Innenwelten an Außenmauern: Fotos an Freiburger Gefängnismauern Kultur | 18.07.2020 | Erika Weisser

Strafraum Gefängnis Freiburg

Eine Fotoausstellung an zwei Außenmauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg macht Menschen sichtbar, die einen Teil ihres Lebens in den engen Räumen hinter diesen Mauern verbringen: im „Strafraum“. Die Fotografin Britt Schilling hat das Projekt zusammen mit Reinhild Dettmer-Finke von der Freiburger Bürgerstiftung konzipiert. Es ist Teil der städtischen Veranstaltungen zum Jubiläum „Freiburg 2020“.

Als im Jahr 1878 das „Großherzoglich Badische Landesgefängnis Freiburg“ gegründet wurde, lag diese „Central-Strafanstalt“ am Rand der Stadt. Heute, fast 150 Jahre später, befindet sich der Panopticon-Bau mittendrin: im Carré zwischen Hermann-Herder-, Sautier-, Hebel- und Tennenbacher Straße. Randständig ist sie allerdings immer noch, die JVA, dieses von hohen Mauern bewehrte Gebäude samt seiner Bewohner. Zwischen der zentralen Lage im Stadtplan und dem Platz im Stadtleben klafft ein „blinder Fleck“. Wer weiß schon, was für ein Alltag dort gelebt wird?

Ausstellung Strafraum Gefängnismauer

In kurzen Aussagen geben die Männer einen kleinen Einblick in ihren Alltag.

Bis zum 27. März 2021 geben riesige Leinwand-Plakate kleine Einblicke in die verborgenen Innenwelten im „Strafraum“. An der zur Sautierstraße gewandten Gefängnismauer sind Rückenansichten von Männern zu sehen. Sie sitzen auf grauen oder roten Stühlen. Wartend? „Absitzen in Freiburg“ lautet der Untertitel der Ausstellung. Manche sind zu zweit, andere zu dritt, gelegentlich ist auch die Rückenlehne eines leer gebliebenen Stuhls zu sehen. Es gibt keinen Hinweis auf Alter, Straftat, Strafmaß, Herkunft, Name oder besondere Merkmale. Da sind nur Menschen, von denen wir wissen oder annehmen, dass sie nicht ohne Grund hinter den Mauern leben müssen. Und die wir eigentlich gar nicht wahrnehmen wollen.

„Leuchtturmprojekt für das Stadtjubiläum“

Auf einigen Plakaten finden sich kurze Aussagen. Um den Alltag geht es da, etwa darum, dass man darauf wartet, dass „das Kaffeewasser heiß wird“. Oder dass man „heute 15 Minuten an die Familie gedacht“ hat, dass man hofft, „die Nacht zu schaffen“. Die Statements sind einem Tagebuchprojekt entnommen, das Britt Schilling im Laufe ihrer mittlerweile vier Jahre währenden ehrenamtlichen Sozial- und Begleitungsarbeit zusammen mit Gefangenen und Gefängnispfarrer Michael Philippi entwickelt hat.

Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach bezeichnete die Ausstellung bei der Vernissage als „Leuchtturmprojekt für das Stadtjubiläum“: Die Bilder der von uns Abgewandten machen neugierig, fordern geradezu dazu auf, uns mit ihnen auseinanderzusetzen – mit ihnen und ihrem Leben hinter Gittern mitten in Freiburg. Wenn Strafvollzug „einfach nur wegsperren“ bedeute, so JVA-Leiter Michael Völkel, dann sei die Prognose für ein straftatenfreies Leben „zumindest schwierig“. Für die Inhaftierten sei die JVA „mehr als Mauern, Zäune und Stacheldraht“. Es sei der Ort, an dem sie „ihre Träume, ihre Lieben, ihre Nöte und Sorgen“ lebten. Und ihre Ängste: „Manchmal“, ist auf einem der Exponate zu lesen, „muss man dankbar sein, wenn nichts Böses oder Unerwartetes geschieht.“

Ausstellung Strafraum Gefängnismauer

Noch mehr Einrücke bieten Fotoarbeiten entlang der Hermann-Herder-Straße verlaufenden Außenmauer.

Noch mehr eindrückliche, aber keineswegs voyeuristischen Einblicke in diese Innenwelten bieten 20 Fotoarbeiten an der entlang der Hermann-Herder-Straße verlaufenden Außenmauer: Sie zeigen Zellen als Lebenszeitorte und -räume. In der einen dominieren gepflegte Zimmerpflanzen, in der anderen Fußball-Fanschals und Club-Trikots, eine weitere beherbergt Bücher und Bilder, die nächste eine Gitarre.

Alle Fotos sind auch in dem beim benachbarten Herder-Verlag erschienenen Projekt-Begleitbuch abgedruckt, dessen Autoren sich außerdem vielen heiklen Aspekten und Fragen des Themas Strafvollzug widmen.

Wenn die Ausstellung beendet ist, wird die Leinwand, auf der die Fotos gedruckt sind, in der Gefängnis-Schneiderei zu Taschen verarbeitet. Die sollen nachhaltig dazu beitragen, dass die JVA kein „blinder Fleck“ in der Wahrnehmung der Freiburger bleibt.

Info

www.strafraum-freiburg.de

Buchcover Strafraum

Strafraum – Absitzen in Freiburg
Von: Reinhild Dettmer-Finke (Hrsg.)
Verlag: Herder 2020
112 Seiten, kartoniert
Preis: 15 Euro

 

 

 

Fotos: © Erika Weisser