Geige trifft Punchline: Sechs Rapper proben mit dem SWR Symphonieorchester STADTGEPLAUDER | 09.11.2016

Das Rap-Klassik-Stück „Game Over“ feiert am Freitag Premiere im E-Werk. Sechs gecastete Nachwuchsrapper treten in dem Crossoverprojekt mit dem SWR Symphonieorchester auf. Am Dienstag war die erste gemeinsame Probe im Konzerthaus. Das chilli war dabei, als zwei Welten aufeinandertrafen, die gar nicht so gegensätzlich sind: Die Rapper feiern klassische Musik und der Dirigent ist Wu-Tang-Fan.

Routiniert: Ilja

Routiniert: Battlerapper Ilja Rubinov (rechts) bei der Probe mit den Symphonikern

„Irgendwo dazwischen ist ein Neuanfang“, rappt Nicolaj Zimmermann. Der 18-Jährige mit dem schwarz-weißen Reebok-Pulli gestikuliert in Rap-Manier, der Blick ist wild entschlossen. Neben ihm stehen seine fünf Rapper-Kollegen, hinter ihm ein 30-köpfiges Ensemble inklusive Band mit Schlagzeug, Bass und Klavier. „Das klingt viel krasser mit Orchester. Das hat viel mehr Power, jeder Ton wird ja live gespielt“, schwärmt der HipHopper. Die Augen leuchten.

Den ersten Einsatz seiner Strophe hat er noch verpasst. Nach ein paar Durchgängen rappt er dann aber ziemlich souverän zu Geigen und Cellos. Vor der Bühne sitzt sein Coach Robin Haefs vom Berliner HipHop-Projekt Rapucation. Mit dem Macbook auf dem Schoß beobachtet der Rapper (Mad Maks) seine Schützlinge, gibt Tipps, tauscht sich mit Dirigent Ilan Volkov aus. Vor allem an den Passagen, bei denen Rapper und Orchestermusiker zusammenkommen, muss noch gefeilt werden. Nicht immer ist allen klar, wer wann einsetzt. „We need to find a balance with the band“, ruft Volkov in den Saal. Was am Anfang noch recht holprig ist, wird zunehmend besser.

Rap ist für Volkov nichts Fremdes. „Ich habe in den 90ern viel HipHop gehört. Wu-Tang Clan, Cypress Hill, Beastie Boys“, sagt der 40-jährige Israeli. Den Kontrast zwischen Orchester und HipHop findet er super: „Es ist spannend, was passiert wenn klassische Musik auf modernen Sound aus den USA trifft.“

Probe für Game Over

Im Fokus: Serkan Karabiyik (links) und Nicolaj Zimmermann. Dahinter Dirigent Ilan Volkov.

Die sechs Rapper zwischen 18 und 20 Jahren sind im Frühjahr bei einem Casting ausgewählt worden. Sie kommen aus Karlsruhe, Stuttgart, dem Schwarzwald und Freiburg. Mit Lena Korhammer ist auch ein weiblicher MC dabei. Der einzige Freiburger ist Serkan Karabiyik. Er kommt an diesem Dienstag später, da er noch zu einem Vorstellungsgespräch musste. Wie seine Kollegen liest er bei der Probe seinen Text vom Smartphone ab. „Das ist natürlich nicht unser Anspruch “, sagt Ilja Rubinov. Der Text sei jedoch erst gestern fertig geworden. Bis Freitag könne die Crew alles auswendig, verspricht er.

Der 18-jährige Rapper ist als N’antinein schon bei zahlreichen Battles angetreten und damit alles andere als ein Rookie. Der Stuttgarter gibt sich entspannt, aber beeindruckt: „Ich habe schon ein paar 100 Shows gemacht, aber selten in der Größenordnung.“ Mit einem Orchester zu spielen, sei für ihn bisher ein „Fantasieprojekt“ gewesen. Als er von „Game Over“ gehört hat, meldete er sich prompt an und wurde genommen.

Bis Freitag sind nun täglich Proben – mit und ohne Orchester. Vor allem an der Performance wird gearbeitet. Fünf Songs spielen die Rapper in der 70-minütigen Show. Vier davon mit der Band und das große Finale mit Orchester und Band. Alle Texte haben sie in den vergangenen sechs Monaten unter Anleitung von Robin Haefs geschrieben. Rund ums Thema Game Over. „Es geht um Drogen, Liebe, Erwachsenwerden“, berichtet Haefs, der schon mit Mark Forster zusammengearbeitet hat. In die Game-Over-Texte habe man viel Arbeit gesteckt. „Das ist das Beste, was sie bisher gemacht haben“, sagt der Rapucation-Rapper. Am Ende seien die Nachwuchskünstler sogar kritischer als er selbst gewesen.

„Das wird großartig“, ist Wolfgang Lamparter überzeugt. Der Pressesprecher des Symphonieorchesters hat die Probe aufmerksam verfolgt und die Rapper bei den Vorbereitungen begleitet. „Game Over ist ein Begegnungsprogramm“, sagt er. Auch für das Orchester sei es spannend mit HipHop in Berührung zu kommen. Das Projekt soll eine Brücke bauen und junge Leute für Klassik begeistern. Schon vor vier Jahren hat der SWR das versucht. Damals führten mehr als 100 Rapper und HipHop-Tänzer mit dem Symphonieorchester in Freiburg „Romeo und Julia“ auf.

Probe für Game Over

Da geht’s lang: Rapcoach Robin Haefs von Rapucation gibt Anweisungen.

Dieses Mal wird die Fusion zweier Welten von Videoprojektionen unterstützt. Dafür mischt der Berliner VJ Safy Sniper Livebilder mit abstrakten Elementen. Sogar die Infrarot-Kamera einer X-Box soll dabei zum Einsatz kommen.

Nicolaj Zimmermann wird davon nicht viel mitbekommen. Sein Blick geht bei der Probe immer nach vorne. Auch wenn die Zusammenarbeit mit dem Orchester „übelst kompliziert“ ist, wie Robin Haefs sagt, ist er Feuer und Flamme. „Rap ist mein Leben“, schwärmt Zimmermann alias Nyso. Bei einem Klassikkonzert war er bisher noch nicht. Am Freitag wird sich das ändern, als Akteur auf der Bühne.

Text & Bilder: Till Neumann

Info

Game Over wird am Freitag, 11. November, im E-Werk aufgeführt. Ab 21 Uhr sind neben den Rappern auch Werke von John Adams, Samuel Barber, Charles Ives und John Cage zu hören. Am 12. November ist Game Over in Karlsruhe zu sehen, am 13. in Stuttgart. Tickets gibt’s auf SWRClassicservice.de oder unter Telefon 07221 300 100 für 17 Euro, ermäßigt für 7 Euro.

Bildergalerie von der Probe