Wenn ein Stern erlischt: „Und jeden Morgen das Meer“ aus Freiburg Kultur | 19.09.2018 | Erika Weisser

„Kann das Meer sich selbst fühlen? Oder der Abendhimmel, wenn er sich lodernd vom Tag verabschiedet?“ Fast immer, wenn Sonja auf den Klippen steht – und sie steht dort jeden Morgen, bei jedem Wind und Wetter –, gehen ihr diese Fragen durch den Kopf.

Ebenso wie der Gedanke, dass sie springen könnte: zur Seite der schäumenden Gischt. Oder zur anderen, zum grünen Land mit Schafen und aufragenden Bergen.Im früheren Leben war sie Chefin eines noblen Hotels am Bodensee; 30 Jahre lang führte sie es mit ihrem Mann Bruno, der für die Küche verantwortlich war, sich gar einen Michelin-Stern erkocht hatte. Doch dann verlor er ihn wieder, die prominenten Gäste blieben aus, das Haus geriet in Schulden.

Als Bruno von einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr zurückkehrt, übernimmt sein Bruder Arno zwar das Hotel samt Schuldenberg, doch Sonja muss verschwinden. Sie flieht zu Mr. Pettibone nach Wales. Und kommt bei der Analyse ihres Lebens zu bemerkenswerten Schlüssen.

Der Freiburger Autor Karl-Heinz Ott hat einen sezierenden, bissigen Roman geschrieben, in dem sogar das Unglück für beglückende Lektüre sorgt. Überzeugen kann man sich davon bei seiner Lesung in der Reihe „Freiburger Andruck“, am 17. Oktober ab 19.30 Uhr im Literaturhaus.

Und jeden Morgen das Meer
von Karl-Heinz Ott
Verlag: Hanser, 2018
144 Seiten, gebunden
Preis: 18 Euro