Pläne für den Platz der alten Synagoge sind bei Studenten umstritten STADTGEPLAUDER | 09.11.2016

Wo früher eine Wiese war, graben sich die Schaufeln stählerner Bagger in die badische Erde. Aufmerksam verfolgen Passanten das emsige Werkeln. Infoplakate an den wackligen Bauzäunen verkünden, was am Ende vom lärmenden Spektakel am Platz der Alten Synagoge bleiben soll: ein modernes Zentrum fürs wachsende Freiburg.

Der Platz der Alten Synagoge ist neben dem Münsterplatz der größte Platz in der Innenstadt und Teil der radikalen Umgestaltung des Rotteckrings. Bis Ende 2017 soll hier ein neuer Ort des Zusammenlebens entstehen, der mit der alten, von einem Mäuerchen eingefassten Rasenfläche nur noch wenig zu tun hat. Die Umgestaltung sorgt für reichlich Gesprächsstoff. Eine Umfrage des chili-Stadtmagazins auf dem Campus zeichnet ein zwiespältiges Bild (siehe Seite 6). Zwar loben Studenten die Vorhaben der Stadt, doch vor allem das fehlende Grün sorgt für kritische Mienen. Gerade das Gras habe ihnen am alten Platz gefallen, eine große Betonfläche wollen viele nicht. Lydia, 27, hätte zum Beispiel gerne einen Platz mit Wiese, »an dem man noch ein bisschen Natur mitbekommen kann«. Besonders im Sommer – so die Befürchtung – könnte sich der Platz stark aufheizen und einen entspannten Aufenthalt unmöglich machen.

Visualisierung: Platz der alten Synagoge

In neuem Glanz: So soll der neue Platz der Alten Synagoge aussehen, wenn er fertig ist. Bis dahin wird gegraben (unten).

Die Planer des Garten- und Tiefbauamtes weisen bei der hitzigen Debatte auf die Tatsache hin, dass der Platz zu jeder Jahreszeit nutzbar sein muss. Hendrik Schmitt, Projektleiter während der Konzeptphase, gibt zu bedenken: »Natürlich erwärmt sich eine befestigte Fläche schneller als eine Rasenfläche. Aber nach Regen trocknet sie auch wesentlich rascher. Es gab vor der Umgestaltung vor allem im Frühjahr und Herbst viele Tage, an denen niemand auf dem Rasen saß, weil der Boden nass war.«

In den Diskussionsrunden mit Bürgern in den vergangenen Jahren zeigten sich ähnliche Bedenken: Möglichst viele Bäume sollten dem Platz erhalten bleiben, auch, um für Kühle im Sommer zu sorgen. Die Stadt reagierte, integrierte mehr Bäume, um die herum Sitzbänke angebracht werden sollen. Auch das Urban-Gardening vor dem Stadttheater, ein typisches Freiburger Mitmach-Projekt, soll zumindest temporär erhalten werden.

Lennart Vogt, Sprecher der Juso-Hochschulgruppe und Mitglied im Studierendenrat (StuRa), hat wegen der repräsentativen Neugestaltung Bedenken: »Wenn man den Platz jetzt aufwerten möchte, liegt der Gedanke nahe, dass man versucht, Wohnungslose, die sich hier vorher aufgehalten haben, zu vertreiben. Dagegen haben wir uns klar positioniert, auch im StuRa.« Solchen Andeutungen widerspricht Mathias Fridrich, Leiter der Gruppe Stadtgestaltung im Stadtplanungsamt. Er weist darauf hin, dass man die Planung öffentlicher Plätze nur zu einem gewissen Grad lenken kann: »Ein Platz ist die demokratischste Fläche, die von allen nutzbar ist. Wir können auch nicht vorhersehen, was nachts auf dem Platz der Alten Synagoge los sein wird.« Doch auch bei den Studenten geht diese Befürchtung um. Der Platz solle nicht nur für Touristen und Studenten da sein, sondern für alle.

