Moop Mama und Les Yeux D'La Tête beim ZMF: Tanzbarer Tiefsinn STADTGEPLAUDER | 26.07.2016

Tanzen bis das Zelt wackelt, hieß es am Montag beim ZMF. Im Spiegelzelt gaben sich zwei außergewöhnliche Kombos die Ehre: die Pariser Balkan-Beat-meets-Chanson-Truppe „Les Yeux D’La Tête“ und die Münchner HipHop-Blaskapelle „Moop Mama“. Die sechs Franzosen brachten das Zelt mit spitzbübigem Charme zum Kochen. Moop Mama sorgte mit einem Mix aus HipHop und Brass für den urbaneren Teil des Abends. Eins verbindet beide: tanzbarer Tiefsinn. Eine Bildergalerie gibt’s am Ende des Artikels.

Moop Mama beim ZMF

Eingespielt: Rapper Keno und seine Blaskapelle machen „Urban Brass“.

Als Rapper Keno zum Stagedive in die Menge springt, ist kein Halten mehr. Ungezählte Hände strecken sich dem bärtigen Mann im rot-weißen HipHop-Anzug entgegen und tragen ihn durchs hitzige Zirkuszelt. Seine neun Musiker blasen dem Publikum dazu den Marsch: Mit Saxofon, Trompeten, Posaunen, einem riesigen Sousaphon und zwei Drummern spielen sie HipHop-Beats. Mal wuchtig zum Abgehen, mal sanft für die leisen Töne des Abends.

Moop Mama nennen das „Urban Brass“ – und begeistern beim ZMF auch Zuschauer, die eigentlich wegen „Les Yeux D’La Tête“ gekommen sind. Keno rappt über stinkende Kloaken, Schmetterlingsgefühle und meckernde Kinder. Gesellschaftskritik mischt sich zwischen die scheinbar lässigen Zeilen. „Alle Kinder mögen alle Kinder / Außer Lisa, die mag Pegida“ heißt es in „Alle Kinder“.

Die Band setzt gleich zu Beginn ein Ausrufezeichen: Im Uptempo-Song „König der Stadtmitte“ entlockt sie den Instrumenten mächtig Druck und noch mehr Groove – die Menge springt. Keno rappt in atembenraubendem Tempo dazu – wie oft an diesem Abend. Er und seine neunköpfige Band, alle in knallroten Outfits, kreieren einen Sound, der so urban klingt, dass man sich fragt, warum es das nicht häufiger gibt.

Zu Freiburg hat die Gruppe einen besonderen Bezug. Das Video zur Single ihres aktuellen Albums „M.O.O.P.Topia“ haben sie kürzlich mit den Freiburger Filmemachern „Dugly Habits“ gedreht. Wofür sie sich auf der Bühne lautstark bedanken. In „Die Erfindung des Rades“ rappt Keno über seine Liebe zu Drahteseln. „Mein Antrieb: Muskelpakete / Brauche keinen Bus und spar‘ Knete“. Passend dazu rollt er mit einem roten Lowrider-Bike über die Bühne.

Die Show hat mehr zu bieten als tiefsinnig-ironische Texte mit tanzbarem Sound: Der Sousaphonist entlockt seinem Instrument Scratchgeräusche, die Musiker torkeln „wie auf LSD“ über die Bühne und Keno entlädt seine Energie in imposanten Urschreien.

Les Yeux D'La Tête beim ZMF

Verspielt: Les Yeux D’La Tête begeistern das Publikum mit Showeinlagen.

Ein Fahrrad haben Les Yeux D’La Tête nicht dabei. Die Franzosen setzen auf ihre Virtuosität und eine dicke Portion Charme. Die zwei Gitarre spielenden Frontmänner singen in ihrer Landessprache von Anekdoten aus ihren Leben, von der Freiheit und über ihre beschränkten Sprachkenntnissse („I don’t speak English“). Mal geben sie die Romantiker, dann die Rampensäue. Den Ton treffen sie mit ihrem Mix aus Rock, Balkan, Swing, Folk und Chanson in jedem Fall. Auch dank ihrer virtuosen Band: Mit Akkordeon und Klarinette solieren sie um die Wette. Ihre Spielfreude steckt an: Das Publikum geht ausgelassen mit – und stimmt leidenschaftlich in die Mitsingpassagen ein. Ein „à la folie“, auf Deutsch „wie verrückt“, wird minutenlang gemeinsam zelebriert.

Dass Frankreich und Deutschland gerade von Bluttaten erschüttert werden, beschäftigt beide Bands. Les Yeux D’La Tête spielen mit „Liberté chérie“ eine Ode an die Freiheit. Und Moop Mama plädieren mit „Liebe“ für mehr Umarmungen in dieser Welt.

Bildergalerie (mit den Pfeiltasten durchklicken)

Text & Bilder: Till Neumann