Baustelle statt Büffeln: School goes Business f79 – das Jugendmagazin | 03.04.2019 | Till Neumann

Ein Praktikum über ein ganzes Schuljahr. Das bietet School goes Business. Ein in Deutschland einzigartiges Projekt aus Offenburg. An mehreren Nachmittagen pro Woche lernen Ortenauer Schüler so den Berufsalltag kennen. Rund 30 Schüler der 9. und 10. Klasse machen das derzeit in Betrieben im Ortenaukreis.

Der Anlagenmechaniker // Leon Ferric, 15 Jahre (Bild oben)

Vier Nachmittage pro Woche ist Leon bei der Offenburger Firma Sanitär Fritz im Einsatz. Immer von 13 bis 17 Uhr. Schule hätte er nur bis spätestens 15.40 Uhr. Die Überstunden nimmt er gerne in Kauf. „Ich habe die Schule ein bisschen satt, ich will Berufserfahrung sammeln“, erklärt Leon. Da er noch gar nicht weiß, was er später einmal machen möchte, kommt ihm das Praktikum gelegen. Hier lernt er, was es heißt, Anlagenmechaniker zu sein. Er ist unter anderem auf Baustellen dabei, begleitet Monteure bei der Arbeit, hilft Rohre zu verlegen.

„Die Arbeit gefällt mir besser als Schule“, sagt Leon. Am meisten Spaß machen ihm Aufgaben mit Verantwortung. Und wenn er Feedback von erfahrenen Kollegen bekommt. Nicht immer kann er helfen, oft ist auch Geduld gefragt. Gerade wenn Abläufe besprochen werden und er warten muss.

Die Hausaufgaben in der Schule sind nicht weggefallen. Doch auch wenn er dafür jetzt weniger Zeit hat, bekommt er sie erledigt. „Ich schaffe sie jetzt sogar schneller als früher“, sagt Leon. Denn vor dem Praktikum habe er oft Zeit vertrödelt. Jetzt arbeite er gezielter, so bleibe trotz der Auslastung noch Zeit für Hobbys.

Am Anfang sei er etwas eingeschüchtert gewesen, doch Leon kann sagen: „Da wächst man rein.“ Sein Chef lobt ihn mittlerweile als „Everybody’s Darling“, die Kollegen seien froh, ihn an ihrer Seite zu haben. Leon selbst ist überrascht, wie vielfältig die Arbeit mit Sanitäranlagen und Heizungen ist. Seinen Chef überrascht das nicht: Er erzählt von vier SchoolGoes-Business-Praktikanten, die mittlerweile fest im Betrieb seien. Auch Leon könnte sich vorstellen, später hier zu arbeiten.

 Der Fliesenleger //  Yannis Schreiber, 15 Jahre 

Packt mit an, um seine Zukunft zu planen: Yannis Schreiber

Drei Tage die Woche ist Yannis bei der Firma „Arno Scheiderbauer“ im Einsatz. Dienstags, mittwochs und donnerstags hilft er von 13 bis 16 Uhr beim Fliesenlegen. Schule hätte er sonst nur bis 12.35 Uhr. Fast drei Monate geht das Praktikum schon, bereut hat er es bisher nicht: „Manchmal ist es anstrengend, wenn man so lange bleiben muss, aber nach einem schlechten Tag kommt wieder ein guter“, sagt Yannis. Er ist immer auf Bau-stellen dabei, kann dort mit anpacken. „Das ist spannend“, sagt Yannis. Seine Aufgaben sind zum Beispiel Fliesen fegen, Materialien tragen oder etwas isolieren.

Auch er hat sich für School-GoesBusiness entschieden, da er noch keine Zukunftspläne hat. „Ich hatte im Kopf, vielleicht Fliesenleger zu werden“, verrät der 15-Jährige. Seine beiden nächsten Stationen werden ihm noch ganz andere Einblicke ermöglichen: Es geht zu einem Steuerberater und in eine Hotelküche.

Aus seiner Klasse ist Yannis der Einzige, der ein solches Praktikum macht. Den Einblick in die Berufswelt schätzt er sehr. „Man lernt hier viel, ich würde es weiterempfehlen“, sagt der Realschüler. Es brauche dafür Selbstbewusstsein, das hat er schnell verstanden. Wenn er an seine Grenzen kommt, sagt er sich: „Ich weiß, dass ich es schaffe.“ Eine Fähigkeit, die ihn nicht nur im Berufsleben weiterbringen wird.

Der Feuerwehrmann // Florian Schmieder, 14 Jahre 

Hofft auf einen großen Einsatz: Florian Schmieder

„Ich wollte mal was Neues probieren“, sagt Florian. Er steht im blauen Feuerwehrpulli an einem Einsatzwagen und hofft auf spannende Einblicke. Ein halbes Schuljahr verbringt er bei den Offenburger Brandbekämpfern. Bisher sind die großen Momente jedoch ausge-blieben. Florian hilft beim Waschen der Autos, unterstützt bei PC-Arbeiten und ist als Support an der Seite der erfahrenen Kollegen. Bei einem Einsatz war er noch nicht mit von der Partie. Ihm wurde erklärt: Wenn ein Platz frei ist, nehmen sie ihn mit. Es braucht also auch etwas Glück, um die Arbeit der Feuerwehr hautnah zu erleben.

Auch er schiebt Überstunden für sein Berufspraktikum. „Manchmal ist das nervig“, sagt Florian. Andere haben schon frei. Gerade jetzt, wo wegen einer kranken Lehrerin einiges an Unterricht ausfalle. Aus seiner Klasse haben sich mehrere für SchoolGoesBusiness entschieden. Doch einige hätten bereits abgebrochen. „Wahrscheinlich war es ihnen zu viel Stress“, sagt Florian. Auch er habe es sich überlegt, ist nun aber sicher, es durchzuziehen. Seine Devise: „Wenn ich etwas anfange, mache ich es auch zu Ende.“

Seine nächste Station ist die Firm Tesa. Der Einblick dort dürfte umfassend werden, hofft der Schüler. „Die haben viele Fachgebiete, da gibt’s so ziemlich alles.“ Viele seiner Klassenkameraden hätten sich gegen ein solches Praktikum entschieden. Ohne Bezahlung sei das nichts. Florian sieht das anders: „Man bekommt zwar kein Geld, aber Erfahrung.“

School Goes Business

Ein Jahr lang gehen Schüler mit SchoolGoesBusiness in einen Betrieb. An mehreren Nachmittagen pro Woche bekommen sie dort einen Einblick in den Berufsalltag. Über das Schuljahr hinweg machen sie drei Praktika à je drei Monate.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt vor zwölf Jahren von Offenburger Unternehmen und der Waldorfschule Offenburg. „Der Mittelstand versucht so, junge Menschen seine Berufe vorzustellen“, erklärt Projektleiterin Anja Bürkle vom Berufsförderungsverein Offenburg. Immer wieder finden Schüler so den direkten Weg zu einer Ausbildung, berichtet sie. Im Herbst 2018 haben sich 32 Schüler für SchoolGoesBusiness entschieden. Insgesamt haben seit 2007 242 Schüler diesen Weg gewählt. Die Abbrecherquote liege bei rund zehn Prozent, informiert Bürkle.

Teilnehmer können zwischen rund 60 Betrieben in Offenburg und dem Umland wählen. Neben Wunschstationen gibt es auch zugeteilte Praktikaplätze. Drei Schulen machen bisher mit: Freie Waldorfschule, Erich-Kästner-Realschule und Eichendorff-Schule. 

www.schoolgoesbusiness.org

Fotos: © Till Neumann