagen wird meine Disziplin noch einige Male auf die Probe gestellt. Etwa wenn ich bei 30 Grad auf der Arbeit das in Plastik verpackte Eis ablehnen muss, oder der Freund abends beim Film genüsslich eine Tüte Chips vertilgt. Gleichzeitig merke ich, dass ein größtenteils plastikfreies Leben möglich ist. Es ist zeitaufwendig, so viel ist klar. Fast Food und Fertiggerichte fallen weg, die Devise lautet: selbst Kochen. Somit ernährt man sich aber auch automatisch gesünder und regionaler. Gut für die Umwelt, gut für dich – und letztendlich sogar gut für den Geldbeutel. Das wollte ich nach meinem ersten plastikfreien Einkauf auch nicht glauben, der lag mir ganz schön auf der Tasche. Allerdings fallen viele Ausgaben durch den neuen Lebensstil weg. Man kauft große Mengen auf Vorrat, anstatt viele kleine Packungen zu verschwenden, Spontankäufe nehmen durch kontrollierten Konsum ab, vieles kann man selbst herstellen oder sogar anbauen. Auch gewinnen die erworbenen Produkte einen ganz neuen persönlichen Wert. Keine Wegwerf-Ware, sondern eine Qualität, die ihr Geld wert ist.

Tipps

Arte-Doku: „Plastik überall“ (auf YouTube)
Buch: „Besser leben ohne Plastik“ von Anneliese Bunk & Nadine Schubert

Zahlen und Fakten

  • 19,5 Millionen Tonnen Plastik werden pro Jahr in Deutschland produziert.
  • Nur knapp 43 Prozent davon werden recycelt, der Rest landet im Ökosystem.
  • 2050 soll mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen schwimmen.
  • 90 Prozent der Menschen in Industriestaaten haben nach­weislich Mikroplastik im Blut.

Fotos: © iStock.com/vchal; Unsplash.com; Paulina Henning von Lange