"Viel Potenzial": Tilo Buchholz wird Popbeauftragter STADTGEPLAUDER | 20.09.2017

Der Musiker Tilo Buchholz wird Freiburgs erster Popbeauftragter. Das Mitglied der Freiburger Band „The Brothers“ wird das Amt zum 1. Oktober antreten, teilt die städtische Tochtergesellschaft Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe (FWTM) am heutigen Mittwoch mit. Als Erstes möchte sich der 48-jährige Buchholz um neue Proberäume kümmern. In der Szene gibt es Bedenken und Zuspruch.

Will Freiburger Bands pushen: der Musiker und ehemalige Stadtrat Tilo Buchholz

Eigentlich wollte Tilo Buchholz sich gar nicht bewerben. Er ging davon aus, dass jemand von außerhalb für den Posten gesucht wird. Als jedoch klar war, dass ein Freiburger den Job machen soll, wurde Buchholz von Leuten ermutigt, es zu versuchen. Seine Vielseitigkeit hat die FWTM überzeugt: Buchholz ist nicht nur Drummer bei The Brothers, er war auch von 2011 bis 2014 Freiburger Stadtrat (Grüne) und ist Mitgründer der Freiburger Musikerinitiative Multicore. „Die Leute kennen mich, ich habe gute Kontakte, kenne alle Dezernenten“, sagt Buchholz.

„Die Szene hat viel Potenzial“, betont er. Es gebe viele Bands in der Stadt, um die habe man sich jedoch nicht wirklich gekümmert. Das soll sich nun ändern. Schon früher habe er mit Multicore Anträge für Musikförderungen gestellt. Oft ohne Erfolg. „Jetzt muss ich nicht mehr auf Knien angekrochen kommen“, freut er sich. Schließlich habe der Gemeinderat die Stelle geschaffen, er handele in dessen Auftrag. „Jetzt kann ich ganz anders argumentieren“, sagt der Popbeauftragte.

Für seine Arbeit sei er auf den Input der Szene angewiesen. „Ohne deren Ideen kann ich nix erreichen“, sagt Buchholz. Player gebe es viele, zum Beispiel die IG Subkultur oder die Blues Association. Projekte aus allen musikalischen Bereichen seien willkommen. Was genau er erreichen kann, sei aber noch offen. „Das muss sich einpendeln.“ Mit der Akquise von Fördergeldern möchte er die Ausgaben für seine Stelle zumindest amortisieren.

Im Doppelhaushalt 2017/2018 der Stadt sind 50.000 Euro für eine 50-Prozent-Stelle vorgesehen. Damit soll Buchholz zwei Jahre lang den Pop-Standort Freiburg stärken. Die Stelle ist bei der FWTM angesiedelt. Sie soll eine „Schnittstelle zwischen Popmusikkultur und Verwaltung, Politik und Wirtschaft darstellen“, heißt es.

Zu Buchholz‘ Aufgaben zählen: Akteure vernetzen, Räume und Spielstätten akquirieren, vermitteln und pflegen sowie Musiker auf dem Weg in die Professionalität unterstützen. Dazu sind Coachings und die Beantragung von Fördermitteln geplant. Buchholz soll auch bei Interessenskonflikten vermitteln, zum Beispiel beim Lärmschutz oder der Sperrstunde. Bei regelmäßigen runden Tischen soll er Akteure zusammenbringen.

FWTM-Chef Bernd Dallmann

Das Stellenprofil ist bei einem Workshop mit 15 Vertretern der Freiburger Musikszene erarbeitet worden. Einer davon war Buchholz. „Wir hielten es für sinnvoll, die aktive Popszene gleich zu Beginn einzubeziehen“, sagt FWTM-Geschäftsführer Bernd Dallmann. 28 Bewerbungen seien eingegangen. Fünf Kandidaten habe man zu Gesprächen eingeladen.

Von Tilo Buchholz ist Bernd Dallmann überzeugt: „Als Musiker ist er in der Freiburger Musikszene verortet und hat diese in den letzten Jahren mitgeprägt – unter anderem als Gründungsmitglied der Freiburger Musikerinitiative Multicore, Pop FRequenz Freiburg sowie als Mitglied des Kulturausschusses für den Schwerpunkt „Rock, Pop, Jazz“.“

Zur Entscheidung gibt es auch Bedenken: „Ich finde die Wahl nicht optimal“, sagt Stadtrat Simon Waldenspuhl (Die Partei). „Ich hätte mir gewünscht, dass die Stelle mit jemandem besetzt wird, der nicht eine solche lange Vorgeschichte in Freiburg hat und zu Freiburgs alter Popgarde gehört.“ Jemand, der tiefer verwurzelt ist in der jungen kreativen Szene und frischen Wind in die verkrusteten Freiburger Popstrukturen bringt. Dennoch will er Tilo Buchholz unterstützen und schauen, dass die Belange der Sub-, Club- und Kneipenkultur in der neuen Stelle ihren Platz finden.

Auch ein Popthema: das Clubsterben

Ähnlich sieht das auch die IG Subkultur: „Wir befürchten, dass sich die Kontakte (von Tilo Buchholz) bisher nur auf bestimmte Szenen und Generationen von Musikern, Konzert-veranstaltern und sonstigen Akteuren beschränken.“ Bisher sei der IG kein Bezug des neuen Popbeauftragten zu Themen wie dem Verschwinden von Clubs, dem Drangsalieren von Kneipen sowie dem Mangel an Projekt- und Studioräumen für freie Kulturschaffende bekannt.

In seinen bisherigen Funktionen bei Multicore, als Stadtrat und Mitglied des Kulturausschusses hätte er Dinge für die Szene anstoßen können. „Die überwältigende Mehrheit der in der IG organisierten Kulturschaffenden und ihr jeweiliges Umfeld haben solche nicht wahrgenommen“, heißt es in einer Mitteilung. Man hätte sich bei der Besetzung der Stelle „mehr Mut gewünscht“. Trotz der Bedenken werde die IG Tilo Buchholz tatkräftig unterstützen, Ansprechpartner stellen und was sonst vonnöten ist. „Richtig freuen würden wir uns, sollten sich unsere Bedenken als unbegründet herausstellen.“

Tilo Buchholz weiß von den Vorbehalten. Er habe der IG bereits eine Mail geschickt, sagt er dem chilli. Es könnten jederzeit Themen an ihn herangetragen werden. Auch wenn er aus einem bestimmen musikalischen Bereich komme, sei er offen für alle Belange der Szene. „Das hängt nicht vom Alter ab“, betont Buchholz.

Christian Pertschy

So sieht das auch Christian Pertschy, Leiter der Jazz und Rock Schule Freiburg: „Tilo Buchholz hat sich jahrzehntelang als Musiker und Stadtrat engagiert, er kann sich auf dem Parkett bewegen.“ Er verstehe zwar die Vorbehalte, teile sie aber nicht: „Er muss nicht abends mit Leuten im Club rumhängen, um sie professionell beraten zu können.“ Buchholz sei professionell genug, um den Draht zu allen Bereichen der Szene herzustellen.

Sein Engagement als Musiker wird Buchholz nicht aufgeben: Beide Jobs hält er für vereinbar, Flexibilität sei gefragt. Ab April soll er sein Büro im Kreativpark in der alten Lokhalle am Güterbahnhof beziehen.

Text: Till Neumann; Fotos: Jannes Schilling, Till Neumann & privat

Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde um Reaktionen aus der Szene ergänzt.

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