Baustelle am Platz der alten Synagoge

Zufrieden zeigt Vogt sich hingegen mit dem historischen Gedenken im Zentrum Freiburgs. Die wenig ruhmvolle Vergangenheit des Platzes im Nationalsozialismus (siehe Infokasten) wird nicht ausgeblendet. Die gegenwärtige Planung sieht vor, am ehemaligen Standort der zerstörten Synagoge mit einem Wasserspiegel in Form des Gebetshauses an dessen Schicksal zu erinnern. Am Grund des flachen Brunnens soll die Gedenktafel eingelassen werden, die zuvor am alten Platz war. Hierfür ließ das Stadtbauamt in einer Simulation sogar testen, ob man die Inschrift der Tafel auch im Wasser lesen kann. Am Grund eingelassene Strahler sollen zusätzlich einen Sternenhimmel über den Ruinen der Synagoge erahnen lassen. Wo die Büste Carl von Rottecks und das Verkehrsschild nach Gurs, das an die Deportation von 450 jüdischen Bürgern im Jahr 1940 in das südfranzösische Lager erinnert, platziert werden, ist noch nicht entschieden.

Offen ist auch die zukünftige Verkehrssituation, die auf dem für alle offenen Platz chaotisch werden könnte. Fahrräder, Fußgänger und Stadtbahn sollen sich möglichst nicht in die Quere kommen, ein wenig ist man aber schon von der Rücksicht der Verkehrsteilnehmer abhängig. Strikte Verbote fürs Fahrradfahren sind zum Beispiel nicht vorgesehen.

Ein zentrales Anliegen der Studenten für den Platz wird aber wohl unerhört bleiben: Die »Green City« wird in ihrem Zentrum um eine Rasenfläche ärmer.

Umfrage: Wie finden Studenten den Entwurf zum Platz der alten Synagoge?

1 Lydia, 27, Psychologie und Ayhan, Gymnasiallehramt, 24:

Lydia, 27, Psychologie und Ayhan, Gymnasiallehramt, 24

»Also ich find die Idee mit dem Wasserspiegel ganz gut. Aber mir fehlt das Grün total. Ein bisschen mehr Individualität wäre gut. Gerade für Studenten ist ein Platz mit Wiese viel cooler, an dem man noch ein bisschen Natur mitbekommen kann.«
»Ich würde einfach mehr Wiese schaffen. Leute setzen sich doch viel lieber auf eine Wiese als auf Pflastersteine.
Es wird nicht so lebendig sein.«

2 Phillip, 25, VWL

Phillip, 25, VWL

»Am Anfang war ich skeptisch, als es hieß, alles wird zubetoniert. Auf dem Bild sieht es aber gut aus. Trotzdem wäre eine Grünfläche in der Innenstadt besser. Im Sommer wäre es deutlich schöner, auf einer Bank im Grünen zu sitzen, als auf einem Betonplatz.

Amelie, 25, Germanistik/Skandinavistik

Amelie, 25, Germanistik/Skandinavistik

»Ich finde die Idee grundsätzlich nicht gut, dass es überhaupt ein gepflasterter Platz wird. Es sollte ein Rasen bleiben. Ich fand es gut, so wie es war.«

Saskia, 26, und Gregor, 26, beide Liberal Arts and Sciences

Saskia, 26, und Gregor, 26, beide Liberal Arts and Sciences

»Dass der Wasserspiegel die Form der Synagoge hat, wusste ich bis jetzt nicht, eine sehr gute Idee! Es könnte aber mehr Sitzmöglichkeiten geben.«
»Eine Fläche, die sehr neutral wirkt, entspricht nicht dem Charakter der Stadt. Ich hoffe, dass das keine architektonische Maßnahme gegen die Obdachlosen wird. Die Stadt gehört allen!«

Text: Patrick Volknant & Gabriel Kroher
Visualisierung: © GD90 Stadt Freiburg, Foto: © Gabriel Kroher