Buch-Rezi: Grand Hotel Europa – Ach, Europa Kultur | 29.11.2020 | Dominik Bloedner

Grand Hotel Europa

Da sitzt er in seiner Wahlheimat Venedig, der eitle Dandy mit Krawatte und Manschettenknöpfen, und sieht sich das bunte Treiben an. Ilja Leonard Pfeijfer, der Ich-Erzähler, sieht, wie die sonnenverbrannten lärmenden Horden in Flip-Flops von gigantischen Kreuzfahrtschiffen aus die alte, verfallende Stadt entern.

Er amüsiert sich, schüttelt den Kopf und denkt darüber nach, was der Massentourismus so anstellt, und warum es so weit kommen musste. Später logiert der Schriftsteller im Grand Hotel Europa in den Bergen, um zu arbeiten und um sich die Wunden zu lecken nach einer enttäuschten Liebe. Mit dem jungen Pagen Abdul, einem Geflüchteten, unterhält er sich öfter bei einer Zigarette. Dessen Geschichte geht anders: Der Blick zurück schmerzt, für ihn ist die Vergangenheit ein schlechter Ort, den man möglichst schnell vergessen sollte. Abduls Blick geht nach vorne.

Pfeijfer, ein in Deutschland bislang wenig bekannter niederländischer Bestsellerautor, ist mit „Grand Hotel Europa“ ein beeindruckendes Essay gelungen über unser Denken und Tun, unsere Werte, unser Reisen (vor Corona!) und über brennende politische Fragen wie die der Migration. Garniert ist das Buch mit einer erotischen Verbindung zur Kunsthistorikerin Clio und der Suche nach einem verschwundenen Kunstwerk des Renaissance-Malers Caravaggio. Durchaus anregend.

cover Grand Hotel Europa

Grand Hotel Europa
von Ilja Leonard Pfeijfer, aus dem Niederländischen von Ira Wilhelm
Verlag: Piper, 2020
560 Seiten, gebunden
Preis: 25,00 Euro