Robokalypse: Intelligente Kunst trifft künstliche Intelligenz Kultur | 17.07.2019 | Lars Bargmann

Künstliche Intelligenz ist, um es mit Günter Grass zu sagen, ein weites Feld. Ein elektrisierendes. Eines, das auch an der Freiburger Universität immer mehr Raum greift.

Hier, wo die ersten WM-Titel im Roboter-Fußball geholt wurden, wo schon 2012 Obelix in einer Robotik-Version nicht nur von Kinderaugen bestaunt durch die Stadt gefahren ist, wo für Rektor Hans-Jochen Schiewer „einer der interessantesten KI-Standorte weltweit“ ist, hat sich nun das Projekt Stadtwandforschung aus dem Ei gepellt. Forscher treffen Künstler. Leere Hausflächen mutieren zu Murals, Wandbildern. Eine Straßenbahn mit KI-Motiven tourt durch die Stadt. KI mischt sich unters Volk.

„Künstliche Intelligenz ist ein komplexes Thema, wir Künstler stehen auf der Laienseite und haben jetzt die einmalige Chance, sich auf so hohem Niveau mit Forschern zusammenzusetzen“, sagt Darwin Zulkifli vom Verein Kulturaggregat, der die künstlerischen Spielpartner fürs Projekt ausgesucht hat. Mr. Woodland ist dabei, der Freiburger Streetart-Künstler Smy und die Künstlerin Sare, Marc C. Woehr und Fritz Boogie aus Stuttgart, das Berliner Künstlerteam Innerfields.

Der Künstler Marc C. Woehr (l.) und der Informatiker Joschka Bödecker machen gemeinsame Sache bei der Stadtwandforschung. Die Impressionen (Bild oben) sind von Smy und Fritz Boogie.

Auf der anderen Seite stehen die Forscher, stehen Informatik-Professor Wolfram Burgard, Philipp Kellmeyer, KI-Ethiker und Neurologe, der Neuro-Robotiker Joschka Bödecker, die Informatikerin Marina Kollmitz (alle Freiburg) und die japanische KI-Wissenschaftlerin Yukie Nagai.

„KI ist eine scheinbar bedrohliche Welt“, sagt Kellmeyer. Die einen sehen in ihr das Heilsversprechen, Menschliches, Allzumenschliches hinter sich zu lassen; die anderen die Robokalypse, bei der die Maschinen in Terminator-Manier die Weltherrschaft an sich reißen. Genau das umrahmt das weite Feld, in dem die Stadtwandforschung sich jetzt in Freiburg einen aufmerksamkeitsstarken Platz erarbeitet.


Kann Kunst, kann Streetart komplexe wissenschaftliche Prozesse greifbar machen? Ist Streetart ein neues Transportmittel in die Gesellschaft für die KI? Die Kunstaktion der Uni – ein Beitrag zum „Wissenschaftsjahr 2019 – Künstliche Intelligenz“ und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert – will Bewusstsein schaffen, Denkanstöße geben, eine Debatte eröffnen. Auf dem Fabrik-Gelände an der Habsburgerstraße ist eine erste Wand inszeniert. Ein Nussknacker, der einen Vogel hat, ist zu sehen. Ein Passant läuft vorbei, bleibt kurz stehen, geht aber schon nach ein paar Sekunden weiter. Ein bissiger Toaster, der Schlangenlinien auf die Blaue Brück wirft, die mehr Kontur als Kontrast hat. Weiter hinten zwei seltsame Figuren, mehr Maschinen als Menschen – auf den ersten Blick. Auf den zweiten doch irgendwie menschlich. Nicht bedrohlich. Fremd vielleicht. Auf einem anderen Polaroid erkennt man die Star-Wars-Figuren R2-D2 und C-3PO, so gezeichnet, als ob die Roboter wieder von einem Roboter erkannt werden.

Kreiert haben die Wand die Künstler Smy und Fritz Boogie und KI-Forscher Burgard. Auch Motive auf der Tram gehen auf ihr Konto. Für jedes Werk arbeitet ein Forscher mit einem Künstlerteam zusammen. Bald, Ende Juli, soll auch das Sonnensegel an der Universitätsbibliothek mit gesprayten Kunstmotiven weiter Wind in der Debatte um die künstliche Intelligenz entfachen. „Ein Kunstwerk muss in drei Sekunden unmissverständlich sein“, sagt Mr. Woodland. Das hat die intelligente Kunst der künstlichen Intelligenz voraus.

Info

Die ersten Wände: Habsburgerstraße 9, Durchgang zum Hinterhaus. Humboldtstraße, Wand am KG III, Wandgespräche gibt es ab Juli immer dienstags ab 19 Uhr.

Die KI-Tram: Fährt bis 31. November auf der Linie 4 durch die Stadt. Am 21. Juni gibt es Tramgespräche mit dem Informatik-Professor Wolfram Burgard (16 bis 17 Uhr, 19 bis 21 Uhr).

Das Sonnensegel an der UB: Ab Ende Juli

Graffiti- und KI-Workshop: 2. bis 5. September

Ausstellung: 14. September bis 12. Oktober, Kulturaggregat, Hildastraße

Wandexpeditionen: jeweils am 18. Oktober, 2. November und 16. November, Treffpunkt Hildastraße 5, 13 Uhr

Die Projektleiterinnen: Mathilde Bessert-Nesselbeck und Sabrina Livanec vom Projekt „Nexus Experiments“ der Universität Freiburg.

 

Fotos: © Minz & Kunst / Lars Bargmann