Aus der Seele gesungen: Lieder gegen den Rechtsruck Kultur | 15.11.2019 | Erika Weisser

Wolfgang Gerbig

Der Müllheimer Liedermacher Wolfgang Gerbig (Woger) ist derzeit mit seinem neuen Programm „Aus der Seele“ auf Tournee. Konzerte sind auch in der REGIO und im Markgräflerland geplant, wo er seit vielen Jahren lebt und wirkt.

„Ich weiß nicht genau, wann das Reimen mich ergriff / wann ich das erste Mal ein Lied schrieb aus dem Nichts“, singt Woger in seinem Lied „Singender Poet“. Darin gesteht er, dass er „die Poesie in reinster Form“ liebt. Dass es deshalb oft lange dauert, bis das „endlos leere Blatt“ vor ihm endlich nicht mehr leer ist. Und dass es „viel Geduld“ braucht, bis ein Gedanke in die passenden Worte gefasst ist, die dann auch noch „konform zu den Tönen“ sein sollen, die gleichfalls einfach plötzlich da sind. Aus dem Nichts. In seinem Kopf. Und in seiner Seele.

Der 60-Jährige wäre „gerne Gitarrist, Pianist, Saxofonist, Flötist, Sänger, Liedermacher, Rockmusiker“ geworden. Und wurde Sozialarbeiter: Seit knapp 25 Jahren ist er als solcher in Neuenburg tätig, zunächst als Jugendbeauftragter, jetzt überwiegend in der Schulsozialarbeit. Der Austausch mit Jugendlichen ist sein Ding. Er hätte sich „gar nichts anderes vorstellen können“ – außer eben Berufsmusiker. Er bekam beides unter einen Hut: Als Leiter des Neuenburger Jamhouse veranstaltete er unzählige, auch überregionale Rockwettbewerbe, hatte also „immer mit Musik zu tun“.

Ohne sie – und auch ohne die Poesie – könnte er „nicht leben“. An seine allerersten lyrischen Versuche kann er sich dennoch wirklich nicht so ganz genau erinnern. An die ersten richtigen, richtig geglückten Lieder schon. Die sind in den 1980er-Jahren entstanden, erzählt Gerbig, während der Studienzeit in Freiburg. Wo er über ein Praktikum beim Friedensbüro mit politischen und sozialen Bewegungen in Berührung kam und etwa bei Aktionen des DGB auftrat. Spätestens damals sei sein Talent, gesellschaftliche Stimmungen und Diskurse in Text und Musik zu fassen, zum Ausdruck gekommen.

Lieder mit Botschaften

Der Grundstein dafür war freilich früher gelegt worden: Als Schüler in Gladbeck habe er, nachdem er die Gitarre als sein Instrument entdeckt hatte, jeden Nachmittag die Lieder von Hannes Wader gesungen und gespielt: „So lange, bis ich sein ganzes Liederbuch auswendig konnte.“ In der Tradition Waders und der anderen politischen Lyriker jener Zeit, sieht er sich selbst: Im Geist der Liederfestivals auf der Burg Waldeck, wo in den 1970er-Jahren auch Barden wie Franz Josef Degenhardt auftraten – mit kritischen Texten in deutscher Sprache.

Songpoeten würde man sie heute nennen. Und Wolfgang Gerbig definiert sich als solcher. Er will seine Lieder nicht in der Kneipe singen, während „an der Theke gequasselt wird“. Denn er sieht sie und ihre Botschaften als Mittel, Menschen zum Nachdenken zu bringen, zur Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Prozessen. Und dazu, in kritischen oder frustrierenden Situationen nach wirklichen Lösungen zu suchen, anstatt „rechtspopulistischer Hetze auf den Leim zu gehen“. So singt er etwa in „Mehr als nur enttäuscht“ für Leute, die sich „von denen, die hier regieren, nicht gesehen“ fühlen – und erinnert sie daran, wohin völkische Vorschläge führen können. Auch dieses Lied kommt aus der Seele: Die Hilflosigkeit angesichts der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft und des Aufschwungs rechter Parteien – „beschäftigt mich bis ins Innerste, macht mir richtig Angst“.

Info

www.woger.eu

Foto: Pressefoto WOGER