Der junge Karl Marx: Revolutionäre entwickeln neue Visionen von menschlicher Gemeinschaft Kinonews | 26.02.2017

Es sind nur vier Jahre aus dem Leben von Karl Marx, auf die sich Raoul Peck in seinem Film konzentriert. Doch für seinen Lebensweg sind es wohl die wichtigsten Jahre. Nicht nur, weil er zwischen 1844 und 1848 zweifacher Vater wird. Sondern auch, weil seine gesellschaftspolitischen Ideen in dieser Zeit eine endgültige Richtung finden, er zusammen mit Friedrich Engels eine neue Weltanschauung begründet.

Als sich die beiden jungen Männer 1844 in Paris begegnen, ahnen sie das freilich noch nicht. Ja, sie ahnen nicht einmal, dass sie zusammenarbeiten, zu Freunden werden, gemeinsam eine Gesellschaftstheorie erarbeiten würden. Eine Theorie, die in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Menschen davon überzeugen sollte, dass die Welt zu verändern und die alte Gesellschaft zu überwinden sei – über Revolutionen, nicht nur über Reformen.

Zumindest legt der Film nahe, dass Marx, der mit seiner Familie eher schlecht als recht von seiner Arbeit als politischer Redakteur lebt, dem von materiellen Sor­gen freien Fabrikantensohn Engels zunächst einmal skeptisch gegenübersteht. Zwar hat der 24-jährige Engels genau wie er, der zwei Jahre ältere, schon einige polit-ökonomische Schriften verfasst und darin eine ähnliche revolutionäre Linie entwickelt wie er selbst. Doch angesichts Engels’ Zugehörigkeit zur Bourgeoisie hegt er Zweifel an seiner Ernsthaftigkeit. Andererseits ist Marx so begeistert von Engels’ Studie „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“, dass sie schließlich doch zusammenfinden.

Sie werden zu unzertrennlichen Weg- und Kampfgefährten, die sich in ihren Theorien ergänzen – und sich in der Auseinandersetzung mit anderen revolutionären Theoretikern gegenseitig unterstützen. Und auch darüber hinaus: Der wohlhabende Engels hilft dem notorisch geldknappen Familienvater Marx so manches Mal aus der Bredouille. Etwa in Brüssel, wohin er den Marxens nach deren Ausweisung aus Frankreich 1845 folgt. Oder auf einer gemeinsamen Reise durch England, wo sie den fortschreitenden Kapitalismus studieren und Kontakt zu dem frühsozialistischen Zusammenschluss „Bund der Gerechten“ aufnehmen. Aus diesem wird später unter ihrem Einfluss der „Bund der Kommunisten“, in dessen Auftrag sie zusammen mit Jenny Marx 1848 das „Manifest der Kommunistischen Partei“ verfassen – eine neue Vision menschlicher Gemeinschaft.

An dieser Stelle endet der Film. Die Wirkung der beiden Theoretiker bleibt – und gewinnt nach Auffassung von Regisseur Raoul Peck heute wieder an Bedeutung. Was im Abspann deutlich wird, wenn rasch wechselnde Bilder zu Bob Dylans „Like a Rolling Stone“ eine Welt dokumentieren, die nach Veränderung schreit.

Text: Erika Weisser / Fotos: © Kris Dewitte & Frédéric Batier, Neue Visionen

Der junge Karl Marx
Frankreich/Deutschland/Belgien 2016
Regie: Raoul Peck
Mit: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps
Verleih: Neue Visionen
Laufzeit: 118 Minuten
Start: 2.3.2017
Trailer: www.neuevisionen.de