Freiburger FuckUp-Nights wollen zeigen, dass zum Erfolg auch der Misserfolg gehört STADTGEPLAUDER | 26.03.2016

Paypal-Gründer Max Levchin hat es getan. Starbucks-CEO Howard Schultz auch. Und Steve Jobs erst recht. Sie sind mit einer Idee so richtig gegen die Wand gefahren, bevor sie sich in die Liga der erfolgreichsten Geschäftsleute der Welt einreihten. Dass Scheitern zum Erfolg dazugehört, da ist man sich im Freiburger Gründerzentrum Grünhof sicher. Und so sollen hier nun regelmäßig Unternehmer bei sogenannten FuckUp-Nights von ihrem Scheitern erzählen.
 
Der große Arbeitsraum des Grünhofs ist bei der ersten Freiburger FuckUp-Night auch auf dem letzten Platz gefüllt. Die Stimmung ist gut, es wird viel gelacht. Das liegt auch daran, dass auf der Bühne keine tragisch gescheiterten Existenzen stehen. Im Gegenteil: Biosk-Betreiber Lars Millentrup, Serial Entrepreneur Magnus Kanholt und Visual-Statements-Gründer Benedikt Böckenförde sind erfolgreiche Freiburger Unternehmer – von denen allerdings jeder schon einmal mit einer Idee voll daneben gelegen ist. Sei es der Traum, Döner fliegen zu lassen, die schwedische Telekommunikationsbranche aufzumischen oder ein Café zu eröffnen.
 
Expansion fehlgeschlagen: Während der Biosk bei der Stadthalle brummte, blieben die Gäste dem Café in der Merianstraße fern.
 
So ist auch Millentrups Gründergeschichte eigentlich eine Bilderbuchgeschichte: Als die Unibibliothek 2008 in die Stadthalle zieht, übernehmen er und sein Geschäftspartner Julien Röslen einen heruntergekommenen Kiosk und verwandeln ihn in das Kult-Biosk. Das Geschäft läuft von Anfang an gut, es folgen ein mobiler Kaffeestand und im Sommer 2014 ein Café in der Merianstraße.
 
Doch während die Gäste dem Stadt-hallenkiosk weiterhin die Bude einlaufen, herrscht im Café gähnende Leere. „Irgendwann ist man nachts aufgewacht und hat nur gedacht: Scheiße“, erinnert sich Millentrup. Als klar ist, dass nichts mehr geht, verkaufen die Jungunternehmer ihr Café.
 
Millentrup hat aus seinen Fehlern gelernt: Im Sommer ein Café ohne Außenplätze eröffnen, erwarten, dass der Laden auch ohne Werbung läuft, sich nicht genug vom erfolglosen Vorgänger abgrenzen – all das könnte ihm heute nicht mehr passieren.
 
Durch Fehler erfolgreicher werden: Das ist die Idee hinter den FuckUp-Nights, die 2012 ihren Anfang in Mexiko nahmen und mittlerweile in rund 150 Städten weltweit stattfinden. Deutschland ist eine Hochburg dieser Events, vielleicht weil man sich hier mit dem Scheitern schwerer tut als in anderen Ländern.
 
Nach einer Studie der Stuttgarter Universität Hohenheim finden die meisten Deutschen, dass eine Unternehmensgründung wegen des Risikos einer Bauchlandung nicht zu empfehlen ist. Kein Wunder: Zwar glauben die meisten grundsätzlich auch an zweite Chancen – Unternehmer, die eine Idee einfach mal ausprobieren und damit scheitern, dürfen aber kaum auf Verständnis hoffen.
 
Expansion fehlgeschlagen: Während der Biosk bei der Stadthalle brummte, blieben die Gäste dem Café in der Merianstraße fern.
 
Das ist auch im Grünhof nicht anders: „Wir sehen hier, dass viele solche Angst vorm Scheitern haben, dass sie manche Projekte gar nicht erst starten“, sagt Leiterin Martina Knittel. „Im Leben geht es doch immer darum, dass man losläuft und dadurch lernt. Nur, wenn man eine Firma gründet, scheint das nicht zu klappen.“
 
Abschreckend wirken da sicher auch die Statistiken: Nach drei Jahren müssen mehr als 30 Prozent der Gründer die Segel streichen, die ersten sechs Jahre überlebt nicht einmal jedes zweite Startup. Dabei kann die richtige Herangehensweise das Risiko schon drastisch verringern: Beim Gründerbüro der Universität Freiburg gehen nach der ersten Beratung nur ein Drittel der Gründungsvorhaben tatsächlich an den Start – von diesen überleben dann aber auch 78 Prozent. „Man sollte sich von den Risiken nicht abschrecken lassen“, sagt Gründerbüroleiter Thomas Maier, der selbst schon eine Insolvenz hinter sich hat. „Die Überlebenschancen sind sehr hoch.“
 
Ähnlich hört sich das auch bei Millentrop nach seinem Vortrag im Grünhof an: „Ich hoffe, ich konnte die Leute ermutigen, in die Selbstständigkeit zu gehen. Es lohnt sich – auch wenn man den Karren mal an die Wand fährt.“
 
Text: tbr / Fotos: © Lars Millentrup