Rathaus gibt Nothilfe: 435.000 Euro für Kultureinrichtungen Kultur | 29.12.2020 | Philip Thomas

Barockorchester

Ohne Musik wird es still. Aus dem Freiburger Gemeinderat kommt deswegen ein kleiner Paukenschlag: Insgesamt 435.000 Euro für fünf Kultur- und Musikinstitutionen werden ausgeschüttet. Das Jazzhaus erhält 90.000 Euro, das Tanzzentrum Studio pro Arte 50.000 Euro, das ensemble recherche 80.000 Euro, das Freiburger Barockorchester 150.000 Euro und die Albert Konzerte GmbH 65.000 Euro. Die Geförderten sind dankbar, sie betonen aber auch: Das Geld ist dringend notwendig.

„Wir haben dieses Jahr überlebt. Wir haben alles getan, um uns über Wasser zu halten“, sagt Beate Rieker vom ensemble recherche in Freiburg. Bei den acht Profi-Solisten und drei Angestellten im Management wurden laut Rieker Löhne in Kurzarbeit um 130.000 Euro und Sachausgaben in Höhe von 88.000 Euro gespart. „Wir haben alle Maßnahmen ergriffen“, sagt sie.

Schon davor sei das Gehalt einiger Musiker auf dem Niveau eines Maurers im dritten Lehrlingsjahr gewesen. Zwar bekam das Ensemble 170.000 Euro von Stadt und Land, „das deckt aber nicht mal 15 Prozent von dem, was wir machen müssen“, betont die 41-Jährige. Ein Finanzpolster hatten die Preisträger des Schneider-Schott-Preises vor dem Virus laut Rieker nicht.

Die 80.000 Euro seien nun auch deswegen so wertvoll, weil dadurch die Möglichkeit bestehe, neue Drittmittel zu akquirieren. „Bei vielen Töpfen ist es nötig, Eigenmittel einzubringen. Wenn man diese nicht hat, fliegt man direkt aus dem Antrag“, erklärt sie.

Wie das ensemble recherche ist auch das Freiburger Barockorchester ein international gefeierter Klangkörper. Dort werden andere Töne angeschlagen. „Wir sind mit einem blauen Auge durch das Jahr gekommen“, berichtet Martin Bail, der für Dramaturgie und Pressearbeit zuständig ist. Das Orchester beschäftigt 29 Musiker. Dazu kommen noch mal zwölf Mitarbeiter.

Insgesamt sei das Orchester liquide. „Wir können Gehälter und auch Ausfallhonorare bezahlen“, sagt der 36-Jährige. Einen Anteil daran hat die Baden-Württemberg-Stiftung sowie die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Freiburger Barockorchesters. Beide hielten das Orchester in der Krise mit Spenden von
insgesamt 400.000 Euro über Wasser.

Das ensemble recherche erhielt 80.000 Euro.

Bail sei für die Summe dankbar: „Nothilfen für freischaffende Künstler scheinen kaum zu klappen. Deswegen versuchen wir, unsere Musiker zu unterstützen.“ Die 150.000-Euro-Förderung durch den Gemeinderat verschaffe den Musikern nun dringend benötigte Planungssicherheit: „Wir müssen den Januar vorbereiten.“ Gedruckte Programmhefte, Werbung, eingeladene Musiker – noch sei unklar, ob sich die Pläne umsetzen lassen. „Es ist ein Kampf gegen Windmühlen, wir wissen nicht, was passiert.“

Auch Leander Hotaki, der die Geschäfte der Albert Konzerte GmbH leitet, ist nach einem deprimierenden Jahr froh um die Förderung. „Wir waren zuversichtlich und haben darauf gehofft – aber uns nicht darauf verlassen“, sagt er. Die Finanzspritze in Höhe von 65.000 Euro reiche in Summe nicht aus, „aber in Kombination mit Hilfen aus anderen Förderprogrammen und mit Konzerteinnahmen, die wir im September und Oktober hatten und im Frühjahr und Sommer hoffentlich wieder haben werden, ist sie ein wichtiger Baustein.“

„Darauf freuen wir uns tierisch“

Das Freiburger Jazzhaus wurde von der Stadtspitze mit 90.000 Euro bedacht. Eigentlich sollten dieses Jahr dort mehr als 200 Konzerte und Clubnächte stattfinden. „Seit März haben wir mit Ausnahme einiger Wochen im September und Oktober einen kompletten Lockdown. Wir sind seit März in Kurzarbeit und haben Soforthilfe und Überbrückungshilfe erhalten“, sagt Geschäftsführer Michael Musiol. Finanzielle Hilfe für die Freiburger Institution kam auch aus privater Hand. Spenden in Höhe von rund 50.000 Euro konnte das Jazzhaus bisher verbuchen. „Das sind seit neun Monaten unsere einzigen Einnahmen“, so Musiol.

Das Geld aus dem Gemeinderat beruht auf einer Gegenleistung. „Wir stellen das Jazzhaus für Chorproben zur Verfügung und veranstalten auch vereinzelte Konzerte mit Bands aus der Region.“ Dadurch entstehen Kosten. „Um das zu realisieren, werden einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen etwas mehr aus der Kurzarbeit geholt.“ Das führt zu Personalkosten. Musiol sieht das Positive: „Das ist aber eine tolle Sache, denn wir wollen endlich wieder zusammen arbeiten und darauf freuen wir uns tierisch.“

Die Förderung sei „ein extrem wichtiger Baustein. Denn durch die Überbrückungshilfen werden nicht die Personalkosten gedeckt. Unser Personal kann nicht zu 100 Prozent in Kurzarbeit, weil wir ständig am Verschieben von Konzerten und Neuplanungen arbeiten.“ Der Musikkeller an der Freiburger Schnewlinstraße plane zwei Jahre im Voraus. „Somit müssen wir kurzfristige und langfristige Planungen ständig ändern und erneut konzipieren.“ Gerade plane er das Freiburger Jazzfestival für den September 2021 – ohne zu wissen, was er genau realisieren kann.

Nach der Drucksache im Gemeinderat schätzt die Verwaltung, dass 90.000 Euro für 15 bis 20 Konzerte reichen. Ob das genügt? „Nein, natürlich benötigen wir weiter das Instrument der Kurzarbeit, aber auch Überbrückungshilfen oder andere Gelder“, so Musiol. Unklar sei, wie lange das Jazzhaus noch aushalten muss. „Das System Jazzhaus funktioniert nur mit erfolgreichen Clubabenden oder mit einer ganz anderen Subventionshöhe.“ Dankbar ist Musiol natürlich trotzdem: „Das Geld hilft uns immens und zeigt uns auch, dass wir der Stadt sehr wichtig sind.“

Fotos: © Britt Schilling, Marc Doradzillo