Geruch der Armut: Goldene Palme für Bong Joon-Hos Gesellschaftssatire Kultur | 20.10.2019 | Erika Weisser

Familie Ki lebt im Souterrain. Im gesellschaftlichen wie im urbanen: Das schon seit Langem arbeitslose Ehepaar bewohnt mit seinen beiden eigentlich studierfähigen Kindern die erbärmliche Kellerwohnung eines verkommenen Hauses in der am meisten heruntergekommenen Gegend der Stadt. Kaputte Typen sind hier unterwegs, Leute, die noch weiter unten angekommen sind als die Kis. So weit unten, dass sie nicht einmal sehen, dass Menschen hinter den blinden Fenstern wohnen, die sie gelegentlich als Pissoir benutzen.

An Geschick und Intelligenz mangelt es den vier Leuten, die sich mit Pizzaboxen-Falten und anderen Gelegenheitsjobs notdürftig über Wasser halten, nicht. Nur an Geld – und an Chancen. Als sich unverhofft eine solche auftut, greifen die Kis mit beiden Händen nach den höheren Sprossen der sozialen Leiter. Zunächst übernimmt der junge Ki-woo von einem früheren Schulfreund und jetzigen Studenten den Englisch-Nachhilfeunterricht bei der Tochter der superreichen Familie Park, die am anderen Ende der Stadt in einer mondänen Villa lebt. Kurz darauf vermittelt er den Parks seine Schwester Ki-jung – als Individualbetreuerin für deren hyper-hyperaktives und – sensibles Söhnchen.

Durch allerhand hinterhältige Tricksereien schaffen sie es schließlich, dass die ganze Familie Ki für die Parks arbeitet, sich in einem schleichenden und einschleichenden Prozess unverzichtbar macht und schließlich viel Kontrolle über deren Leben gewinnt. Wobei die Parks nicht einmal ahnen, dass die vier neuen Bediensteten zusammengehören. Lediglich der ihnen allen anhaftende gleiche Geruch nach Keller und Elend könnte sie verraten. Doch der dünkelhafte Hausherr, der die ihm unbekannten unangenehmen Ausdünstungen durchaus wahrnimmt, tut sie lapidar als allgemeinen Geruch der Armut ab. Und achtet penibel darauf, dass dieser nicht auch an ihm und den Seinen haften bleibt.

Als die parasitäre Beziehung zwischen den beiden Familien allmählich zum Normalzustand wird, tritt eine völlig unvorhersehbare Wende ein, die die menschenmögliche Niedertracht in all ihren schockierenden Schattierungen bloß- und die Machtverhältnisse völlig auf den Kopf stellt. In einem Klassenkampf, der keine Gewinner kennt. Kein leichter, aber ein großartiger Film, bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Infos
Parasite
Südkorea 2019
Regie: Bong Joon-ho
Mit: Song Kang-ho,
Lee Sun -kyun, Cho Yeo-jeong, Choi Woo-shik, Park So-dam u. a.
Verleih: Koch Films
Laufzeit: 123 Minuten
Start: 17. Oktober 2019

Foto: © Koch Films