Von wegen Weltschmerz: Lebendiges von den Deadnotes Kultur | 12.03.2020 | Philip Thomas

Kein Bandmitglied hat mehr als 24 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem haben Sänger und Gitarrist Darius Lohmüller, Schlagzeuger Yannic Arens und Bassist Jakob Walheim mehr als 500 Konzerte in den Knochen und standen als „The Deadnotes“ schon auf Bühnen in 25 Ländern.

Die 2011 in Freiburg gegründete Indie-Punk-Combo hat nun ihr zweites Album „Courage“ veröffentlicht. Die Erfahrung ist der Scheibe anzuhören: Laut, nachdenklich, aber optimistisch und gereift klingt sie. Erwachsen werden wollen die drei so schnell allerdings nicht.

Ist Gitarrenmusik nicht auf dem Rückzug? „Das ist eine blöde Pauschalisierung“, findet Lohmüller, der das Instrument selbst spielt. Zwar verändere sich der Markt, die Indie-Punk-Szene sei aber stark wie nie. Immerhin ist sie nun um das gelungene „Courage“ reicher. Die Unterschiede zu ihrem Erstlingswerk „I’ll Kiss All Fears Out Of Your Face“ sind deutlich. Das Nachfolgewerk ist reifer und verzichtet auf Kitsch.

„Wir waren damals sehr jung. Die Songs haben wir geschrieben, als wir 17 waren“, sagt der Frontmann heute. „Wir haben so ziemlich jeden Fehler gemacht, den man machen kann“, scherzt Bandkollege Arens. Ihre ersten Promo-CDs ließen sie noch übermäßig bedrucken und legten den Scheiben krude Erläuterungen bei. Auch „The Deadnotes“ würden sich die Jungs heute nicht mehr nennen. Der Bandname ist gewissermaßen noch eine Jugendsünde: „Damals fanden wir den cool. Heute leben wir damit“, so der 24-Jährige.

„Der Bandname ist eine Jugendsünde“

Seit ihren ersten Auftritten hat sich einiges getan. Heute spielen die Deadnotes vor bis zu 200 Zuschauern, Touren sind mit mehr Vorlauf geplant und besser organisiert. „Das wissen wir heute zu schätzen. Früher sind wir einfach losgefahren“, erzählt Lohmüller, der mit seinen Kollegen in den Anfangsjahren schon mal eine komplett leere Location beschallt hat. „Das haben wir durchgezogen“, erinnert sich Arens.

Auch in ihren Reisen steckte Punk. „Wir haben Pech mit Autos“, sagt Lohmüller, der die Elektronik- und Motorschäden ihrer Tour-Vehikel nicht mehr an einer Hand aufzählen kann. Nach 13 Stunden Fahrt sei ihr Van einmal mitten in der russischen Pampa auf einem Feldweg im Schlamm stecken geblieben. Ein anderes Mal habe sich bei 130 Sachen die Gepäckbox auf dem Bus geöffnet. „Wir haben unser gesamtes Zeug verloren“, sagt Arens. Heute können sie darüber lachen. „Solche Geschichten gehören irgendwie dazu.“

„Wir haben Grenzerfahrungen gemacht und
darüber wollen wir auch berichten.“

Courage haben The Deadnotes in England, dem Mutterland des Punkrock, aufgenommen. „Das ist ein Musikland, Livemusik gibt’s dort in jedem Pub“, berichtet Arens. Manchmal hätten die drei deutschen Musiker Mühe, bei Erstauftritten lokaler Brit-Bands mitzuhalten. „Die leben für sowas“, sagt der Sänger.

In dem Album steckt auch einiges von der Insel: Der in Leeds ansässige Produzent Bob Cooper saß bereits für Foxing und Adam Angst an den Reglern und vereint laut Lohmüller das richtige Maß an Know-how und Experimentierfreude. Gemischt wurde das Album schließlich von einem US-Produzenten. Die Herkunft hört man der Scheibe folglich nicht an. Das Album klingt international. „Wenn wir Courage durch eine Produktion in England verstärken können, ist das super.“

Trotz zahlreicher Autopannen: Yannic, Darius und Jakob (v.l.n.r) von The Deadnotes standen schon auf Bühnen in 25 Ländern.

Auch inhaltlich hat die Band zugelegt. „Wir werden gerne in die 2000er Emo-Schublade gesteckt“, findet Arens. Ganz falsch ist die Assoziation nicht. „Viele verbinden damit allerdings bloß Weltschmerz und Rumgeheule. Bei uns finden sich aber viele gesellschaftliche und politische Inhalte“, erzählt der Schlagzeuger weiter. Die Plattform wollen sie nutzen. Tatsächlich drehen sich zahlreiche Texte auf Courage um geistige Gesundheit, Konsumkritik, Selbstakzeptanz und natürlich die eine oder andere Beziehung.

„Wir haben Grenzerfahrungen gemacht und darüber wollen wir auch berichten“, sagt Lohmüller, aus dessen Feder die Texte stammen. Um bei dem Projekt die kreative Kontrolle zu behalten, haben die drei 2018 ein eigenes Label gegründet. „Man steht dabei unter großem Druck“, weiß er. Das finanzielle Risiko habe sich aber ausgezahlt. Und die Unabhängigkeit sei es auf jeden Fall wert.

Mittlerweile fühlten sie sich sogar ein bisschen alt, aber noch lange nicht erwachsen: Trotz der fast zehn Jahre Bandgeschichte werde das Trio mit der neuen Platte vielerorts als Newcomer gehandelt. Was die nächsten zehn Jahre bringen, wollen sie gar nicht wissen: „Bands, die ihre Zukunft bis auf Jahre hinaus planen, finden wir furchtbar. Wir genießen jetzt den Moment.“

Info

Verschwommenes Cover, klarer Klang: Um bei ihrem zweiten Album Courage die kreative Kontrolle zu behalten, gründete die Band ein eigenes Label.
Zu sehen ist die Band am 13. März im Waldsee, Freiburg.

Fotos: © Ilkay Karakurt